Reize zu erwarten habe, wenn man ihn mit erschlap- penden Mitteln verbindet.
§ 102.
Zweytes Gesetz. Die Natur wirkt auf die gereizte Stelle nicht bloß durch den vermehrten Zufluß der Feuchtigkeiten überhaupt; sondern es hat eine Auswahl bestimmter und zwar vorzüg- lich schadhafter Feuchtigkeiten statt.
Ich war ehemals mit den meisten Aerzten der Meinung, daß es der Natur schlechterdings an einer absöndernden Auswahl fehle, und hielt die von außen angebrachten Reize, als künstliche Geschwüre, Haar- seile, Blasenpflaster u. d. gl. blos für Mittel, das Fieber zu vermehren, die Lebenskräfte zu erwecken, den Reiz von inneren Theilen abzuleiten, und die Mas- se der Feuchtigkeiten zu vermindern. Seitdem ich mich aber weniger um Erklärungen, und mehr um Thatsachen bekümmere, bin ich ganz vom Gegentheil überzeugt. Auch de Haen schreibt den Nutzen dieser Geschwüre in der Pest blos den dadurch bewirkten Ausleerungen zu; allein warum mußte man so erstau- nende Ausleerungen machen, bis man eben so viel be- wirkte? Warum können wir durch keine Ausleerung die z. B. von unterdrücktem Goldaderfluße, oder von einem zugeheilten Geschwüre entstandenen Beschwer- den heben? Lentin merkt ausdrücklich an, daß die Zufälle, so von unterdrückten Schweißen der Füße ent- standen waren, obschon die Füße wieder häufig schwitz- ten, dennoch nicht ehe vergehen, bis die Schweiße
wie-
Reize zu erwarten habe, wenn man ihn mit erſchlap- penden Mitteln verbindet.
§ 102.
Zweytes Geſetz. Die Natur wirkt auf die gereizte Stelle nicht bloß durch den vermehrten Zufluß der Feuchtigkeiten überhaupt; ſondern es hat eine Auswahl beſtimmter und zwar vorzüg- lich ſchadhafter Feuchtigkeiten ſtatt.
Ich war ehemals mit den meiſten Aerzten der Meinung, daß es der Natur ſchlechterdings an einer abſoͤndernden Auswahl fehle, und hielt die von außen angebrachten Reize, als kuͤnſtliche Geſchwuͤre, Haar- ſeile, Blaſenpflaſter u. d. gl. blos fuͤr Mittel, das Fieber zu vermehren, die Lebenskraͤfte zu erwecken, den Reiz von inneren Theilen abzuleiten, und die Maſ- ſe der Feuchtigkeiten zu vermindern. Seitdem ich mich aber weniger um Erklaͤrungen, und mehr um Thatſachen bekuͤmmere, bin ich ganz vom Gegentheil uͤberzeugt. Auch de Haen ſchreibt den Nutzen dieſer Geſchwuͤre in der Peſt blos den dadurch bewirkten Ausleerungen zu; allein warum mußte man ſo erſtau- nende Ausleerungen machen, bis man eben ſo viel be- wirkte? Warum koͤnnen wir durch keine Ausleerung die z. B. von unterdruͤcktem Goldaderfluße, oder von einem zugeheilten Geſchwuͤre entſtandenen Beſchwer- den heben? Lentin merkt ausdruͤcklich an, daß die Zufaͤlle, ſo von unterdruͤckten Schweißen der Fuͤße ent- ſtanden waren, obſchon die Fuͤße wieder haͤufig ſchwitz- ten, dennoch nicht ehe vergehen, bis die Schweiße
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Reize zu erwarten habe, wenn man ihn mit erſchlap-
penden Mitteln verbindet.
§ 102.
Zweytes Geſetz. Die Natur wirkt auf die
gereizte Stelle nicht bloß durch den vermehrten
Zufluß der Feuchtigkeiten überhaupt; ſondern es
hat eine Auswahl beſtimmter und zwar vorzüg-
lich ſchadhafter Feuchtigkeiten ſtatt.
Ich war ehemals mit den meiſten Aerzten der
Meinung, daß es der Natur ſchlechterdings an einer
abſoͤndernden Auswahl fehle, und hielt die von außen
angebrachten Reize, als kuͤnſtliche Geſchwuͤre, Haar-
ſeile, Blaſenpflaſter u. d. gl. blos fuͤr Mittel, das
Fieber zu vermehren, die Lebenskraͤfte zu erwecken,
den Reiz von inneren Theilen abzuleiten, und die Maſ-
ſe der Feuchtigkeiten zu vermindern. Seitdem ich
mich aber weniger um Erklaͤrungen, und mehr um
Thatſachen bekuͤmmere, bin ich ganz vom Gegentheil
uͤberzeugt. Auch de Haen ſchreibt den Nutzen dieſer
Geſchwuͤre in der Peſt blos den dadurch bewirkten
Ausleerungen zu; allein warum mußte man ſo erſtau-
nende Ausleerungen machen, bis man eben ſo viel be-
wirkte? Warum koͤnnen wir durch keine Ausleerung
die z. B. von unterdruͤcktem Goldaderfluße, oder von
einem zugeheilten Geſchwuͤre entſtandenen Beſchwer-
den heben? Lentin merkt ausdruͤcklich an, daß die
Zufaͤlle, ſo von unterdruͤckten Schweißen der Fuͤße ent-
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ten, dennoch nicht ehe vergehen, bis die Schweiße
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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 629. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/648>, abgerufen am 22.11.2024.
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