Wenn ein Mensch unter gewaltsamen Anstren- gungen gearbeitet oder gerungen hat, so fühlt er al- sogleich in den Muskeln und Gelenken einen ziehenden, spannenden Schmerzen, als wäre er stark gequetschet oder geprügelt worden. Die Gliedmaßen, vorzüg- lich die Knie oder das am meisten angestrengte Glied, zittern, sind schwer und träg zur Bewegung, und will er sich darauf stemmen, so brechen sie ihm. Er holt langsame, tiefe Seufzer; die Brust und der Kopf hän- gen vorwärts; die Arme gerade am Körper hinab, oder er muß sie in einander schlingen. Die Augen sind matt, das Gesicht blaß, und mit einem kühlen Schwei- ße oder Dunste überronnen. -- Dieses ist der Zustand der Ermüdung. Er befällt nach ähnlichen Veranlas- sungen den gesündesten, stärkesten Mann, und wird in kurzer Zeit durch Waschen mit kaltem Wasser, Wein, Brandtwein, durch Ruhe, besonders in einer horizontalen Lage, und durch erquickende Speise und Trank gehoben. -- Die dabey beobachteten Erschei- nungen verrathen eine allgemeine Nachlassung der fe- sten, und einen gehinderten Umlauf der flüssigen Theile.
Die Ermüdung der Kräfte ist überhaupt eine Folge von allen jenen Uebeln, wobey entweder der ganze Körper oder einzelne Theile, es seye mit oder ohne Bewustseyn heftig angestrengt, gereizt, gedruckt oder erschüttert werden. Dieses geschieht in allen
Krank-
Von der Ermuͤdung der Kraͤfte. §. 66.
Wenn ein Menſch unter gewaltſamen Anſtren- gungen gearbeitet oder gerungen hat, ſo fuͤhlt er al- ſogleich in den Muskeln und Gelenken einen ziehenden, ſpannenden Schmerzen, als waͤre er ſtark gequetſchet oder gepruͤgelt worden. Die Gliedmaßen, vorzuͤg- lich die Knie oder das am meiſten angeſtrengte Glied, zittern, ſind ſchwer und traͤg zur Bewegung, und will er ſich darauf ſtemmen, ſo brechen ſie ihm. Er holt langſame, tiefe Seufzer; die Bruſt und der Kopf haͤn- gen vorwaͤrts; die Arme gerade am Koͤrper hinab, oder er muß ſie in einander ſchlingen. Die Augen ſind matt, das Geſicht blaß, und mit einem kuͤhlen Schwei- ße oder Dunſte uͤberronnen. — Dieſes iſt der Zuſtand der Ermuͤdung. Er befaͤllt nach aͤhnlichen Veranlaſ- ſungen den geſuͤndeſten, ſtaͤrkeſten Mann, und wird in kurzer Zeit durch Waſchen mit kaltem Waſſer, Wein, Brandtwein, durch Ruhe, beſonders in einer horizontalen Lage, und durch erquickende Speiſe und Trank gehoben. — Die dabey beobachteten Erſchei- nungen verrathen eine allgemeine Nachlaſſung der fe- ſten, und einen gehinderten Umlauf der fluͤſſigen Theile.
Die Ermuͤdung der Kraͤfte iſt uͤberhaupt eine Folge von allen jenen Uebeln, wobey entweder der ganze Koͤrper oder einzelne Theile, es ſeye mit oder ohne Bewuſtſeyn heftig angeſtrengt, gereizt, gedruckt oder erſchuͤttert werden. Dieſes geſchieht in allen
Krank-
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Von der Ermuͤdung der Kraͤfte.
§. 66.
Wenn ein Menſch unter gewaltſamen Anſtren-
gungen gearbeitet oder gerungen hat, ſo fuͤhlt er al-
ſogleich in den Muskeln und Gelenken einen ziehenden,
ſpannenden Schmerzen, als waͤre er ſtark gequetſchet
oder gepruͤgelt worden. Die Gliedmaßen, vorzuͤg-
lich die Knie oder das am meiſten angeſtrengte Glied,
zittern, ſind ſchwer und traͤg zur Bewegung, und will
er ſich darauf ſtemmen, ſo brechen ſie ihm. Er holt
langſame, tiefe Seufzer; die Bruſt und der Kopf haͤn-
gen vorwaͤrts; die Arme gerade am Koͤrper hinab,
oder er muß ſie in einander ſchlingen. Die Augen ſind
matt, das Geſicht blaß, und mit einem kuͤhlen Schwei-
ße oder Dunſte uͤberronnen. — Dieſes iſt der Zuſtand
der Ermuͤdung. Er befaͤllt nach aͤhnlichen Veranlaſ-
ſungen den geſuͤndeſten, ſtaͤrkeſten Mann, und wird
in kurzer Zeit durch Waſchen mit kaltem Waſſer,
Wein, Brandtwein, durch Ruhe, beſonders in einer
horizontalen Lage, und durch erquickende Speiſe und
Trank gehoben. — Die dabey beobachteten Erſchei-
nungen verrathen eine allgemeine Nachlaſſung der fe-
ſten, und einen gehinderten Umlauf der fluͤſſigen
Theile.
Die Ermuͤdung der Kraͤfte iſt uͤberhaupt eine
Folge von allen jenen Uebeln, wobey entweder der
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ohne Bewuſtſeyn heftig angeſtrengt, gereizt, gedruckt
oder erſchuͤttert werden. Dieſes geſchieht in allen
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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 462. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/481>, abgerufen am 22.11.2024.
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