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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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Unterleibs, so, daß die Zeichen, welche sonst bey
den einzelnen Entzündungen vorkommen, hier alle-
sammt zusammen trafen. Es waren also der Magen,
die diken und dünnen Gedärme, die Harnblase und
die Gebärmutter aufs deutlichste entzündet. D[a]bey
war sie im dritten Monate schwanger. Mehr aus
Fürwitz, um den Verlauf der Krankheit zu beobach-
ten, und um mir keine Vorwürfe einiger Nachläßig-
keit zuzuziehen, als in der Hoffnung, zu helfen, ent-
schloß ich mich, allen meinen Kräften aufzubieten, und zu
versuchen, was die Kunst vermag. Von innern Arz-
neyen ist keine Rede; denn es war nichts auszudenken,
wovon sie nur ein Kaffelöffelchenvoll ertragen hätte.
Ich richtete daher mein ganzes Verfahren gegen die
allgemeine Entzündung ein, doch so, daß ich mehr
den Brand zu verhüten, als die Entzündung auf ein-
mal zu brechen, besorgt war, weil die Entkräftung
ohnehin schon den höchsten Grad erreicht hatte. Wäh-
rend dem die Zufälle am heftigsten tobten, gieng die
Leibesfrucht ab. Diese war vom Nabel an bis über
den ganzen obern Körper, Arme, Brust, Rücken,
Kopf dunkelroth entzündet; der untere Theil, der
Hintere, die untere Gegend des Bauches und die
Schenkel und Füße hatten die natürliche Farbe. Ich
gab sie dem Herrn Professor Barth welcher sie in
seiner Sammlung aufbewahrte; der Weingeist ver-
änderte die rothe Farbe in eine bleich braune. Auf
diesen Abgang folgten einige zu einem Pfund schwe-
re Klumpen gerinnbarer mit Blut gemischten Lymphe.
Einige Tage später bekam sie in einer Nacht über

zwanzig

Unterleibs, ſo, daß die Zeichen, welche ſonſt bey
den einzelnen Entzuͤndungen vorkommen, hier alle-
ſammt zuſammen trafen. Es waren alſo der Magen,
die diken und duͤnnen Gedaͤrme, die Harnblaſe und
die Gebaͤrmutter aufs deutlichſte entzuͤndet. D[a]bey
war ſie im dritten Monate ſchwanger. Mehr aus
Fuͤrwitz, um den Verlauf der Krankheit zu beobach-
ten, und um mir keine Vorwuͤrfe einiger Nachlaͤßig-
keit zuzuziehen, als in der Hoffnung, zu helfen, ent-
ſchloß ich mich, allen meinen Kraͤften aufzubieten, und zu
verſuchen, was die Kunſt vermag. Von innern Arz-
neyen iſt keine Rede; denn es war nichts auszudenken,
wovon ſie nur ein Kaffeloͤffelchenvoll ertragen haͤtte.
Ich richtete daher mein ganzes Verfahren gegen die
allgemeine Entzuͤndung ein, doch ſo, daß ich mehr
den Brand zu verhuͤten, als die Entzuͤndung auf ein-
mal zu brechen, beſorgt war, weil die Entkraͤftung
ohnehin ſchon den hoͤchſten Grad erreicht hatte. Waͤh-
rend dem die Zufaͤlle am heftigſten tobten, gieng die
Leibesfrucht ab. Dieſe war vom Nabel an bis uͤber
den ganzen obern Koͤrper, Arme, Bruſt, Ruͤcken,
Kopf dunkelroth entzuͤndet; der untere Theil, der
Hintere, die untere Gegend des Bauches und die
Schenkel und Fuͤße hatten die natuͤrliche Farbe. Ich
gab ſie dem Herrn Profeſſor Barth welcher ſie in
ſeiner Sammlung aufbewahrte; der Weingeiſt ver-
aͤnderte die rothe Farbe in eine bleich braune. Auf
dieſen Abgang folgten einige zu einem Pfund ſchwe-
re Klumpen gerinnbarer mit Blut gemiſchten Lymphe.
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[261/0280] Unterleibs, ſo, daß die Zeichen, welche ſonſt bey den einzelnen Entzuͤndungen vorkommen, hier alle- ſammt zuſammen trafen. Es waren alſo der Magen, die diken und duͤnnen Gedaͤrme, die Harnblaſe und die Gebaͤrmutter aufs deutlichſte entzuͤndet. Dabey war ſie im dritten Monate ſchwanger. Mehr aus Fuͤrwitz, um den Verlauf der Krankheit zu beobach- ten, und um mir keine Vorwuͤrfe einiger Nachlaͤßig- keit zuzuziehen, als in der Hoffnung, zu helfen, ent- ſchloß ich mich, allen meinen Kraͤften aufzubieten, und zu verſuchen, was die Kunſt vermag. Von innern Arz- neyen iſt keine Rede; denn es war nichts auszudenken, wovon ſie nur ein Kaffeloͤffelchenvoll ertragen haͤtte. Ich richtete daher mein ganzes Verfahren gegen die allgemeine Entzuͤndung ein, doch ſo, daß ich mehr den Brand zu verhuͤten, als die Entzuͤndung auf ein- mal zu brechen, beſorgt war, weil die Entkraͤftung ohnehin ſchon den hoͤchſten Grad erreicht hatte. Waͤh- rend dem die Zufaͤlle am heftigſten tobten, gieng die Leibesfrucht ab. Dieſe war vom Nabel an bis uͤber den ganzen obern Koͤrper, Arme, Bruſt, Ruͤcken, Kopf dunkelroth entzuͤndet; der untere Theil, der Hintere, die untere Gegend des Bauches und die Schenkel und Fuͤße hatten die natuͤrliche Farbe. Ich gab ſie dem Herrn Profeſſor Barth welcher ſie in ſeiner Sammlung aufbewahrte; der Weingeiſt ver- aͤnderte die rothe Farbe in eine bleich braune. Auf dieſen Abgang folgten einige zu einem Pfund ſchwe- re Klumpen gerinnbarer mit Blut gemiſchten Lymphe. Einige Tage ſpaͤter bekam ſie in einer Nacht uͤber zwanzig

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/280>, abgerufen am 22.11.2024.