verlaufen sollten. Wenn der Reitz eines scharfen Giftes zu dem Reitze des Blatterngiftes hinzukommt, so brechen diese oft schon den ersten Tag hervor. Eben so richtet der Milchfriesel bey sehr reitzbaren, schwäch- lichen und cachektischen Frauen die schnellsten Verhee- rungen an. Neuere, scharfsinnige Schriftsteller ma- chen die Fehler der Reitzbarkeit und Empfindlichkeit, vorzüglich der erhöheten, woraus Zuckungen, Irre- seyn, Schmerzen, Schauer und das Gefühl der Käl- te nebst andern sonderbaren Zufällen entstehen, zum wesentlichen Zeichen der Bösartigkeit. Und in der That, wenn man diesen Begriff nach dem Sinne des Hippokrates angeben will, so ist nach dem Urtheil des Sim. Herz nichts geschickter, alle Zufälle sowohl der erhöheten als verminderten Reitzbarkeit zu erklä- ren. Die große Mattigkeit, die Betäubung, die Kraftlosigkeit, die Verwirrung des Geistes, das trau- rige Gemüth, die Seltenheit oder vielmehr Unbestän- digkeit des Pulses zeigen die verminderte Empfindlich- keit an; andere zahlreiche Zufälle bezeugen von der überspannten Reitzbarkeit und Empfindlichkeit sowohl der Muskeln, als der Nerven und des Gehirnes.
Von der örtlichen Reizbarkeit. §. 90.
So wenig man von der Schwäche eines Theils auf die Schwäche eines andern, oder des ganzen Kör- pers schließen darf, eben so wenig kann man von der Reitzbarkeit des einen Theils auf jene des ganzen
Kör-
verlaufen ſollten. Wenn der Reitz eines ſcharfen Giftes zu dem Reitze des Blatterngiftes hinzukommt, ſo brechen dieſe oft ſchon den erſten Tag hervor. Eben ſo richtet der Milchfrieſel bey ſehr reitzbaren, ſchwaͤch- lichen und cachektiſchen Frauen die ſchnellſten Verhee- rungen an. Neuere, ſcharfſinnige Schriftſteller ma- chen die Fehler der Reitzbarkeit und Empfindlichkeit, vorzuͤglich der erhoͤheten, woraus Zuckungen, Irre- ſeyn, Schmerzen, Schauer und das Gefuͤhl der Kaͤl- te nebſt andern ſonderbaren Zufaͤllen entſtehen, zum weſentlichen Zeichen der Bösartigkeit. Und in der That, wenn man dieſen Begriff nach dem Sinne des Hippokrates angeben will, ſo iſt nach dem Urtheil des Sim. Herz nichts geſchickter, alle Zufaͤlle ſowohl der erhoͤheten als verminderten Reitzbarkeit zu erklaͤ- ren. Die große Mattigkeit, die Betaͤubung, die Kraftloſigkeit, die Verwirrung des Geiſtes, das trau- rige Gemuͤth, die Seltenheit oder vielmehr Unbeſtaͤn- digkeit des Pulſes zeigen die verminderte Empfindlich- keit an; andere zahlreiche Zufaͤlle bezeugen von der uͤberſpannten Reitzbarkeit und Empfindlichkeit ſowohl der Muskeln, als der Nerven und des Gehirnes.
Von der oͤrtlichen Reizbarkeit. §. 90.
So wenig man von der Schwaͤche eines Theils auf die Schwaͤche eines andern, oder des ganzen Koͤr- pers ſchließen darf, eben ſo wenig kann man von der Reitzbarkeit des einen Theils auf jene des ganzen
Koͤr-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0575"n="556"/>
verlaufen ſollten. Wenn der Reitz eines ſcharfen<lb/>
Giftes zu dem Reitze des Blatterngiftes hinzukommt,<lb/>ſo brechen dieſe oft ſchon den erſten Tag hervor. Eben<lb/>ſo richtet der Milchfrieſel bey ſehr reitzbaren, ſchwaͤch-<lb/>
lichen und cachektiſchen Frauen die ſchnellſten Verhee-<lb/>
rungen an. Neuere, ſcharfſinnige Schriftſteller ma-<lb/>
chen die Fehler der Reitzbarkeit und Empfindlichkeit,<lb/>
vorzuͤglich der erhoͤheten, woraus Zuckungen, Irre-<lb/>ſeyn, Schmerzen, Schauer und das Gefuͤhl der Kaͤl-<lb/>
te nebſt andern ſonderbaren Zufaͤllen entſtehen, zum<lb/>
weſentlichen Zeichen der <hirendition="#fr">Bösartigkeit</hi>. Und in der<lb/>
That, wenn man dieſen Begriff nach dem Sinne des<lb/><hirendition="#fr">Hippokrates</hi> angeben will, ſo iſt nach dem Urtheil<lb/>
des Sim. <hirendition="#fr">Herz</hi> nichts geſchickter, alle Zufaͤlle ſowohl<lb/>
der erhoͤheten als verminderten Reitzbarkeit zu erklaͤ-<lb/>
ren. Die große Mattigkeit, die Betaͤubung, die<lb/>
Kraftloſigkeit, die Verwirrung des Geiſtes, das trau-<lb/>
rige Gemuͤth, die Seltenheit oder vielmehr Unbeſtaͤn-<lb/>
digkeit des Pulſes zeigen die verminderte Empfindlich-<lb/>
keit an; andere zahlreiche Zufaͤlle bezeugen von der<lb/>
uͤberſpannten Reitzbarkeit und Empfindlichkeit ſowohl<lb/>
der Muskeln, als der Nerven und des Gehirnes.</p></div><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b">Von der oͤrtlichen Reizbarkeit.</hi><lb/>
§. 90.</head><lb/><p>So wenig man von der Schwaͤche eines Theils<lb/>
auf die Schwaͤche eines andern, oder des ganzen Koͤr-<lb/>
pers ſchließen darf, eben ſo wenig kann man von der<lb/>
Reitzbarkeit des einen Theils auf jene des ganzen<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Koͤr-</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[556/0575]
verlaufen ſollten. Wenn der Reitz eines ſcharfen
Giftes zu dem Reitze des Blatterngiftes hinzukommt,
ſo brechen dieſe oft ſchon den erſten Tag hervor. Eben
ſo richtet der Milchfrieſel bey ſehr reitzbaren, ſchwaͤch-
lichen und cachektiſchen Frauen die ſchnellſten Verhee-
rungen an. Neuere, ſcharfſinnige Schriftſteller ma-
chen die Fehler der Reitzbarkeit und Empfindlichkeit,
vorzuͤglich der erhoͤheten, woraus Zuckungen, Irre-
ſeyn, Schmerzen, Schauer und das Gefuͤhl der Kaͤl-
te nebſt andern ſonderbaren Zufaͤllen entſtehen, zum
weſentlichen Zeichen der Bösartigkeit. Und in der
That, wenn man dieſen Begriff nach dem Sinne des
Hippokrates angeben will, ſo iſt nach dem Urtheil
des Sim. Herz nichts geſchickter, alle Zufaͤlle ſowohl
der erhoͤheten als verminderten Reitzbarkeit zu erklaͤ-
ren. Die große Mattigkeit, die Betaͤubung, die
Kraftloſigkeit, die Verwirrung des Geiſtes, das trau-
rige Gemuͤth, die Seltenheit oder vielmehr Unbeſtaͤn-
digkeit des Pulſes zeigen die verminderte Empfindlich-
keit an; andere zahlreiche Zufaͤlle bezeugen von der
uͤberſpannten Reitzbarkeit und Empfindlichkeit ſowohl
der Muskeln, als der Nerven und des Gehirnes.
Von der oͤrtlichen Reizbarkeit.
§. 90.
So wenig man von der Schwaͤche eines Theils
auf die Schwaͤche eines andern, oder des ganzen Koͤr-
pers ſchließen darf, eben ſo wenig kann man von der
Reitzbarkeit des einen Theils auf jene des ganzen
Koͤr-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 556. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/575>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.