lich, sobald man bey einer schweren Entzündung den Brand vermuthet, dergleichen hitzige, fäulnißwidri- ge, geistige, flüchtige Dinge zu verordnen. Dadurch aber habe ich weder einen heilen gesehen, noch gele- sen, daß je einer geheilt worden wäre.
Ein fünf und sechzig jähriger Mann verfiel im Frühjahr 1787 in eine Lungenentzündung, die er ver- nachläßigte. Endlich wurde sein Athmen äusserst klein und geschwind, wie bey einem schnaubenden Hunde. Der Puls gieng unzählbar geschwind und ungleich; die Augen lagen tief, der Mann konnte noch gehen, und sprach einzelne, abgestoßne Worte mit vernehm- licher Stimme. Ach, hier ist keine Hilfe mehr, sprach der Arzt, denn es ist der offenbare Brand. -- Er verschrieb Kampfer mit einer flüchtigen Mixtur, und in 16 Stunden verschied der Kranke. -- Die Gefahr war ohne Zweifel groß; aber durchaus nicht von der Art, daß diese Mittel hätten helfen können. Wä- ren wirklich einige Theile durch die Stärke der Ent- zündung schon zerstöhrt, oder in Gefahr gewe- sen, zerstöhrt zu werden, so würde die Entzün- dung, und folglich die Gefahr vermehrt worden seyn. Was ich bey Gelegenheit der wahren Vollblütigkeit von ihren Stufen gesagt haben, gilt auch hier. Auf dem höchsten Grade der Entzündung, besonders wenn krampfhafte Schnürungen dazu kommen, wie dieses bey strammen, oder auch bey sehr reitzbaren Leuten öfters geschieht, verlieren sich alle Zeichen der Ent- zündung; der Puls wird klein, und äusserst geschwind; die Gliedmassen, und selbst der Athem werden kalt;
die
lich, ſobald man bey einer ſchweren Entzuͤndung den Brand vermuthet, dergleichen hitzige, faͤulnißwidri- ge, geiſtige, fluͤchtige Dinge zu verordnen. Dadurch aber habe ich weder einen heilen geſehen, noch gele- ſen, daß je einer geheilt worden waͤre.
Ein fuͤnf und ſechzig jaͤhriger Mann verfiel im Fruͤhjahr 1787 in eine Lungenentzuͤndung, die er ver- nachlaͤßigte. Endlich wurde ſein Athmen aͤuſſerſt klein und geſchwind, wie bey einem ſchnaubenden Hunde. Der Puls gieng unzaͤhlbar geſchwind und ungleich; die Augen lagen tief, der Mann konnte noch gehen, und ſprach einzelne, abgeſtoßne Worte mit vernehm- licher Stimme. Ach, hier iſt keine Hilfe mehr, ſprach der Arzt, denn es iſt der offenbare Brand. — Er verſchrieb Kampfer mit einer fluͤchtigen Mixtur, und in 16 Stunden verſchied der Kranke. — Die Gefahr war ohne Zweifel groß; aber durchaus nicht von der Art, daß dieſe Mittel haͤtten helfen koͤnnen. Waͤ- ren wirklich einige Theile durch die Staͤrke der Ent- zuͤndung ſchon zerſtoͤhrt, oder in Gefahr gewe- ſen, zerſtoͤhrt zu werden, ſo wuͤrde die Entzuͤn- dung, und folglich die Gefahr vermehrt worden ſeyn. Was ich bey Gelegenheit der wahren Vollbluͤtigkeit von ihren Stufen geſagt haben, gilt auch hier. Auf dem hoͤchſten Grade der Entzuͤndung, beſonders wenn krampfhafte Schnuͤrungen dazu kommen, wie dieſes bey ſtrammen, oder auch bey ſehr reitzbaren Leuten oͤfters geſchieht, verlieren ſich alle Zeichen der Ent- zuͤndung; der Puls wird klein, und aͤuſſerſt geſchwind; die Gliedmaſſen, und ſelbſt der Athem werden kalt;
die
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0723"n="704"/>
lich, ſobald man bey einer ſchweren Entzuͤndung den<lb/>
Brand vermuthet, dergleichen hitzige, faͤulnißwidri-<lb/>
ge, geiſtige, fluͤchtige Dinge zu verordnen. Dadurch<lb/>
aber habe ich weder einen heilen geſehen, noch gele-<lb/>ſen, daß je einer geheilt worden waͤre.</p><lb/><p>Ein fuͤnf und ſechzig jaͤhriger Mann verfiel im<lb/>
Fruͤhjahr 1787 in eine Lungenentzuͤndung, die er ver-<lb/>
nachlaͤßigte. Endlich wurde ſein Athmen aͤuſſerſt klein<lb/>
und geſchwind, wie bey einem ſchnaubenden Hunde.<lb/>
Der Puls gieng unzaͤhlbar geſchwind und ungleich;<lb/>
die Augen lagen tief, der Mann konnte noch gehen,<lb/>
und ſprach einzelne, abgeſtoßne Worte mit vernehm-<lb/>
licher Stimme. Ach, hier iſt keine Hilfe mehr, ſprach<lb/>
der Arzt, denn es iſt der offenbare Brand. — Er<lb/>
verſchrieb Kampfer mit einer fluͤchtigen Mixtur, und<lb/>
in 16 Stunden verſchied der Kranke. — Die Gefahr<lb/>
war ohne Zweifel groß; aber durchaus nicht von<lb/>
der Art, daß dieſe Mittel haͤtten helfen koͤnnen. Waͤ-<lb/>
ren wirklich einige Theile durch die Staͤrke der Ent-<lb/>
zuͤndung ſchon zerſtoͤhrt, oder in Gefahr gewe-<lb/>ſen, zerſtoͤhrt zu werden, ſo wuͤrde die Entzuͤn-<lb/>
dung, und folglich die Gefahr vermehrt worden ſeyn.<lb/>
Was ich bey Gelegenheit der wahren Vollbluͤtigkeit<lb/>
von ihren Stufen geſagt haben, gilt auch hier. Auf<lb/>
dem hoͤchſten Grade der Entzuͤndung, beſonders wenn<lb/>
krampfhafte Schnuͤrungen dazu kommen, wie dieſes<lb/>
bey ſtrammen, oder auch bey ſehr reitzbaren Leuten<lb/>
oͤfters geſchieht, verlieren ſich alle Zeichen der Ent-<lb/>
zuͤndung; der Puls wird klein, und aͤuſſerſt geſchwind;<lb/>
die Gliedmaſſen, und ſelbſt der Athem werden kalt;<lb/><fwplace="bottom"type="catch">die</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[704/0723]
lich, ſobald man bey einer ſchweren Entzuͤndung den
Brand vermuthet, dergleichen hitzige, faͤulnißwidri-
ge, geiſtige, fluͤchtige Dinge zu verordnen. Dadurch
aber habe ich weder einen heilen geſehen, noch gele-
ſen, daß je einer geheilt worden waͤre.
Ein fuͤnf und ſechzig jaͤhriger Mann verfiel im
Fruͤhjahr 1787 in eine Lungenentzuͤndung, die er ver-
nachlaͤßigte. Endlich wurde ſein Athmen aͤuſſerſt klein
und geſchwind, wie bey einem ſchnaubenden Hunde.
Der Puls gieng unzaͤhlbar geſchwind und ungleich;
die Augen lagen tief, der Mann konnte noch gehen,
und ſprach einzelne, abgeſtoßne Worte mit vernehm-
licher Stimme. Ach, hier iſt keine Hilfe mehr, ſprach
der Arzt, denn es iſt der offenbare Brand. — Er
verſchrieb Kampfer mit einer fluͤchtigen Mixtur, und
in 16 Stunden verſchied der Kranke. — Die Gefahr
war ohne Zweifel groß; aber durchaus nicht von
der Art, daß dieſe Mittel haͤtten helfen koͤnnen. Waͤ-
ren wirklich einige Theile durch die Staͤrke der Ent-
zuͤndung ſchon zerſtoͤhrt, oder in Gefahr gewe-
ſen, zerſtoͤhrt zu werden, ſo wuͤrde die Entzuͤn-
dung, und folglich die Gefahr vermehrt worden ſeyn.
Was ich bey Gelegenheit der wahren Vollbluͤtigkeit
von ihren Stufen geſagt haben, gilt auch hier. Auf
dem hoͤchſten Grade der Entzuͤndung, beſonders wenn
krampfhafte Schnuͤrungen dazu kommen, wie dieſes
bey ſtrammen, oder auch bey ſehr reitzbaren Leuten
oͤfters geſchieht, verlieren ſich alle Zeichen der Ent-
zuͤndung; der Puls wird klein, und aͤuſſerſt geſchwind;
die Gliedmaſſen, und ſelbſt der Athem werden kalt;
die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 704. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/723>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.