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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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von unsern meisten Aerzten als eine sehr schlimme
Erscheinung betrachtet wird. Indessen fieng es von
da an, sich zu erholen und genaß.*) Rödder, der
Uebersetzer der Abhandlung Fridrich Hoffmanns von
der gewissen Vorhersagung des Todes in Krankheiten,
erzählt von einem hundertjährigen Schweinhirte, der
die Gicht, besonders das Hüftweh mit einem sehr gesät-
tigten Trank des Hinschkrautes (Solanum dulcamara)
heilte. Darauf wurden die Leute auf einige Stun-
den rasend toll; verfielen endlich in einen sehr lange
anhaltenden tiefen Schlaf, worunter sie reichlich schwitz-
ten, und ganz gesund erwachten, ohne daß Rückfälle
erfolgten. In den folgenden Theilen, besonders im
Kapitel von den Entscheidungen werde ich Gelegenheit
haben, zahlreiche Beyspiele anzuführen, wo die Na-
tur ganz aus eigner Kraft auf ganz ähnliche Weise
verfährt. Vielleicht führen uns derley Untersuchun-
gen etwas näher zu der Entscheidung der Fragen;
ob man den Anfällen von Raserey der Wahnsinnigen,
den Anfällen der fallenden Sucht, den verschiedenen
Arten von Scheintod und Ohnmachten, und überhaupt
den verschiedenen Stufen von überspannter oder ertöd-
teter Reitzbarkeit jedesmal durch die bisher üblichen
Mittel abhelfen solle? -- Ich verlaße diese für jetzt
noch sehr mangelhaften Bemerkungen, um etwas we-
niges über jenen Zustand zu sagen, wo die Reitzbar-
keit, dem allgemeinen Urtheile gemäß, zu gering oder zu
stark ist.


Ver-
*) Op. in sol. Tom. II. pag. 501.

von unſern meiſten Aerzten als eine ſehr ſchlimme
Erſcheinung betrachtet wird. Indeſſen fieng es von
da an, ſich zu erholen und genaß.*) Roͤdder, der
Ueberſetzer der Abhandlung Fridrich Hoffmanns von
der gewiſſen Vorherſagung des Todes in Krankheiten,
erzaͤhlt von einem hundertjaͤhrigen Schweinhirte, der
die Gicht, beſonders das Huͤftweh mit einem ſehr geſaͤt-
tigten Trank des Hinſchkrautes (Solanum dulcamara)
heilte. Darauf wurden die Leute auf einige Stun-
den raſend toll; verfielen endlich in einen ſehr lange
anhaltenden tiefen Schlaf, worunter ſie reichlich ſchwitz-
ten, und ganz geſund erwachten, ohne daß Ruͤckfaͤlle
erfolgten. In den folgenden Theilen, beſonders im
Kapitel von den Entſcheidungen werde ich Gelegenheit
haben, zahlreiche Beyſpiele anzufuͤhren, wo die Na-
tur ganz aus eigner Kraft auf ganz aͤhnliche Weiſe
verfaͤhrt. Vielleicht fuͤhren uns derley Unterſuchun-
gen etwas naͤher zu der Entſcheidung der Fragen;
ob man den Anfaͤllen von Raſerey der Wahnſinnigen,
den Anfaͤllen der fallenden Sucht, den verſchiedenen
Arten von Scheintod und Ohnmachten, und uͤberhaupt
den verſchiedenen Stufen von uͤberſpannter oder ertoͤd-
teter Reitzbarkeit jedesmal durch die bisher uͤblichen
Mittel abhelfen ſolle? — Ich verlaße dieſe fuͤr jetzt
noch ſehr mangelhaften Bemerkungen, um etwas we-
niges uͤber jenen Zuſtand zu ſagen, wo die Reitzbar-
keit, dem allgemeinen Urtheile gemaͤß, zu gering oder zu
ſtark iſt.


Ver-
*) Op. in ſol. Tom. II. pag. 501.
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[546/0565] von unſern meiſten Aerzten als eine ſehr ſchlimme Erſcheinung betrachtet wird. Indeſſen fieng es von da an, ſich zu erholen und genaß. *) Roͤdder, der Ueberſetzer der Abhandlung Fridrich Hoffmanns von der gewiſſen Vorherſagung des Todes in Krankheiten, erzaͤhlt von einem hundertjaͤhrigen Schweinhirte, der die Gicht, beſonders das Huͤftweh mit einem ſehr geſaͤt- tigten Trank des Hinſchkrautes (Solanum dulcamara) heilte. Darauf wurden die Leute auf einige Stun- den raſend toll; verfielen endlich in einen ſehr lange anhaltenden tiefen Schlaf, worunter ſie reichlich ſchwitz- ten, und ganz geſund erwachten, ohne daß Ruͤckfaͤlle erfolgten. In den folgenden Theilen, beſonders im Kapitel von den Entſcheidungen werde ich Gelegenheit haben, zahlreiche Beyſpiele anzufuͤhren, wo die Na- tur ganz aus eigner Kraft auf ganz aͤhnliche Weiſe verfaͤhrt. Vielleicht fuͤhren uns derley Unterſuchun- gen etwas naͤher zu der Entſcheidung der Fragen; ob man den Anfaͤllen von Raſerey der Wahnſinnigen, den Anfaͤllen der fallenden Sucht, den verſchiedenen Arten von Scheintod und Ohnmachten, und uͤberhaupt den verſchiedenen Stufen von uͤberſpannter oder ertoͤd- teter Reitzbarkeit jedesmal durch die bisher uͤblichen Mittel abhelfen ſolle? — Ich verlaße dieſe fuͤr jetzt noch ſehr mangelhaften Bemerkungen, um etwas we- niges uͤber jenen Zuſtand zu ſagen, wo die Reitzbar- keit, dem allgemeinen Urtheile gemaͤß, zu gering oder zu ſtark iſt. Ver- *) Op. in ſol. Tom. II. pag. 501.

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 546. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/565>, abgerufen am 24.11.2024.