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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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seyn. Den achten Tag bekam der Kranke abführen-
de Mittel mit Gerstendekokt, einen säuerlichten Saft
und Salpetergeist, und starke Sauerteige. Aber durch
eine Berathschlagung wurde alles dieses beseitigt, und
Blasenpflaster auf die Waden, Molken mit Tamarinden
verordnet. Den neunten Tag hatte sich alles sehr ver-
schlimmert; es gieng keine Ausleerung von statten,
der Kranke war äusserst unruhig und rasete; der Puls
geschwind, klein, schnell, was am schlimmsten war:
denn, sagt Tissot, (was ich nicht glaube) man heilt
zwar die Hirnwuth, wo der Puls stark, gespannt und
langsam ist; aber keine, wo er klein und schnell ist.
Man berathschlagte sich wieder, und um der Raserey
willen öffnete man die Ader; der Kranke wird noch
rasender, die Weichen werden gespannt, man läßt
wieder zur Ader! der Kranke wird ohnmächtig, und
aus Mangel an Kräften faselt er etwas ruhiger, was
aber wieder mit den Kräften zunahm. Jetzt giebt
man mehrere Gaben zum Brechen, ohne daß ein
Erbrechen erfolgte!! -- Die Nacht war schlimm.
Den zehnten Tag wird nach einer Berathschlagung,
ein heftiges Abführungsmittel verordnet, obschon der
Aderschlag kaum merkbar, und die Raserey heftig war
Es erfolgten keine Stühle; Nachmittag giebt man ein
scharfes Klystir, worauf unter beständigen Ohnmach-
ten ungeheure Ausleerungen erfolgten, und -- der
Kranke verschied.

Diese Geschichte äusserte im Anfange deutlicher,
nachher aber schon dunkler den natürlichen Gang der
Krankheit, und hat viel Aehnliches mit Nro. 4. Ich

hatte

ſeyn. Den achten Tag bekam der Kranke abfuͤhren-
de Mittel mit Gerſtendekokt, einen ſaͤuerlichten Saft
und Salpetergeiſt, und ſtarke Sauerteige. Aber durch
eine Berathſchlagung wurde alles dieſes beſeitigt, und
Blaſenpflaſter auf die Waden, Molken mit Tamarinden
verordnet. Den neunten Tag hatte ſich alles ſehr ver-
ſchlimmert; es gieng keine Ausleerung von ſtatten,
der Kranke war aͤuſſerſt unruhig und raſete; der Puls
geſchwind, klein, ſchnell, was am ſchlimmſten war:
denn, ſagt Tiſſot, (was ich nicht glaube) man heilt
zwar die Hirnwuth, wo der Puls ſtark, geſpannt und
langſam iſt; aber keine, wo er klein und ſchnell iſt.
Man berathſchlagte ſich wieder, und um der Raſerey
willen oͤffnete man die Ader; der Kranke wird noch
raſender, die Weichen werden geſpannt, man laͤßt
wieder zur Ader! der Kranke wird ohnmaͤchtig, und
aus Mangel an Kraͤften faſelt er etwas ruhiger, was
aber wieder mit den Kraͤften zunahm. Jetzt giebt
man mehrere Gaben zum Brechen, ohne daß ein
Erbrechen erfolgte!! — Die Nacht war ſchlimm.
Den zehnten Tag wird nach einer Berathſchlagung,
ein heftiges Abfuͤhrungsmittel verordnet, obſchon der
Aderſchlag kaum merkbar, und die Raſerey heftig war
Es erfolgten keine Stuͤhle; Nachmittag giebt man ein
ſcharfes Klyſtir, worauf unter beſtaͤndigen Ohnmach-
ten ungeheure Ausleerungen erfolgten, und — der
Kranke verſchied.

Dieſe Geſchichte aͤuſſerte im Anfange deutlicher,
nachher aber ſchon dunkler den natuͤrlichen Gang der
Krankheit, und hat viel Aehnliches mit Nro. 4. Ich

hatte
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[598/0617] ſeyn. Den achten Tag bekam der Kranke abfuͤhren- de Mittel mit Gerſtendekokt, einen ſaͤuerlichten Saft und Salpetergeiſt, und ſtarke Sauerteige. Aber durch eine Berathſchlagung wurde alles dieſes beſeitigt, und Blaſenpflaſter auf die Waden, Molken mit Tamarinden verordnet. Den neunten Tag hatte ſich alles ſehr ver- ſchlimmert; es gieng keine Ausleerung von ſtatten, der Kranke war aͤuſſerſt unruhig und raſete; der Puls geſchwind, klein, ſchnell, was am ſchlimmſten war: denn, ſagt Tiſſot, (was ich nicht glaube) man heilt zwar die Hirnwuth, wo der Puls ſtark, geſpannt und langſam iſt; aber keine, wo er klein und ſchnell iſt. Man berathſchlagte ſich wieder, und um der Raſerey willen oͤffnete man die Ader; der Kranke wird noch raſender, die Weichen werden geſpannt, man laͤßt wieder zur Ader! der Kranke wird ohnmaͤchtig, und aus Mangel an Kraͤften faſelt er etwas ruhiger, was aber wieder mit den Kraͤften zunahm. Jetzt giebt man mehrere Gaben zum Brechen, ohne daß ein Erbrechen erfolgte!! — Die Nacht war ſchlimm. Den zehnten Tag wird nach einer Berathſchlagung, ein heftiges Abfuͤhrungsmittel verordnet, obſchon der Aderſchlag kaum merkbar, und die Raſerey heftig war Es erfolgten keine Stuͤhle; Nachmittag giebt man ein ſcharfes Klyſtir, worauf unter beſtaͤndigen Ohnmach- ten ungeheure Ausleerungen erfolgten, und — der Kranke verſchied. Dieſe Geſchichte aͤuſſerte im Anfange deutlicher, nachher aber ſchon dunkler den natuͤrlichen Gang der Krankheit, und hat viel Aehnliches mit Nro. 4. Ich hatte

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 598. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/617>, abgerufen am 24.11.2024.