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Ganswindt, Albert: Handbuch der Färberei und der damit verwandten vorbereitenden und vollendenden Gewerbe. Weimar, 1889.

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3. die Menge des Farbstoffes, welche von den Fasern aufgenom-
men wird.

Die Steighöhe der gefärbten Lösungen ist zunächst eine viel be-
deutendere, als allgemein angenommen wird; sie würde eine fast unbegrenzte
sein, wenn der Versuch in einer Atmosphäre vorgenommen werden könnte,
welche mit den Dämpfen der betreffenden Flüssigkeit vollgesättigt wäre. Das
ist aber selten oder nie der Fall, und daher setzt die Verdunstung der auf-
gesaugten Flüssigkeit in den höchsten, von der Oberfläche am weitesten ent-
fernten Zonen der Aufsaugungsfähigkeit eine bestimmte Grenze. Diese wird
an der Stelle liegen, wo genau so viel Flüssigkeit (infolge feinster Ver-
teilung und höchster Flächenentfaltung) zu verdampfen vermag, als durch die
Kapillarität an eben jene Stelle geschafft wird. Die Steighöhe wird also
eine ganz bestimmte sein.

Unabhängig von der Steighöhe ist die Steiggeschwindigkeit. Diese
ist meist regelmäßig, selten unregelmäßig, d. h. die Flüssigkeit steigt entweder
in dem jedesmaligen gleichen Zeitraume ein gleiches Stück aufwärts, oder
dieses Aufwärtssteigen läßt allmählich nach, der in dem gleichen Zeitraume
zurückgelegte Weg wird nach und nach kleiner. Höchst selten tritt der Fall
ein, daß die Anfangsgeschwindigkeit eine enorm große ist, dann aber, an
einer gewissen Grenze angelangt, schnell nachläßt und bald überhaupt aufhört.

An der Hand dieser beiden Faktoren, Steighöhe und Steiggeschwindig-
keit, ist es möglich, eine Größe zu finden, welche angibt, entweder, welche Zeit
verbraucht wird, um eine gewisse normierte Steighöhe zu erreichen, oder
welche Steighöhe in einer normierten Zeit erreicht wird.

Arbeitet man mit einer einfachen Farbstofflösung, so gestalten sich die
Resultate so einfach, wie oben erläutert. Anders wird der Fall, wenn man
mit einer Lösung arbeitet, welche mehrere Farbstoffe gelöst enthält. Eine
derartige Lösung erscheint dem Auge einfarbig und die Gewebefaser nimmt
diese vermöge ihrer Aufsaugefähigkeit in sich auf; gleichzeitig aber scheidet
sie die einzelnen Farbstoffe voneinander
und die Gewebefaser wird
bald die einzelnen Farben nebeneinander zeigen, d. h. wir werden zwei oder
mehr verschiedene Steighöhen gleichzeitig wahrnehmen. Arbeiten wir z. B.
mit Azorot und Säuregelb, so ist die Lösung orangefarben, die Gespinnst-
faser zeigt uns aber nach kurzer Zeit nicht die Steighöhe für einen orange-
roten Farbstoff, sondern zwei verschiedene Steighöhen für einen roten und
einen gelben Farbstoff. Arbeitet man dagegen mit Tropaeolin, so erhält
man nur eine Steighöhe für einen orangeroten Farbstoff. Hat man sich aus
Pikrinsäure und Indigoschwefelsäure eine rein grüne Lösung bereitet, so er-
hält man vier Zonen der Steighöhen, unten eine breite grüne, darüber eine
schmale gelbe, welche die Pikrinsäure enthält, dann eine farblose, Schwefel-
säure enthaltende, und die vierte oberste, welche reines Wasser enthält. Ar-
beitet man dagegen mit Methylgrün, so erhält man dann zwei Zonen und
nur eine Steighöhe für den grünen Farbstoff.

Bereits im Jahre 1861 hat Schönbein auf die Trennung der Farb-
stoffe durch Kapillarität hingewiesen (Verhandlungen der Naturforschenden
Gesellschaft zu Basel, 1861, Teil III.); neuerdings hat Prof Dr. Goppels-
röder
diese Eigenschaft zur Trennung und Reinigung der Farbstoffe vor-
geschlagen (Separatausdruck aus "Oesterreichs Wollen- und Leinenindustrie",
1885) und neuestens auch zum analytischen Nachweis und zur Farbstoff-
bestimmung vorgeschlagen (Romens Journal, 1887).

3. die Menge des Farbſtoffes, welche von den Faſern aufgenom-
men wird.

Die Steighöhe der gefärbten Löſungen iſt zunächſt eine viel be-
deutendere, als allgemein angenommen wird; ſie würde eine faſt unbegrenzte
ſein, wenn der Verſuch in einer Atmoſphäre vorgenommen werden könnte,
welche mit den Dämpfen der betreffenden Flüſſigkeit vollgeſättigt wäre. Das
iſt aber ſelten oder nie der Fall, und daher ſetzt die Verdunſtung der auf-
geſaugten Flüſſigkeit in den höchſten, von der Oberfläche am weiteſten ent-
fernten Zonen der Aufſaugungsfähigkeit eine beſtimmte Grenze. Dieſe wird
an der Stelle liegen, wo genau ſo viel Flüſſigkeit (infolge feinſter Ver-
teilung und höchſter Flächenentfaltung) zu verdampfen vermag, als durch die
Kapillarität an eben jene Stelle geſchafft wird. Die Steighöhe wird alſo
eine ganz beſtimmte ſein.

Unabhängig von der Steighöhe iſt die Steiggeſchwindigkeit. Dieſe
iſt meiſt regelmäßig, ſelten unregelmäßig, d. h. die Flüſſigkeit ſteigt entweder
in dem jedesmaligen gleichen Zeitraume ein gleiches Stück aufwärts, oder
dieſes Aufwärtsſteigen läßt allmählich nach, der in dem gleichen Zeitraume
zurückgelegte Weg wird nach und nach kleiner. Höchſt ſelten tritt der Fall
ein, daß die Anfangsgeſchwindigkeit eine enorm große iſt, dann aber, an
einer gewiſſen Grenze angelangt, ſchnell nachläßt und bald überhaupt aufhört.

An der Hand dieſer beiden Faktoren, Steighöhe und Steiggeſchwindig-
keit, iſt es möglich, eine Größe zu finden, welche angibt, entweder, welche Zeit
verbraucht wird, um eine gewiſſe normierte Steighöhe zu erreichen, oder
welche Steighöhe in einer normierten Zeit erreicht wird.

Arbeitet man mit einer einfachen Farbſtofflöſung, ſo geſtalten ſich die
Reſultate ſo einfach, wie oben erläutert. Anders wird der Fall, wenn man
mit einer Löſung arbeitet, welche mehrere Farbſtoffe gelöſt enthält. Eine
derartige Löſung erſcheint dem Auge einfarbig und die Gewebefaſer nimmt
dieſe vermöge ihrer Aufſaugefähigkeit in ſich auf; gleichzeitig aber ſcheidet
ſie die einzelnen Farbſtoffe voneinander
und die Gewebefaſer wird
bald die einzelnen Farben nebeneinander zeigen, d. h. wir werden zwei oder
mehr verſchiedene Steighöhen gleichzeitig wahrnehmen. Arbeiten wir z. B.
mit Azorot und Säuregelb, ſo iſt die Löſung orangefarben, die Geſpinnſt-
faſer zeigt uns aber nach kurzer Zeit nicht die Steighöhe für einen orange-
roten Farbſtoff, ſondern zwei verſchiedene Steighöhen für einen roten und
einen gelben Farbſtoff. Arbeitet man dagegen mit Tropaeolin, ſo erhält
man nur eine Steighöhe für einen orangeroten Farbſtoff. Hat man ſich aus
Pikrinſäure und Indigoſchwefelſäure eine rein grüne Löſung bereitet, ſo er-
hält man vier Zonen der Steighöhen, unten eine breite grüne, darüber eine
ſchmale gelbe, welche die Pikrinſäure enthält, dann eine farbloſe, Schwefel-
ſäure enthaltende, und die vierte oberſte, welche reines Waſſer enthält. Ar-
beitet man dagegen mit Methylgrün, ſo erhält man dann zwei Zonen und
nur eine Steighöhe für den grünen Farbſtoff.

Bereits im Jahre 1861 hat Schönbein auf die Trennung der Farb-
ſtoffe durch Kapillarität hingewieſen (Verhandlungen der Naturforſchenden
Geſellſchaft zu Baſel, 1861, Teil III.); neuerdings hat Prof Dr. Goppels-
röder
dieſe Eigenſchaft zur Trennung und Reinigung der Farbſtoffe vor-
geſchlagen (Separatausdruck aus „Oeſterreichs Wollen- und Leineninduſtrie“,
1885) und neueſtens auch zum analytiſchen Nachweis und zur Farbſtoff-
beſtimmung vorgeſchlagen (Romens Journal, 1887).

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[493/0541] 3. die Menge des Farbſtoffes, welche von den Faſern aufgenom- men wird. Die Steighöhe der gefärbten Löſungen iſt zunächſt eine viel be- deutendere, als allgemein angenommen wird; ſie würde eine faſt unbegrenzte ſein, wenn der Verſuch in einer Atmoſphäre vorgenommen werden könnte, welche mit den Dämpfen der betreffenden Flüſſigkeit vollgeſättigt wäre. Das iſt aber ſelten oder nie der Fall, und daher ſetzt die Verdunſtung der auf- geſaugten Flüſſigkeit in den höchſten, von der Oberfläche am weiteſten ent- fernten Zonen der Aufſaugungsfähigkeit eine beſtimmte Grenze. Dieſe wird an der Stelle liegen, wo genau ſo viel Flüſſigkeit (infolge feinſter Ver- teilung und höchſter Flächenentfaltung) zu verdampfen vermag, als durch die Kapillarität an eben jene Stelle geſchafft wird. Die Steighöhe wird alſo eine ganz beſtimmte ſein. Unabhängig von der Steighöhe iſt die Steiggeſchwindigkeit. Dieſe iſt meiſt regelmäßig, ſelten unregelmäßig, d. h. die Flüſſigkeit ſteigt entweder in dem jedesmaligen gleichen Zeitraume ein gleiches Stück aufwärts, oder dieſes Aufwärtsſteigen läßt allmählich nach, der in dem gleichen Zeitraume zurückgelegte Weg wird nach und nach kleiner. Höchſt ſelten tritt der Fall ein, daß die Anfangsgeſchwindigkeit eine enorm große iſt, dann aber, an einer gewiſſen Grenze angelangt, ſchnell nachläßt und bald überhaupt aufhört. An der Hand dieſer beiden Faktoren, Steighöhe und Steiggeſchwindig- keit, iſt es möglich, eine Größe zu finden, welche angibt, entweder, welche Zeit verbraucht wird, um eine gewiſſe normierte Steighöhe zu erreichen, oder welche Steighöhe in einer normierten Zeit erreicht wird. Arbeitet man mit einer einfachen Farbſtofflöſung, ſo geſtalten ſich die Reſultate ſo einfach, wie oben erläutert. Anders wird der Fall, wenn man mit einer Löſung arbeitet, welche mehrere Farbſtoffe gelöſt enthält. Eine derartige Löſung erſcheint dem Auge einfarbig und die Gewebefaſer nimmt dieſe vermöge ihrer Aufſaugefähigkeit in ſich auf; gleichzeitig aber ſcheidet ſie die einzelnen Farbſtoffe voneinander und die Gewebefaſer wird bald die einzelnen Farben nebeneinander zeigen, d. h. wir werden zwei oder mehr verſchiedene Steighöhen gleichzeitig wahrnehmen. Arbeiten wir z. B. mit Azorot und Säuregelb, ſo iſt die Löſung orangefarben, die Geſpinnſt- faſer zeigt uns aber nach kurzer Zeit nicht die Steighöhe für einen orange- roten Farbſtoff, ſondern zwei verſchiedene Steighöhen für einen roten und einen gelben Farbſtoff. Arbeitet man dagegen mit Tropaeolin, ſo erhält man nur eine Steighöhe für einen orangeroten Farbſtoff. Hat man ſich aus Pikrinſäure und Indigoſchwefelſäure eine rein grüne Löſung bereitet, ſo er- hält man vier Zonen der Steighöhen, unten eine breite grüne, darüber eine ſchmale gelbe, welche die Pikrinſäure enthält, dann eine farbloſe, Schwefel- ſäure enthaltende, und die vierte oberſte, welche reines Waſſer enthält. Ar- beitet man dagegen mit Methylgrün, ſo erhält man dann zwei Zonen und nur eine Steighöhe für den grünen Farbſtoff. Bereits im Jahre 1861 hat Schönbein auf die Trennung der Farb- ſtoffe durch Kapillarität hingewieſen (Verhandlungen der Naturforſchenden Geſellſchaft zu Baſel, 1861, Teil III.); neuerdings hat Prof Dr. Goppels- röder dieſe Eigenſchaft zur Trennung und Reinigung der Farbſtoffe vor- geſchlagen (Separatausdruck aus „Oeſterreichs Wollen- und Leineninduſtrie“, 1885) und neueſtens auch zum analytiſchen Nachweis und zur Farbſtoff- beſtimmung vorgeſchlagen (Romens Journal, 1887).

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Zitationshilfe: Ganswindt, Albert: Handbuch der Färberei und der damit verwandten vorbereitenden und vollendenden Gewerbe. Weimar, 1889, S. 493. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ganswindt_faerberei_1889/541>, abgerufen am 22.11.2024.