Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

nen; Heute kömmt ein Ausschlag hervor, der in ei-
nigen Tagen wieder verschwindet; der Harn ist bald
blaß, bald setzt er im Geschirre ab u. s. w. Die Versuche
der Natur sind überhaupt so unvollständig und kraftlos,
daß sowohl ihre Absicht als ihr wirklicher Nutzen von
nicht sehr scharfsinnigen Aerzten verkennet wird.

Nach dem schlafsüchtigen epidemischen Fieber
des Sydenham ereignete sich bey jenen, welche durch
die Langwierigkeit der Krankheit und viele Ausleerun-
gen sehr erschöpft, oder ohnehin von schwacher Lei-
besbeschaffenheit waren, daß sie in der Nacht, sobald
sie zu Bette lagen, häufig schwitzten. Die Natur
leerte durch den Schweiß die Säfte aus, welche sie
zu schwach war, in gleichmässige Nahrung zu ver-
wandlen, und so wurden einige sogar schwindsüchtig.
Sydenham half ihnen mit Malagawein, den er Frühe
und Abends zu fünf bis sechs Löffel voll trinken ließ.

§. 50.

Wie sehr die Bestrebungen der Natur durch ein
verhältnißmässiges Kräftenmaaß unterstützt, durch des-
sen Mangel aber unordentlich und fruchtlos gemacht
werden, beweisen noch folgende Bemerkungen:

Es wird jetzt durchgängig angenommen, daß
ein Fieber, besonders wenn es regelmäßige Anfälle
macht; wenn nach jedem Anfalle die Beschwerden
leichter und erträglicher werden; wenn die Kräfte des
Kranken mehr zu als abnehmen; seine Eßlust, sein
Schlaf besser, seine Gesichtsfarbe munterer und leb-

haf-

nen; Heute koͤmmt ein Ausſchlag hervor, der in ei-
nigen Tagen wieder verſchwindet; der Harn iſt bald
blaß, bald ſetzt er im Geſchirre ab u. ſ. w. Die Verſuche
der Natur ſind uͤberhaupt ſo unvollſtaͤndig und kraftlos,
daß ſowohl ihre Abſicht als ihr wirklicher Nutzen von
nicht ſehr ſcharfſinnigen Aerzten verkennet wird.

Nach dem ſchlafſuͤchtigen epidemiſchen Fieber
des Sydenham ereignete ſich bey jenen, welche durch
die Langwierigkeit der Krankheit und viele Ausleerun-
gen ſehr erſchoͤpft, oder ohnehin von ſchwacher Lei-
besbeſchaffenheit waren, daß ſie in der Nacht, ſobald
ſie zu Bette lagen, haͤufig ſchwitzten. Die Natur
leerte durch den Schweiß die Saͤfte aus, welche ſie
zu ſchwach war, in gleichmaͤſſige Nahrung zu ver-
wandlen, und ſo wurden einige ſogar ſchwindſuͤchtig.
Sydenham half ihnen mit Malagawein, den er Fruͤhe
und Abends zu fuͤnf bis ſechs Loͤffel voll trinken ließ.

§. 50.

Wie ſehr die Beſtrebungen der Natur durch ein
verhaͤltnißmaͤſſiges Kraͤftenmaaß unterſtuͤtzt, durch deſ-
ſen Mangel aber unordentlich und fruchtlos gemacht
werden, beweiſen noch folgende Bemerkungen:

Es wird jetzt durchgaͤngig angenommen, daß
ein Fieber, beſonders wenn es regelmaͤßige Anfaͤlle
macht; wenn nach jedem Anfalle die Beſchwerden
leichter und ertraͤglicher werden; wenn die Kraͤfte des
Kranken mehr zu als abnehmen; ſeine Eßluſt, ſein
Schlaf beſſer, ſeine Geſichtsfarbe munterer und leb-

haf-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0429" n="410"/>
nen; Heute ko&#x0364;mmt ein Aus&#x017F;chlag hervor, der in ei-<lb/>
nigen Tagen wieder ver&#x017F;chwindet; der Harn i&#x017F;t bald<lb/>
blaß, bald &#x017F;etzt er im Ge&#x017F;chirre ab u. &#x017F;. w. Die Ver&#x017F;uche<lb/>
der Natur &#x017F;ind u&#x0364;berhaupt &#x017F;o unvoll&#x017F;ta&#x0364;ndig und kraftlos,<lb/>
daß &#x017F;owohl ihre Ab&#x017F;icht als ihr wirklicher Nutzen von<lb/>
nicht &#x017F;ehr &#x017F;charf&#x017F;innigen Aerzten verkennet wird.</p><lb/>
            <p>Nach dem &#x017F;chlaf&#x017F;u&#x0364;chtigen epidemi&#x017F;chen Fieber<lb/>
des <hi rendition="#fr">Sydenham</hi> ereignete &#x017F;ich bey jenen, welche durch<lb/>
die Langwierigkeit der Krankheit und viele Ausleerun-<lb/>
gen &#x017F;ehr er&#x017F;cho&#x0364;pft, oder ohnehin von &#x017F;chwacher Lei-<lb/>
besbe&#x017F;chaffenheit waren, daß &#x017F;ie in der Nacht, &#x017F;obald<lb/>
&#x017F;ie zu Bette lagen, ha&#x0364;ufig &#x017F;chwitzten. Die Natur<lb/>
leerte durch den Schweiß die Sa&#x0364;fte aus, welche &#x017F;ie<lb/>
zu &#x017F;chwach war, in gleichma&#x0364;&#x017F;&#x017F;ige Nahrung zu ver-<lb/>
wandlen, und &#x017F;o wurden einige &#x017F;ogar &#x017F;chwind&#x017F;u&#x0364;chtig.<lb/><hi rendition="#fr">Sydenham</hi> half ihnen mit Malagawein, den er Fru&#x0364;he<lb/>
und Abends zu fu&#x0364;nf bis &#x017F;echs Lo&#x0364;ffel voll trinken ließ.</p><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 50.</head><lb/>
              <p>Wie &#x017F;ehr die Be&#x017F;trebungen der Natur durch ein<lb/>
verha&#x0364;ltnißma&#x0364;&#x017F;&#x017F;iges Kra&#x0364;ftenmaaß unter&#x017F;tu&#x0364;tzt, durch de&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en Mangel aber unordentlich und fruchtlos gemacht<lb/>
werden, bewei&#x017F;en noch folgende Bemerkungen:</p><lb/>
              <p>Es wird jetzt durchga&#x0364;ngig angenommen, daß<lb/>
ein Fieber, be&#x017F;onders wenn es regelma&#x0364;ßige Anfa&#x0364;lle<lb/>
macht; wenn nach jedem Anfalle die Be&#x017F;chwerden<lb/>
leichter und ertra&#x0364;glicher werden; wenn die Kra&#x0364;fte des<lb/>
Kranken mehr zu als abnehmen; &#x017F;eine Eßlu&#x017F;t, &#x017F;ein<lb/>
Schlaf be&#x017F;&#x017F;er, &#x017F;eine Ge&#x017F;ichtsfarbe munterer und leb-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">haf-</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[410/0429] nen; Heute koͤmmt ein Ausſchlag hervor, der in ei- nigen Tagen wieder verſchwindet; der Harn iſt bald blaß, bald ſetzt er im Geſchirre ab u. ſ. w. Die Verſuche der Natur ſind uͤberhaupt ſo unvollſtaͤndig und kraftlos, daß ſowohl ihre Abſicht als ihr wirklicher Nutzen von nicht ſehr ſcharfſinnigen Aerzten verkennet wird. Nach dem ſchlafſuͤchtigen epidemiſchen Fieber des Sydenham ereignete ſich bey jenen, welche durch die Langwierigkeit der Krankheit und viele Ausleerun- gen ſehr erſchoͤpft, oder ohnehin von ſchwacher Lei- besbeſchaffenheit waren, daß ſie in der Nacht, ſobald ſie zu Bette lagen, haͤufig ſchwitzten. Die Natur leerte durch den Schweiß die Saͤfte aus, welche ſie zu ſchwach war, in gleichmaͤſſige Nahrung zu ver- wandlen, und ſo wurden einige ſogar ſchwindſuͤchtig. Sydenham half ihnen mit Malagawein, den er Fruͤhe und Abends zu fuͤnf bis ſechs Loͤffel voll trinken ließ. §. 50. Wie ſehr die Beſtrebungen der Natur durch ein verhaͤltnißmaͤſſiges Kraͤftenmaaß unterſtuͤtzt, durch deſ- ſen Mangel aber unordentlich und fruchtlos gemacht werden, beweiſen noch folgende Bemerkungen: Es wird jetzt durchgaͤngig angenommen, daß ein Fieber, beſonders wenn es regelmaͤßige Anfaͤlle macht; wenn nach jedem Anfalle die Beſchwerden leichter und ertraͤglicher werden; wenn die Kraͤfte des Kranken mehr zu als abnehmen; ſeine Eßluſt, ſein Schlaf beſſer, ſeine Geſichtsfarbe munterer und leb- haf-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Der erste Band von Franz Joseph Galls "Philosophi… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/429
Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/429>, abgerufen am 22.11.2024.