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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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zu verrücken suchen. Wenn ich, z. B., mit der Na-
tur der Entzündungskrankheiten gut bekannt bin, so
kann ich bey diesem oder jenem Kranken ungefähr sa-
gen, was für ein Grad von Fieber erforderlich seye,
um eine glückliche Zertheilung und Entscheidung zu
bewirken. Bey einem gesunden dreyßigjährigen Man-
ne von mittlerer Leibesstärke sind ein mäßiges Kopf-
weh, ein etwas lebhafteres Gesicht, glänzende Augen,
etwas trockner Mund, feuchte, weißschleimige Zunge,
mäßiger Durst, nur geringe Verminderung der natür-
lichen Ausleerungen durch Stuhl und Harn, eine mäs-
sig vermehrte Wärme der Haut mit ebenfalls mäßi-
ger Tröckne, ein Puls, der in einer Minute etwa
fünf und siebenzigmal schlägt, da er im gesunden Zu-
stande sechzig bis fünf und sechzig Schläge thut, der
nur um die Hälfte mehr dem Druck des Fingers wi-
dersteht, u. s. w. gerade das ächte Maaß der Be-
wegungen, wodurch der Stoff des entzündlichen Fie-
bers weder zu stürmisch noch zu träge verarbeitet,
verkocht und ausgeleeret wird. -- Es wäre also Un-
sinn, wenn man diesen Grad erhöhen oder vermindern
wollte. Aber was drüber und drunter ist, soll der
Arzt mit Klugheit bald durch beruhigende und auslee-
rende Mittel, durch Lebensordnung, bald durch rei-
zende, nährende u. s. w. auf die gehörige Stufe zu-
rückführen. -- -- Da wird nun freylich mehr erfo-
dert, als die bloße Namenskenntniß der Zufälle und
der Heilmittel. Es wird erfordert, daß der Arzt den
Gang einer jeden Krankheit etwan so genau kenne,
als wir ihn bey der Gicht und den Blattern zu ken-

nen
Gall I. Band E e

zu verruͤcken ſuchen. Wenn ich, z. B., mit der Na-
tur der Entzuͤndungskrankheiten gut bekannt bin, ſo
kann ich bey dieſem oder jenem Kranken ungefaͤhr ſa-
gen, was fuͤr ein Grad von Fieber erforderlich ſeye,
um eine gluͤckliche Zertheilung und Entſcheidung zu
bewirken. Bey einem geſunden dreyßigjaͤhrigen Man-
ne von mittlerer Leibesſtaͤrke ſind ein maͤßiges Kopf-
weh, ein etwas lebhafteres Geſicht, glaͤnzende Augen,
etwas trockner Mund, feuchte, weißſchleimige Zunge,
maͤßiger Durſt, nur geringe Verminderung der natuͤr-
lichen Ausleerungen durch Stuhl und Harn, eine maͤſ-
ſig vermehrte Waͤrme der Haut mit ebenfalls maͤßi-
ger Troͤckne, ein Puls, der in einer Minute etwa
fuͤnf und ſiebenzigmal ſchlaͤgt, da er im geſunden Zu-
ſtande ſechzig bis fuͤnf und ſechzig Schlaͤge thut, der
nur um die Haͤlfte mehr dem Druck des Fingers wi-
derſteht, u. ſ. w. gerade das aͤchte Maaß der Be-
wegungen, wodurch der Stoff des entzuͤndlichen Fie-
bers weder zu ſtuͤrmiſch noch zu traͤge verarbeitet,
verkocht und ausgeleeret wird. — Es waͤre alſo Un-
ſinn, wenn man dieſen Grad erhoͤhen oder vermindern
wollte. Aber was druͤber und drunter iſt, ſoll der
Arzt mit Klugheit bald durch beruhigende und auslee-
rende Mittel, durch Lebensordnung, bald durch rei-
zende, naͤhrende u. ſ. w. auf die gehoͤrige Stufe zu-
ruͤckfuͤhren. — — Da wird nun freylich mehr erfo-
dert, als die bloße Namenskenntniß der Zufaͤlle und
der Heilmittel. Es wird erfordert, daß der Arzt den
Gang einer jeden Krankheit etwan ſo genau kenne,
als wir ihn bey der Gicht und den Blattern zu ken-

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Gall I. Band E e
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[433/0452] zu verruͤcken ſuchen. Wenn ich, z. B., mit der Na- tur der Entzuͤndungskrankheiten gut bekannt bin, ſo kann ich bey dieſem oder jenem Kranken ungefaͤhr ſa- gen, was fuͤr ein Grad von Fieber erforderlich ſeye, um eine gluͤckliche Zertheilung und Entſcheidung zu bewirken. Bey einem geſunden dreyßigjaͤhrigen Man- ne von mittlerer Leibesſtaͤrke ſind ein maͤßiges Kopf- weh, ein etwas lebhafteres Geſicht, glaͤnzende Augen, etwas trockner Mund, feuchte, weißſchleimige Zunge, maͤßiger Durſt, nur geringe Verminderung der natuͤr- lichen Ausleerungen durch Stuhl und Harn, eine maͤſ- ſig vermehrte Waͤrme der Haut mit ebenfalls maͤßi- ger Troͤckne, ein Puls, der in einer Minute etwa fuͤnf und ſiebenzigmal ſchlaͤgt, da er im geſunden Zu- ſtande ſechzig bis fuͤnf und ſechzig Schlaͤge thut, der nur um die Haͤlfte mehr dem Druck des Fingers wi- derſteht, u. ſ. w. gerade das aͤchte Maaß der Be- wegungen, wodurch der Stoff des entzuͤndlichen Fie- bers weder zu ſtuͤrmiſch noch zu traͤge verarbeitet, verkocht und ausgeleeret wird. — Es waͤre alſo Un- ſinn, wenn man dieſen Grad erhoͤhen oder vermindern wollte. Aber was druͤber und drunter iſt, ſoll der Arzt mit Klugheit bald durch beruhigende und auslee- rende Mittel, durch Lebensordnung, bald durch rei- zende, naͤhrende u. ſ. w. auf die gehoͤrige Stufe zu- ruͤckfuͤhren. — — Da wird nun freylich mehr erfo- dert, als die bloße Namenskenntniß der Zufaͤlle und der Heilmittel. Es wird erfordert, daß der Arzt den Gang einer jeden Krankheit etwan ſo genau kenne, als wir ihn bey der Gicht und den Blattern zu ken- nen Gall I. Band E e

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 433. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/452>, abgerufen am 22.11.2024.