So viel bleibt indeßen gewiß, daß man nicht nur in der Vollblütigkeit von Verengerung der Ge- fäße, und in jener von Ausdehnung der Säfte, wel- che beyde die gewöhnlichsten sind; sondern auch in der wahren die Blutausleerungen noch durch mancherley Kunstgriffe, sparsamer machen kann und muß, als gemeinhin zu geschehen pflegt.
Bey örtlicher Vollblütigkeit oder Entzündung wird man auch durch die örtlichen Mittel und Aus- leerungen am leichtesten das gewünschte Ziel errei- chen. Vogel erzählt in seinen Beobachtungen einen Fall, wo der Seitenstich bey einer 36 jährigen Kind- betterin am fünften Tage nach der Geburth schon ei- nige Tage vor dem Fieber zugegen war, was alle- mal als ein Zeichen eines ohnehin nur örtlichen, von irgend einem fremden dahin versetzten Stoffe, erreg- ten Uebels gelten kann. Man ließ wegen der heftigen Entzündung zwey Mal zu Ader; das Blut hatte jedes Mal eine starke Speckhaut; die Kranke wurde aber vielmehr unruhiger und ängstlicher dadurch. Ein Bla- senpflaster hatte zwar einige Linderung gemacht; al- lein die Schmerzen kamen bald wieder so heftig, daß sie sich des Schreyens und Weinens nicht enthalten konnte. Der Puls war geschwind und klein, der Athem sehr kurz, so daß Vogel nichts Wenigers, als eine Erstickung oder den Brand befürchtete. Aber nach allen umsonst angewandten Mitteln schafften Umschlä- ge mit leinernen in laulicht warme Milch, in der et- was Safran gekocht war, getauchten Tüchern augen-
blick-
§. 78.
So viel bleibt indeßen gewiß, daß man nicht nur in der Vollbluͤtigkeit von Verengerung der Ge- faͤße, und in jener von Ausdehnung der Saͤfte, wel- che beyde die gewoͤhnlichſten ſind; ſondern auch in der wahren die Blutausleerungen noch durch mancherley Kunſtgriffe, ſparſamer machen kann und muß, als gemeinhin zu geſchehen pflegt.
Bey oͤrtlicher Vollbluͤtigkeit oder Entzuͤndung wird man auch durch die oͤrtlichen Mittel und Aus- leerungen am leichteſten das gewuͤnſchte Ziel errei- chen. Vogel erzaͤhlt in ſeinen Beobachtungen einen Fall, wo der Seitenſtich bey einer 36 jaͤhrigen Kind- betterin am fuͤnften Tage nach der Geburth ſchon ei- nige Tage vor dem Fieber zugegen war, was alle- mal als ein Zeichen eines ohnehin nur oͤrtlichen, von irgend einem fremden dahin verſetzten Stoffe, erreg- ten Uebels gelten kann. Man ließ wegen der heftigen Entzuͤndung zwey Mal zu Ader; das Blut hatte jedes Mal eine ſtarke Speckhaut; die Kranke wurde aber vielmehr unruhiger und aͤngſtlicher dadurch. Ein Bla- ſenpflaſter hatte zwar einige Linderung gemacht; al- lein die Schmerzen kamen bald wieder ſo heftig, daß ſie ſich des Schreyens und Weinens nicht enthalten konnte. Der Puls war geſchwind und klein, der Athem ſehr kurz, ſo daß Vogel nichts Wenigers, als eine Erſtickung oder den Brand befuͤrchtete. Aber nach allen umſonſt angewandten Mitteln ſchafften Umſchlaͤ- ge mit leinernen in laulicht warme Milch, in der et- was Safran gekocht war, getauchten Tuͤchern augen-
blick-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0517"n="498"/><divn="4"><head>§. 78.</head><lb/><p>So viel bleibt indeßen gewiß, daß man nicht<lb/>
nur in der Vollbluͤtigkeit von Verengerung der Ge-<lb/>
faͤße, und in jener von Ausdehnung der Saͤfte, wel-<lb/>
che beyde die gewoͤhnlichſten ſind; ſondern auch in der<lb/>
wahren die Blutausleerungen noch durch mancherley<lb/>
Kunſtgriffe, ſparſamer machen kann und muß, als<lb/>
gemeinhin zu geſchehen pflegt.</p><lb/><p>Bey oͤrtlicher Vollbluͤtigkeit oder Entzuͤndung<lb/>
wird man auch durch die oͤrtlichen Mittel und Aus-<lb/>
leerungen am leichteſten das gewuͤnſchte Ziel errei-<lb/>
chen. <hirendition="#fr">Vogel</hi> erzaͤhlt in ſeinen Beobachtungen einen<lb/>
Fall, wo der Seitenſtich bey einer 36 jaͤhrigen Kind-<lb/>
betterin am fuͤnften Tage nach der Geburth ſchon ei-<lb/>
nige Tage vor dem Fieber zugegen war, was alle-<lb/>
mal als ein Zeichen eines ohnehin nur oͤrtlichen, von<lb/>
irgend einem fremden dahin verſetzten Stoffe, erreg-<lb/>
ten Uebels gelten kann. Man ließ wegen der heftigen<lb/>
Entzuͤndung zwey Mal zu Ader; das Blut hatte jedes<lb/>
Mal eine ſtarke Speckhaut; die Kranke wurde aber<lb/>
vielmehr unruhiger und aͤngſtlicher dadurch. Ein Bla-<lb/>ſenpflaſter hatte zwar einige Linderung gemacht; al-<lb/>
lein die Schmerzen kamen bald wieder ſo heftig, daß<lb/>ſie ſich des Schreyens und Weinens nicht enthalten<lb/>
konnte. Der Puls war geſchwind und klein, der Athem<lb/>ſehr kurz, ſo daß <hirendition="#fr">Vogel</hi> nichts Wenigers, als eine<lb/>
Erſtickung oder den Brand befuͤrchtete. Aber nach<lb/>
allen umſonſt angewandten Mitteln ſchafften Umſchlaͤ-<lb/>
ge mit leinernen in laulicht warme Milch, in der et-<lb/>
was Safran gekocht war, getauchten Tuͤchern augen-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">blick-</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[498/0517]
§. 78.
So viel bleibt indeßen gewiß, daß man nicht
nur in der Vollbluͤtigkeit von Verengerung der Ge-
faͤße, und in jener von Ausdehnung der Saͤfte, wel-
che beyde die gewoͤhnlichſten ſind; ſondern auch in der
wahren die Blutausleerungen noch durch mancherley
Kunſtgriffe, ſparſamer machen kann und muß, als
gemeinhin zu geſchehen pflegt.
Bey oͤrtlicher Vollbluͤtigkeit oder Entzuͤndung
wird man auch durch die oͤrtlichen Mittel und Aus-
leerungen am leichteſten das gewuͤnſchte Ziel errei-
chen. Vogel erzaͤhlt in ſeinen Beobachtungen einen
Fall, wo der Seitenſtich bey einer 36 jaͤhrigen Kind-
betterin am fuͤnften Tage nach der Geburth ſchon ei-
nige Tage vor dem Fieber zugegen war, was alle-
mal als ein Zeichen eines ohnehin nur oͤrtlichen, von
irgend einem fremden dahin verſetzten Stoffe, erreg-
ten Uebels gelten kann. Man ließ wegen der heftigen
Entzuͤndung zwey Mal zu Ader; das Blut hatte jedes
Mal eine ſtarke Speckhaut; die Kranke wurde aber
vielmehr unruhiger und aͤngſtlicher dadurch. Ein Bla-
ſenpflaſter hatte zwar einige Linderung gemacht; al-
lein die Schmerzen kamen bald wieder ſo heftig, daß
ſie ſich des Schreyens und Weinens nicht enthalten
konnte. Der Puls war geſchwind und klein, der Athem
ſehr kurz, ſo daß Vogel nichts Wenigers, als eine
Erſtickung oder den Brand befuͤrchtete. Aber nach
allen umſonſt angewandten Mitteln ſchafften Umſchlaͤ-
ge mit leinernen in laulicht warme Milch, in der et-
was Safran gekocht war, getauchten Tuͤchern augen-
blick-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 498. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/517>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.