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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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Der Kranke S. 329. konnte in gesunden Tagen
keinen Tokaier ertragen. Nachdem er aber über zwan-
zig Tage an einem faulichten Nervenfieber unter den
schlimmsten Zufällen, Zittern, Zucken und gewaltigem
Sehnenhüpfen des ganzen Körpers, Schwerhörigkeit,
Betäubung und anhaltender Verwirrung, äusserster
Angst u. s. w. darnieder gelegen war, bekam er Lust
darnach. In einer so verzweifelten Lage reichte man
ihm schalenvollweis, so lange er Begierde darnach
hatte, und so viel er vertrug. So trank er drey Tage
lang, jeden Tag drey Flaschen Tokaier, und zwey
Flaschen Rheinwein. Nebstdem nahm er jede Stun-
de einen Skrupel Kina mit einem Gran Kampfer;
und alles dieses bewirkte weiter nichts, als daß er
nach und nach besser zu Sinnen kam, und die obigen
Zufälle zusehends nachließen. Jezt gab man den Wein
weniger und mit Wasser gemischt. Er fieng aber bald
an, obschon er im Kopfe heiter blieb, über Brennen
im Halse zu klagen. So erhielt er sich einige Tage;
aber wie ich schon gesagt habe, ich drang alle Tage
auf eine oder zwey Ausleerungen; er hatte eine äusserst
schlechte Leibesbeschaffenheit, verfiel also in den letzten
Rückfall, und starb den sechs und dreißigsten Tag mit
Zufällen einer Versetzung nach dem Gehirn. -- Nach-
her fand ich in Walls Werkchen von den Nervensie-
bern eine ganz ähnliche Geschichte, deren Ausgang
aber glücklicher war.

Eine im Sommer behandelte Weibsperson,
nahm verschiedene Tage lang alle vier und zwanzig
Stunden, bey jeder Ohnmacht ein Glas, vier Bou-

teillen
Gall I. Band. Q q

Der Kranke S. 329. konnte in geſunden Tagen
keinen Tokaier ertragen. Nachdem er aber uͤber zwan-
zig Tage an einem faulichten Nervenfieber unter den
ſchlimmſten Zufaͤllen, Zittern, Zucken und gewaltigem
Sehnenhuͤpfen des ganzen Koͤrpers, Schwerhoͤrigkeit,
Betaͤubung und anhaltender Verwirrung, aͤuſſerſter
Angſt u. ſ. w. darnieder gelegen war, bekam er Luſt
darnach. In einer ſo verzweifelten Lage reichte man
ihm ſchalenvollweis, ſo lange er Begierde darnach
hatte, und ſo viel er vertrug. So trank er drey Tage
lang, jeden Tag drey Flaſchen Tokaier, und zwey
Flaſchen Rheinwein. Nebſtdem nahm er jede Stun-
de einen Skrupel Kina mit einem Gran Kampfer;
und alles dieſes bewirkte weiter nichts, als daß er
nach und nach beſſer zu Sinnen kam, und die obigen
Zufaͤlle zuſehends nachließen. Jezt gab man den Wein
weniger und mit Waſſer gemiſcht. Er fieng aber bald
an, obſchon er im Kopfe heiter blieb, uͤber Brennen
im Halſe zu klagen. So erhielt er ſich einige Tage;
aber wie ich ſchon geſagt habe, ich drang alle Tage
auf eine oder zwey Ausleerungen; er hatte eine aͤuſſerſt
ſchlechte Leibesbeſchaffenheit, verfiel alſo in den letzten
Ruͤckfall, und ſtarb den ſechs und dreißigſten Tag mit
Zufaͤllen einer Verſetzung nach dem Gehirn. — Nach-
her fand ich in Walls Werkchen von den Nervenſie-
bern eine ganz aͤhnliche Geſchichte, deren Ausgang
aber gluͤcklicher war.

Eine im Sommer behandelte Weibsperſon,
nahm verſchiedene Tage lang alle vier und zwanzig
Stunden, bey jeder Ohnmacht ein Glas, vier Bou-

teillen
Gall I. Band. Q q
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[609/0628] Der Kranke S. 329. konnte in geſunden Tagen keinen Tokaier ertragen. Nachdem er aber uͤber zwan- zig Tage an einem faulichten Nervenfieber unter den ſchlimmſten Zufaͤllen, Zittern, Zucken und gewaltigem Sehnenhuͤpfen des ganzen Koͤrpers, Schwerhoͤrigkeit, Betaͤubung und anhaltender Verwirrung, aͤuſſerſter Angſt u. ſ. w. darnieder gelegen war, bekam er Luſt darnach. In einer ſo verzweifelten Lage reichte man ihm ſchalenvollweis, ſo lange er Begierde darnach hatte, und ſo viel er vertrug. So trank er drey Tage lang, jeden Tag drey Flaſchen Tokaier, und zwey Flaſchen Rheinwein. Nebſtdem nahm er jede Stun- de einen Skrupel Kina mit einem Gran Kampfer; und alles dieſes bewirkte weiter nichts, als daß er nach und nach beſſer zu Sinnen kam, und die obigen Zufaͤlle zuſehends nachließen. Jezt gab man den Wein weniger und mit Waſſer gemiſcht. Er fieng aber bald an, obſchon er im Kopfe heiter blieb, uͤber Brennen im Halſe zu klagen. So erhielt er ſich einige Tage; aber wie ich ſchon geſagt habe, ich drang alle Tage auf eine oder zwey Ausleerungen; er hatte eine aͤuſſerſt ſchlechte Leibesbeſchaffenheit, verfiel alſo in den letzten Ruͤckfall, und ſtarb den ſechs und dreißigſten Tag mit Zufaͤllen einer Verſetzung nach dem Gehirn. — Nach- her fand ich in Walls Werkchen von den Nervenſie- bern eine ganz aͤhnliche Geſchichte, deren Ausgang aber gluͤcklicher war. Eine im Sommer behandelte Weibsperſon, nahm verſchiedene Tage lang alle vier und zwanzig Stunden, bey jeder Ohnmacht ein Glas, vier Bou- teillen Gall I. Band. Q q

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 609. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/628>, abgerufen am 24.11.2024.