gegen den Toback: sie erkennen aus der Wiederkehr des Geruches und der Lust zum Taback die annähernde Besserung; nicht selten bekommen Leute, die vor Krankheiten ein stumpfes Gehör oder ein blödes Ge- sicht hatten, ein scharfes Gesicht und feines Gehör, da hingegen die Eßlust, die Daukraft, die Besin- nungskraft unendlich geschwächt sind. Bey einer schlag- flüßigen Frau beobachtete ich ein so feines Gehör, daß sie auf mehrere Schritte das leiseste Gespräch deut- lich vernahm. Nach dem Tode fand ich die eine Hälf- te des Gehirns mit Blut, die andere mit Wasser an- gefüllt. Andere sehen alles aufs deutlichste, können vollkommen richtig darüber denken; diese Gedanken er- regen in ihnen Freude, Traurigkeit, Angst u. d. gl. und dennoch sind sie in allen übrigen Verrichtungen, sogar in der Bewegung der Gesichtsmuskeln so sehr gehemmt, daß sie ihren Zustand auf keine Weise zu erkennen geben können. Man sollte daher sowohl mit Worten als Gebehrden vor dergleichen Kranken äus- serst behutsam seyn. Hievon im zweyten Bande ein Mehreres. --
Der Mangel von Reizbarkeit in gewißen Thei- len verbirgt sonst sehr offenbare Krankheiten unter mancherley seltsamen Masken. So werden die Ent- zündungen des Darmfells, des Netzes, des Herzbeu- tels, der Hirnhänte, der Sehnen, der Knorpel, selbst manchmal des Magens und der Gedärme, wenn nicht die benachbarten Theile dabey leiden, weder von Schmerz, noch, doch nicht immer, von Fieber be- gleitet. Eine gewiße, unerklärbare Angst, das Ge-
fühl
gegen den Toback: ſie erkennen aus der Wiederkehr des Geruches und der Luſt zum Taback die annaͤhernde Beſſerung; nicht ſelten bekommen Leute, die vor Krankheiten ein ſtumpfes Gehoͤr oder ein bloͤdes Ge- ſicht hatten, ein ſcharfes Geſicht und feines Gehoͤr, da hingegen die Eßluſt, die Daukraft, die Beſin- nungskraft unendlich geſchwaͤcht ſind. Bey einer ſchlag- fluͤßigen Frau beobachtete ich ein ſo feines Gehoͤr, daß ſie auf mehrere Schritte das leiſeſte Geſpraͤch deut- lich vernahm. Nach dem Tode fand ich die eine Haͤlf- te des Gehirns mit Blut, die andere mit Waſſer an- gefuͤllt. Andere ſehen alles aufs deutlichſte, koͤnnen vollkommen richtig daruͤber denken; dieſe Gedanken er- regen in ihnen Freude, Traurigkeit, Angſt u. d. gl. und dennoch ſind ſie in allen uͤbrigen Verrichtungen, ſogar in der Bewegung der Geſichtsmuskeln ſo ſehr gehemmt, daß ſie ihren Zuſtand auf keine Weiſe zu erkennen geben koͤnnen. Man ſollte daher ſowohl mit Worten als Gebehrden vor dergleichen Kranken aͤuſ- ſerſt behutſam ſeyn. Hievon im zweyten Bande ein Mehreres. —
Der Mangel von Reizbarkeit in gewißen Thei- len verbirgt ſonſt ſehr offenbare Krankheiten unter mancherley ſeltſamen Masken. So werden die Ent- zuͤndungen des Darmfells, des Netzes, des Herzbeu- tels, der Hirnhaͤnte, der Sehnen, der Knorpel, ſelbſt manchmal des Magens und der Gedaͤrme, wenn nicht die benachbarten Theile dabey leiden, weder von Schmerz, noch, doch nicht immer, von Fieber be- gleitet. Eine gewiße, unerklaͤrbare Angſt, das Ge-
fuͤhl
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gegen den Toback: ſie erkennen aus der Wiederkehr des
Geruches und der Luſt zum Taback die annaͤhernde
Beſſerung; nicht ſelten bekommen Leute, die vor
Krankheiten ein ſtumpfes Gehoͤr oder ein bloͤdes Ge-
ſicht hatten, ein ſcharfes Geſicht und feines Gehoͤr,
da hingegen die Eßluſt, die Daukraft, die Beſin-
nungskraft unendlich geſchwaͤcht ſind. Bey einer ſchlag-
fluͤßigen Frau beobachtete ich ein ſo feines Gehoͤr,
daß ſie auf mehrere Schritte das leiſeſte Geſpraͤch deut-
lich vernahm. Nach dem Tode fand ich die eine Haͤlf-
te des Gehirns mit Blut, die andere mit Waſſer an-
gefuͤllt. Andere ſehen alles aufs deutlichſte, koͤnnen
vollkommen richtig daruͤber denken; dieſe Gedanken er-
regen in ihnen Freude, Traurigkeit, Angſt u. d. gl.
und dennoch ſind ſie in allen uͤbrigen Verrichtungen,
ſogar in der Bewegung der Geſichtsmuskeln ſo ſehr
gehemmt, daß ſie ihren Zuſtand auf keine Weiſe zu
erkennen geben koͤnnen. Man ſollte daher ſowohl mit
Worten als Gebehrden vor dergleichen Kranken aͤuſ-
ſerſt behutſam ſeyn. Hievon im zweyten Bande ein
Mehreres. —
Der Mangel von Reizbarkeit in gewißen Thei-
len verbirgt ſonſt ſehr offenbare Krankheiten unter
mancherley ſeltſamen Masken. So werden die Ent-
zuͤndungen des Darmfells, des Netzes, des Herzbeu-
tels, der Hirnhaͤnte, der Sehnen, der Knorpel, ſelbſt
manchmal des Magens und der Gedaͤrme, wenn nicht
die benachbarten Theile dabey leiden, weder von
Schmerz, noch, doch nicht immer, von Fieber be-
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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 558. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/577>, abgerufen am 24.11.2024.
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