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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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lichen Durst; der Bauch wieder aufgetrieben, weni-
ger schmerzhaft; auf dem gallichten Harn schwamm
jetzt ein dicker, weißer Satz, so wie er gestern auf
dem Grunde aufstand; der Puls etwas mehr gespannt;
abwechselnde, fliehende Hitze mit Frösteln, Bläße
und Röthe; in der Nacht um zwölf Uhr wurde sie
sehr übel; sie hatte ein Klystir bekommen, dem eini-
ge Gran Brechweinstein beygemischt waren.

Den sechsten Tag in der Frühe fand ich sie
mehr, als bisher, herunter geschurrt, obschon sie
sich manchmal mit vieler Kraft gegen den untern Theil
der Bettstatte anstemmte; der Kopf weniger heiter,
die Augen trüb und immer noch roth gestreift; die
Zunge feucht, aber die Klagen über den Durst und
die Tröckne wie vorher. Oesters erhob sich ober der
Magengegend eine schmerzhafte Schwulst, welche die
Kranke greifen zu können glaubte. Alle Ausleerungen
stockten. Gegen Tag des siebenten Tages war alles
wieder schlimmer. Endlich ließ sie einen gallichten
Harn, in dessen Mitte trübe, dunkle, flockichte Wol-
ken schwebten; der Puls wieder weich und voll;
die Wärme wie sonst; nur an den Fußsohlen klagte
sie über Kälte, und was sie trank, kam ihr alles sehr
kalt vor. Am Arme, der öfter zuckte, kam ein kör-
nichter rother Ausschlag zum Vorschein. Nur mit äus-
serster Mühe konnte man sie jetzt auf Dinge vor der
Krankheit erinnern. Ich verordnete einen Absud
der Wohlverleyblüten (arnica) und der virginischen
Schlangenwurzel mit dem Hoffmannischen Geist; die
Senfteige, welche bisher die Haut gar nicht verän-

der-

lichen Durſt; der Bauch wieder aufgetrieben, weni-
ger ſchmerzhaft; auf dem gallichten Harn ſchwamm
jetzt ein dicker, weißer Satz, ſo wie er geſtern auf
dem Grunde aufſtand; der Puls etwas mehr geſpannt;
abwechſelnde, fliehende Hitze mit Froͤſteln, Blaͤße
und Roͤthe; in der Nacht um zwoͤlf Uhr wurde ſie
ſehr uͤbel; ſie hatte ein Klyſtir bekommen, dem eini-
ge Gran Brechweinſtein beygemiſcht waren.

Den ſechſten Tag in der Fruͤhe fand ich ſie
mehr, als bisher, herunter geſchurrt, obſchon ſie
ſich manchmal mit vieler Kraft gegen den untern Theil
der Bettſtatte anſtemmte; der Kopf weniger heiter,
die Augen truͤb und immer noch roth geſtreift; die
Zunge feucht, aber die Klagen uͤber den Durſt und
die Troͤckne wie vorher. Oeſters erhob ſich ober der
Magengegend eine ſchmerzhafte Schwulſt, welche die
Kranke greifen zu koͤnnen glaubte. Alle Ausleerungen
ſtockten. Gegen Tag des ſiebenten Tages war alles
wieder ſchlimmer. Endlich ließ ſie einen gallichten
Harn, in deſſen Mitte truͤbe, dunkle, flockichte Wol-
ken ſchwebten; der Puls wieder weich und voll;
die Waͤrme wie ſonſt; nur an den Fußſohlen klagte
ſie uͤber Kaͤlte, und was ſie trank, kam ihr alles ſehr
kalt vor. Am Arme, der oͤfter zuckte, kam ein koͤr-
nichter rother Ausſchlag zum Vorſchein. Nur mit aͤuſ-
ſerſter Muͤhe konnte man ſie jetzt auf Dinge vor der
Krankheit erinnern. Ich verordnete einen Abſud
der Wohlverleybluͤten (arnica) und der virginiſchen
Schlangenwurzel mit dem Hoffmanniſchen Geiſt; die
Senfteige, welche bisher die Haut gar nicht veraͤn-

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[586/0605] lichen Durſt; der Bauch wieder aufgetrieben, weni- ger ſchmerzhaft; auf dem gallichten Harn ſchwamm jetzt ein dicker, weißer Satz, ſo wie er geſtern auf dem Grunde aufſtand; der Puls etwas mehr geſpannt; abwechſelnde, fliehende Hitze mit Froͤſteln, Blaͤße und Roͤthe; in der Nacht um zwoͤlf Uhr wurde ſie ſehr uͤbel; ſie hatte ein Klyſtir bekommen, dem eini- ge Gran Brechweinſtein beygemiſcht waren. Den ſechſten Tag in der Fruͤhe fand ich ſie mehr, als bisher, herunter geſchurrt, obſchon ſie ſich manchmal mit vieler Kraft gegen den untern Theil der Bettſtatte anſtemmte; der Kopf weniger heiter, die Augen truͤb und immer noch roth geſtreift; die Zunge feucht, aber die Klagen uͤber den Durſt und die Troͤckne wie vorher. Oeſters erhob ſich ober der Magengegend eine ſchmerzhafte Schwulſt, welche die Kranke greifen zu koͤnnen glaubte. Alle Ausleerungen ſtockten. Gegen Tag des ſiebenten Tages war alles wieder ſchlimmer. Endlich ließ ſie einen gallichten Harn, in deſſen Mitte truͤbe, dunkle, flockichte Wol- ken ſchwebten; der Puls wieder weich und voll; die Waͤrme wie ſonſt; nur an den Fußſohlen klagte ſie uͤber Kaͤlte, und was ſie trank, kam ihr alles ſehr kalt vor. Am Arme, der oͤfter zuckte, kam ein koͤr- nichter rother Ausſchlag zum Vorſchein. Nur mit aͤuſ- ſerſter Muͤhe konnte man ſie jetzt auf Dinge vor der Krankheit erinnern. Ich verordnete einen Abſud der Wohlverleybluͤten (arnica) und der virginiſchen Schlangenwurzel mit dem Hoffmanniſchen Geiſt; die Senfteige, welche bisher die Haut gar nicht veraͤn- der-

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 586. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/605>, abgerufen am 24.11.2024.