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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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handelt werden, und sie sind jedesmal, so wenig sie
auch den Anschein haben, dennoch viel bedenklicher.
Daher sagt Houlier, wenn die Hirnwuth eine Folge
von einem Fieber ist, wie es allermeist der Fall ist,
solle man selten Aderlassen, weil ohnehin schon Aus-
leerungen vorhergegangen und die Kräfte erschöpft
sind, bis endlich der Wahnsinn hinzukömmt. Eben
so hält Duretus die Wassersucht, wenn sie auf sehr
alte viertägige Fieber folgt, für weit gefährlicher
und langwieriger. Ueberhaupt hat man von Rück-
fällen alles dasjenige zu befürchten, was sich in hi-
tzigen Krankheiten bey einem grossen Verfall der Le-
benskräfte zu ereignen pflegt.

§. 48.
Lebensordnung in hitzigen Krankheiten.

Von der Lebensordnung in hitzigen Krankhei-
ten kann ich hier noch wenig Bestimmtes sagen. Im
Allgemeinen gilt hier wieder die Regel, daß sie jedes-
mal dem gegenwärtigen sowohl als dem abgezielten
Kräftenmaße gemäß müsse eingerichtet werden. Nach-
dem es dieses erträgt oder erheischet, läßt man den
Kranken der Länge nach liegen, sitzen, tragen, ge-
hen, fahren, reiten, mehr oder weniger schlafen;
gar nicht, wenig, still oder laut reden; u. s. w.

In Hinsicht der Nahrung kann Niemand ge-
wissenhafter seyn, als es Hippokrates war. Er
nahm überall sorgfältig auf die verhältnißmäßigen
Kräfte Rücksicht. Je hitziger die Krankheit war,
desto wässerichter, dünner richtete er sie ein. In der

höchsten

handelt werden, und ſie ſind jedesmal, ſo wenig ſie
auch den Anſchein haben, dennoch viel bedenklicher.
Daher ſagt Houlier, wenn die Hirnwuth eine Folge
von einem Fieber iſt, wie es allermeiſt der Fall iſt,
ſolle man ſelten Aderlaſſen, weil ohnehin ſchon Aus-
leerungen vorhergegangen und die Kraͤfte erſchoͤpft
ſind, bis endlich der Wahnſinn hinzukoͤmmt. Eben
ſo haͤlt Duretus die Waſſerſucht, wenn ſie auf ſehr
alte viertaͤgige Fieber folgt, fuͤr weit gefaͤhrlicher
und langwieriger. Ueberhaupt hat man von Ruͤck-
faͤllen alles dasjenige zu befuͤrchten, was ſich in hi-
tzigen Krankheiten bey einem groſſen Verfall der Le-
benskraͤfte zu ereignen pflegt.

§. 48.
Lebensordnung in hitzigen Krankheiten.

Von der Lebensordnung in hitzigen Krankhei-
ten kann ich hier noch wenig Beſtimmtes ſagen. Im
Allgemeinen gilt hier wieder die Regel, daß ſie jedes-
mal dem gegenwaͤrtigen ſowohl als dem abgezielten
Kraͤftenmaße gemaͤß muͤſſe eingerichtet werden. Nach-
dem es dieſes ertraͤgt oder erheiſchet, laͤßt man den
Kranken der Laͤnge nach liegen, ſitzen, tragen, ge-
hen, fahren, reiten, mehr oder weniger ſchlafen;
gar nicht, wenig, ſtill oder laut reden; u. ſ. w.

In Hinſicht der Nahrung kann Niemand ge-
wiſſenhafter ſeyn, als es Hippokrates war. Er
nahm uͤberall ſorgfaͤltig auf die verhaͤltnißmaͤßigen
Kraͤfte Ruͤckſicht. Je hitziger die Krankheit war,
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[404/0423] handelt werden, und ſie ſind jedesmal, ſo wenig ſie auch den Anſchein haben, dennoch viel bedenklicher. Daher ſagt Houlier, wenn die Hirnwuth eine Folge von einem Fieber iſt, wie es allermeiſt der Fall iſt, ſolle man ſelten Aderlaſſen, weil ohnehin ſchon Aus- leerungen vorhergegangen und die Kraͤfte erſchoͤpft ſind, bis endlich der Wahnſinn hinzukoͤmmt. Eben ſo haͤlt Duretus die Waſſerſucht, wenn ſie auf ſehr alte viertaͤgige Fieber folgt, fuͤr weit gefaͤhrlicher und langwieriger. Ueberhaupt hat man von Ruͤck- faͤllen alles dasjenige zu befuͤrchten, was ſich in hi- tzigen Krankheiten bey einem groſſen Verfall der Le- benskraͤfte zu ereignen pflegt. §. 48. Lebensordnung in hitzigen Krankheiten. Von der Lebensordnung in hitzigen Krankhei- ten kann ich hier noch wenig Beſtimmtes ſagen. Im Allgemeinen gilt hier wieder die Regel, daß ſie jedes- mal dem gegenwaͤrtigen ſowohl als dem abgezielten Kraͤftenmaße gemaͤß muͤſſe eingerichtet werden. Nach- dem es dieſes ertraͤgt oder erheiſchet, laͤßt man den Kranken der Laͤnge nach liegen, ſitzen, tragen, ge- hen, fahren, reiten, mehr oder weniger ſchlafen; gar nicht, wenig, ſtill oder laut reden; u. ſ. w. In Hinſicht der Nahrung kann Niemand ge- wiſſenhafter ſeyn, als es Hippokrates war. Er nahm uͤberall ſorgfaͤltig auf die verhaͤltnißmaͤßigen Kraͤfte Ruͤckſicht. Je hitziger die Krankheit war, deſto waͤſſerichter, duͤnner richtete er ſie ein. In der hoͤchſten

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/423>, abgerufen am 22.11.2024.