Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite
§. 76.

In Rücksicht der kühlenden, entzündungswidri-
gen Arzneyen, wodurch man doch, um die Kräfte
zu schonen, die Wirkung der Aderlässen aufs Sorg-
fältigste unterstützen sollte, werden viele sehr wichtige
Fehler begangen. Ich weiß nicht, ob ich meine Amts-
brüder überzeugen werde.

Einige bedienen sich der so genannten entzün-
dungswidrigen Abführungsmittel, als: der Manna,
der Tamarinden, des Polychrestsalzes u. d. gl. --
Aber zu was Abführungen, wenn man zu Folge der
dringendsten Anzeige auch in unreinen Entzündungen,
zuerst diese zu heben, sich bestreben sollte? Zu was
Ausleerungen einer Materie zu einer Zeit und durch
Weege, die ihr nicht angemessen sind? -- Endlich
ist es gewiß, daß alle Abführungsmittel mehr oder
weniger reitzen, so lange ihre Wirkung dauert. Wie
kann es dann anders seyn, als daß eine örtliche Ent-
zündung durch dergleichen Dinge immerwährend un-
terhalten werde, besonders wenn, wie einige sehr wei-
se zu thun glauben, immer mit Aderläßen und Ab-
führungen abgewechselt wird, oder diese alsobald nach
jenen gereichet werden. Ich gab einigemal verschiede-
nen jungen Männern, die bey einer Lungenentzündung
Blutspeyen hatten, nachdem alle Zufälle schon durch
die gehörige Heilart gehoben waren, gelinde Auflösun-
gen von Manna. -- Aber ich hatte jedesmal das
Unglück, einige Stunden darnach dem Kranken einen
Rückfall zugezogen zu haben. Was dabey merkwür-
dig ist, ist dieses, daß solche Kranke selten von den

ihnen
§. 76.

In Ruͤckſicht der kuͤhlenden, entzuͤndungswidri-
gen Arzneyen, wodurch man doch, um die Kraͤfte
zu ſchonen, die Wirkung der Aderlaͤſſen aufs Sorg-
faͤltigſte unterſtuͤtzen ſollte, werden viele ſehr wichtige
Fehler begangen. Ich weiß nicht, ob ich meine Amts-
bruͤder uͤberzeugen werde.

Einige bedienen ſich der ſo genannten entzuͤn-
dungswidrigen Abfuͤhrungsmittel, als: der Manna,
der Tamarinden, des Polychreſtſalzes u. d. gl. —
Aber zu was Abfuͤhrungen, wenn man zu Folge der
dringendſten Anzeige auch in unreinen Entzuͤndungen,
zuerſt dieſe zu heben, ſich beſtreben ſollte? Zu was
Ausleerungen einer Materie zu einer Zeit und durch
Weege, die ihr nicht angemeſſen ſind? — Endlich
iſt es gewiß, daß alle Abfuͤhrungsmittel mehr oder
weniger reitzen, ſo lange ihre Wirkung dauert. Wie
kann es dann anders ſeyn, als daß eine oͤrtliche Ent-
zuͤndung durch dergleichen Dinge immerwaͤhrend un-
terhalten werde, beſonders wenn, wie einige ſehr wei-
ſe zu thun glauben, immer mit Aderlaͤßen und Ab-
fuͤhrungen abgewechſelt wird, oder dieſe alſobald nach
jenen gereichet werden. Ich gab einigemal verſchiede-
nen jungen Maͤnnern, die bey einer Lungenentzuͤndung
Blutſpeyen hatten, nachdem alle Zufaͤlle ſchon durch
die gehoͤrige Heilart gehoben waren, gelinde Aufloͤſun-
gen von Manna. — Aber ich hatte jedesmal das
Ungluͤck, einige Stunden darnach dem Kranken einen
Ruͤckfall zugezogen zu haben. Was dabey merkwuͤr-
dig iſt, iſt dieſes, daß ſolche Kranke ſelten von den

ihnen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0512" n="493"/>
            <div n="4">
              <head>§. 76.</head><lb/>
              <p>In Ru&#x0364;ck&#x017F;icht der ku&#x0364;hlenden, entzu&#x0364;ndungswidri-<lb/>
gen Arzneyen, wodurch man doch, um die Kra&#x0364;fte<lb/>
zu &#x017F;chonen, die Wirkung der Aderla&#x0364;&#x017F;&#x017F;en aufs Sorg-<lb/>
fa&#x0364;ltig&#x017F;te unter&#x017F;tu&#x0364;tzen &#x017F;ollte, werden viele &#x017F;ehr wichtige<lb/>
Fehler begangen. Ich weiß nicht, ob ich meine Amts-<lb/>
bru&#x0364;der u&#x0364;berzeugen werde.</p><lb/>
              <p>Einige bedienen &#x017F;ich der &#x017F;o genannten entzu&#x0364;n-<lb/>
dungswidrigen Abfu&#x0364;hrungsmittel, als: der Manna,<lb/>
der Tamarinden, des Polychre&#x017F;t&#x017F;alzes u. d. gl. &#x2014;<lb/>
Aber zu was Abfu&#x0364;hrungen, wenn man zu Folge der<lb/>
dringend&#x017F;ten Anzeige auch in unreinen Entzu&#x0364;ndungen,<lb/>
zuer&#x017F;t die&#x017F;e zu heben, &#x017F;ich be&#x017F;treben &#x017F;ollte? Zu was<lb/>
Ausleerungen einer Materie zu einer Zeit und durch<lb/>
Weege, die ihr nicht angeme&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ind? &#x2014; Endlich<lb/>
i&#x017F;t es gewiß, daß alle Abfu&#x0364;hrungsmittel mehr oder<lb/>
weniger reitzen, &#x017F;o lange ihre Wirkung dauert. Wie<lb/>
kann es dann anders &#x017F;eyn, als daß eine o&#x0364;rtliche Ent-<lb/>
zu&#x0364;ndung durch dergleichen Dinge immerwa&#x0364;hrend un-<lb/>
terhalten werde, be&#x017F;onders wenn, wie einige &#x017F;ehr wei-<lb/>
&#x017F;e zu thun glauben, immer mit Aderla&#x0364;ßen und Ab-<lb/>
fu&#x0364;hrungen abgewech&#x017F;elt wird, oder die&#x017F;e al&#x017F;obald nach<lb/>
jenen gereichet werden. Ich gab einigemal ver&#x017F;chiede-<lb/>
nen jungen Ma&#x0364;nnern, die bey einer Lungenentzu&#x0364;ndung<lb/>
Blut&#x017F;peyen hatten, nachdem alle Zufa&#x0364;lle &#x017F;chon durch<lb/>
die geho&#x0364;rige Heilart gehoben waren, gelinde Auflo&#x0364;&#x017F;un-<lb/>
gen von Manna. &#x2014; Aber ich hatte jedesmal das<lb/>
Unglu&#x0364;ck, einige Stunden darnach dem Kranken einen<lb/>
Ru&#x0364;ckfall zugezogen zu haben. Was dabey merkwu&#x0364;r-<lb/>
dig i&#x017F;t, i&#x017F;t die&#x017F;es, daß &#x017F;olche Kranke &#x017F;elten von den<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ihnen</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[493/0512] §. 76. In Ruͤckſicht der kuͤhlenden, entzuͤndungswidri- gen Arzneyen, wodurch man doch, um die Kraͤfte zu ſchonen, die Wirkung der Aderlaͤſſen aufs Sorg- faͤltigſte unterſtuͤtzen ſollte, werden viele ſehr wichtige Fehler begangen. Ich weiß nicht, ob ich meine Amts- bruͤder uͤberzeugen werde. Einige bedienen ſich der ſo genannten entzuͤn- dungswidrigen Abfuͤhrungsmittel, als: der Manna, der Tamarinden, des Polychreſtſalzes u. d. gl. — Aber zu was Abfuͤhrungen, wenn man zu Folge der dringendſten Anzeige auch in unreinen Entzuͤndungen, zuerſt dieſe zu heben, ſich beſtreben ſollte? Zu was Ausleerungen einer Materie zu einer Zeit und durch Weege, die ihr nicht angemeſſen ſind? — Endlich iſt es gewiß, daß alle Abfuͤhrungsmittel mehr oder weniger reitzen, ſo lange ihre Wirkung dauert. Wie kann es dann anders ſeyn, als daß eine oͤrtliche Ent- zuͤndung durch dergleichen Dinge immerwaͤhrend un- terhalten werde, beſonders wenn, wie einige ſehr wei- ſe zu thun glauben, immer mit Aderlaͤßen und Ab- fuͤhrungen abgewechſelt wird, oder dieſe alſobald nach jenen gereichet werden. Ich gab einigemal verſchiede- nen jungen Maͤnnern, die bey einer Lungenentzuͤndung Blutſpeyen hatten, nachdem alle Zufaͤlle ſchon durch die gehoͤrige Heilart gehoben waren, gelinde Aufloͤſun- gen von Manna. — Aber ich hatte jedesmal das Ungluͤck, einige Stunden darnach dem Kranken einen Ruͤckfall zugezogen zu haben. Was dabey merkwuͤr- dig iſt, iſt dieſes, daß ſolche Kranke ſelten von den ihnen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Der erste Band von Franz Joseph Galls "Philosophi… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/512
Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 493. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/512>, abgerufen am 22.11.2024.