"denn, sagt er, nirgendwo schadet die Enthaltsamkeit oder zu sparsame Nahrung mehr, als in diesem Fie- ber. Er führt den Buchan an, der den Bordeaux- wein über alle Maßen lobt, und versichert, daß er da- durch mehrere Kranke gerettet habe, welche gleichsam keinen Puls mehr hatten, bey kalten Gliedmassen im- merwährend irre waren, nebst andern Zeichen des na- hen Todes. Er gab ihnen alle Tage eine Flasche sol- chen Wein unter Molken (Serum Lactis) oder Ger- stenwasser. Dazu tragen Ruhe des Körpers und des Gemüthes, und kühle, reine Luft sehr vieles bey. -- Auch Herz mußte nicht selten die Heilart seiner Ner- venfieber mit stärkenden Mitteln anfangen, ehe er zu auflösenden und ausleerenden schreiten konnte. Es wä- re zu wünschen, daß man diese Bemerkungen nie in den Krankheiten der Kindbetterinnen vergäße.
In Rücksicht der Ausleerungen gilt im Allgemei- nen der Grundsatz, daß man desto weniger ausleeren dörfe, je mehr die Entkräftung eine wahre Erschö- pfung der Kräfte ist. Auch hierüber hat Tissot alles gesagt. Ich rechne hierher den Husten und die eiter- artigen Auswürfe der säugenden Frauen und junger, in der Periode der Mannbarkeit, begriffener Leute, welche so, wie andere täuschende Entwicklungszufälle durch eine ausleerende und erschlappende Heilart äu- ßerst hartnäckig und oft tödtlich gemacht werden, wovon aber umständlich im Kap. von den Zufällen der Entwicklung und den Krankheiten der Alter und Geschlechter. Clerk zählt diejenigen Uebel, welche von zu häufigen Vergnügungen in der Liebe entstehen,
und
Gall I. Band. L l
“denn, ſagt er, nirgendwo ſchadet die Enthaltſamkeit oder zu ſparſame Nahrung mehr, als in dieſem Fie- ber. Er fuͤhrt den Buchan an, der den Bordeaux- wein uͤber alle Maßen lobt, und verſichert, daß er da- durch mehrere Kranke gerettet habe, welche gleichſam keinen Puls mehr hatten, bey kalten Gliedmaſſen im- merwaͤhrend irre waren, nebſt andern Zeichen des na- hen Todes. Er gab ihnen alle Tage eine Flaſche ſol- chen Wein unter Molken (Serum Lactis) oder Ger- ſtenwaſſer. Dazu tragen Ruhe des Koͤrpers und des Gemuͤthes, und kuͤhle, reine Luft ſehr vieles bey. — Auch Herz mußte nicht ſelten die Heilart ſeiner Ner- venfieber mit ſtaͤrkenden Mitteln anfangen, ehe er zu aufloͤſenden und ausleerenden ſchreiten konnte. Es waͤ- re zu wuͤnſchen, daß man dieſe Bemerkungen nie in den Krankheiten der Kindbetterinnen vergaͤße.
In Ruͤckſicht der Ausleerungen gilt im Allgemei- nen der Grundſatz, daß man deſto weniger ausleeren doͤrfe, je mehr die Entkraͤftung eine wahre Erſchoͤ- pfung der Kraͤfte iſt. Auch hieruͤber hat Tiſſot alles geſagt. Ich rechne hierher den Huſten und die eiter- artigen Auswuͤrfe der ſaͤugenden Frauen und junger, in der Periode der Mannbarkeit, begriffener Leute, welche ſo, wie andere taͤuſchende Entwicklungszufaͤlle durch eine ausleerende und erſchlappende Heilart aͤu- ßerſt hartnaͤckig und oft toͤdtlich gemacht werden, wovon aber umſtaͤndlich im Kap. von den Zufaͤllen der Entwicklung und den Krankheiten der Alter und Geſchlechter. Clerk zaͤhlt diejenigen Uebel, welche von zu haͤufigen Vergnuͤgungen in der Liebe entſtehen,
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Gall I. Band. L l
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“denn, ſagt er, nirgendwo ſchadet die Enthaltſamkeit
oder zu ſparſame Nahrung mehr, als in dieſem Fie-
ber. Er fuͤhrt den Buchan an, der den Bordeaux-
wein uͤber alle Maßen lobt, und verſichert, daß er da-
durch mehrere Kranke gerettet habe, welche gleichſam
keinen Puls mehr hatten, bey kalten Gliedmaſſen im-
merwaͤhrend irre waren, nebſt andern Zeichen des na-
hen Todes. Er gab ihnen alle Tage eine Flaſche ſol-
chen Wein unter Molken (Serum Lactis) oder Ger-
ſtenwaſſer. Dazu tragen Ruhe des Koͤrpers und des
Gemuͤthes, und kuͤhle, reine Luft ſehr vieles bey. —
Auch Herz mußte nicht ſelten die Heilart ſeiner Ner-
venfieber mit ſtaͤrkenden Mitteln anfangen, ehe er zu
aufloͤſenden und ausleerenden ſchreiten konnte. Es waͤ-
re zu wuͤnſchen, daß man dieſe Bemerkungen nie in
den Krankheiten der Kindbetterinnen vergaͤße.
In Ruͤckſicht der Ausleerungen gilt im Allgemei-
nen der Grundſatz, daß man deſto weniger ausleeren
doͤrfe, je mehr die Entkraͤftung eine wahre Erſchoͤ-
pfung der Kraͤfte iſt. Auch hieruͤber hat Tiſſot alles
geſagt. Ich rechne hierher den Huſten und die eiter-
artigen Auswuͤrfe der ſaͤugenden Frauen und junger,
in der Periode der Mannbarkeit, begriffener Leute,
welche ſo, wie andere taͤuſchende Entwicklungszufaͤlle
durch eine ausleerende und erſchlappende Heilart aͤu-
ßerſt hartnaͤckig und oft toͤdtlich gemacht werden,
wovon aber umſtaͤndlich im Kap. von den Zufaͤllen
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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 529. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/548>, abgerufen am 22.11.2024.
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