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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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anders erzählt er von einem Menschen, der vom Schar-
bock über und über gefault mit der äußersten Freßbe-
gierde die außerordentlichsten Gemüthskräfte verband,
und der erhabensten und schönsten Ideen auf eine fast
unglaubliche Weise fähig gewesen. Hier müssen sich
die Ideen im kranken Zustande leichter und lebhafter
bewegt haben, als im gesunden. Aus diesen Grün-
den ist ein heiterer Gemüthszustand zuweilen ein sehr
böses Zeichen, weil die Kräfte der Seele zunehmen,
wie die Kräfte des Leibes abnehmen, wie man dieses
nicht selten bei Kindern beobachtet, welche oft in ihren
letzten Krankheiten am liebenswerthesten sind. Zim-
mermann
sagt: "Man bemerkt zuweilen, daß bei der
Annäherung der Todesstunde die Einbildungskraft auf
eine besondere Art sich erhöhet, und daß eben diese
Erhöhung ein Zeichen des Todes ist. Ja, es geschieht
oft, daß die Kranken selbst, wider die Hofnung ihrer
Aerzte aus dieser innern Empfindung die Zeit des To-
des zu bestimmen wissen. Man beobachtet in kranken
Kindern eine widernatürliche Gefälligkeit in allen Din-
gen, einen Verstand, der sonst nur die Frucht des
Studirens und der Erfahrung ist, einen Witz und ei-
ne Beredsamkeit, die weit über ihr Alter sich erheben,
und das ist ein Vorbote des Todes. Bey Leuten von
einem mittleren Alter ist diese Erhöhung der Seelen-
kräfte grösser, als bey mehreren Jahren. Sie äus-
sert sich oft unter der schwersten Last der Krankheit
durch eine Beredsamkeit, die lebhaft, rührend und
natürlich, dem harmonischen Gesang der stebenden
Schwanen, und den letzten Wünschen eines Patrio-

ten

anders erzaͤhlt er von einem Menſchen, der vom Schar-
bock uͤber und uͤber gefault mit der aͤußerſten Freßbe-
gierde die außerordentlichſten Gemuͤthskraͤfte verband,
und der erhabenſten und ſchoͤnſten Ideen auf eine faſt
unglaubliche Weiſe faͤhig geweſen. Hier muͤſſen ſich
die Ideen im kranken Zuſtande leichter und lebhafter
bewegt haben, als im geſunden. Aus dieſen Gruͤn-
den iſt ein heiterer Gemuͤthszuſtand zuweilen ein ſehr
boͤſes Zeichen, weil die Kraͤfte der Seele zunehmen,
wie die Kraͤfte des Leibes abnehmen, wie man dieſes
nicht ſelten bei Kindern beobachtet, welche oft in ihren
letzten Krankheiten am liebenswertheſten ſind. Zim-
mermann
ſagt: 〟Man bemerkt zuweilen, daß bei der
Annaͤherung der Todesſtunde die Einbildungskraft auf
eine beſondere Art ſich erhoͤhet, und daß eben dieſe
Erhoͤhung ein Zeichen des Todes iſt. Ja, es geſchieht
oft, daß die Kranken ſelbſt, wider die Hofnung ihrer
Aerzte aus dieſer innern Empfindung die Zeit des To-
des zu beſtimmen wiſſen. Man beobachtet in kranken
Kindern eine widernatuͤrliche Gefaͤlligkeit in allen Din-
gen, einen Verſtand, der ſonſt nur die Frucht des
Studirens und der Erfahrung iſt, einen Witz und ei-
ne Beredſamkeit, die weit uͤber ihr Alter ſich erheben,
und das iſt ein Vorbote des Todes. Bey Leuten von
einem mittleren Alter iſt dieſe Erhoͤhung der Seelen-
kraͤfte groͤſſer, als bey mehreren Jahren. Sie aͤuſ-
ſert ſich oft unter der ſchwerſten Laſt der Krankheit
durch eine Beredſamkeit, die lebhaft, ruͤhrend und
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Schwanen, und den letzten Wuͤnſchen eines Patrio-

ten
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[54/0073] anders erzaͤhlt er von einem Menſchen, der vom Schar- bock uͤber und uͤber gefault mit der aͤußerſten Freßbe- gierde die außerordentlichſten Gemuͤthskraͤfte verband, und der erhabenſten und ſchoͤnſten Ideen auf eine faſt unglaubliche Weiſe faͤhig geweſen. Hier muͤſſen ſich die Ideen im kranken Zuſtande leichter und lebhafter bewegt haben, als im geſunden. Aus dieſen Gruͤn- den iſt ein heiterer Gemuͤthszuſtand zuweilen ein ſehr boͤſes Zeichen, weil die Kraͤfte der Seele zunehmen, wie die Kraͤfte des Leibes abnehmen, wie man dieſes nicht ſelten bei Kindern beobachtet, welche oft in ihren letzten Krankheiten am liebenswertheſten ſind. Zim- mermann ſagt: 〟Man bemerkt zuweilen, daß bei der Annaͤherung der Todesſtunde die Einbildungskraft auf eine beſondere Art ſich erhoͤhet, und daß eben dieſe Erhoͤhung ein Zeichen des Todes iſt. Ja, es geſchieht oft, daß die Kranken ſelbſt, wider die Hofnung ihrer Aerzte aus dieſer innern Empfindung die Zeit des To- des zu beſtimmen wiſſen. Man beobachtet in kranken Kindern eine widernatuͤrliche Gefaͤlligkeit in allen Din- gen, einen Verſtand, der ſonſt nur die Frucht des Studirens und der Erfahrung iſt, einen Witz und ei- ne Beredſamkeit, die weit uͤber ihr Alter ſich erheben, und das iſt ein Vorbote des Todes. Bey Leuten von einem mittleren Alter iſt dieſe Erhoͤhung der Seelen- kraͤfte groͤſſer, als bey mehreren Jahren. Sie aͤuſ- ſert ſich oft unter der ſchwerſten Laſt der Krankheit durch eine Beredſamkeit, die lebhaft, ruͤhrend und natuͤrlich, dem harmoniſchen Geſang der ſtebenden Schwanen, und den letzten Wuͤnſchen eines Patrio- ten

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/73>, abgerufen am 22.11.2024.