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Ganswindt, Albert: Handbuch der Färberei und der damit verwandten vorbereitenden und vollendenden Gewerbe. Weimar, 1889.

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die Ameisensäure lenken, deren Salze noch leichter zersetzbar sind, als
die der Essigsäure, und die sich daher mindestens ebensogut empfehlen dürfte,
als die Essigsäure. Auch in diesem Falle spielt die Faser die Rolle einer
Säure. In allen den Fällen, wo es sich um Fixierung eines sauren Farb-
stoffes handelt, würde also die Beizung mit Metallsalzen am Platze sein.

Handelt es sich hingegen um Fixierung eines rein basischen oder eines
neutralen Farbstoffes, dessen Färbekraft in der Farbstoffbase liegt und der
die Faser direkt nicht zu färben vermag, so muß als Beizmittel eine Säure
angewendet werden, oder saure Salze, welche sich beim Kochen in Gegen-
wart von Gewebefasern in neutrale Salze und freie Säure zerlegen, welche
durch die in diesem Falle als Base wirkende Faser gebunden wird; als
solche Säuren wirken Schwefelsäure, Weinsäure, Gerbsäure, Oelsäure und
Oxalsäure oder deren saure Salze: doppelt schwefelsaures Natron, Wein-
stein und Kleesalz. Auch die Chromsäure und die Zinnsäure gehören hier-
her. Welchen Charakter den letzteren Säuren gegenüber die Fasern ein-
nehmen, ist noch nicht völlig klar festgestellt, was mit dadurch bedingt wird,
daß die Stellung dieser Säuren selbst, resp. deren Reduktion in Chromoxyd-
und Zinnsalze einen sicheren Nachweis sehr erschwert.

Es scheint, wenn man nach allgemeinen Grundsätzen forscht, sich zu
ergeben, daß die animalischen Fasern vorzugsweise mittels saurer Beizen,
die vegetabilischen mittels metallischer, resp. basischer Beizen behandelt wer-
den müssen. Es entspräche das auch ihrem chemischen Charakter, denn Wolle
und Seide lösen sich in verdünnten Alkalien, können mithin auch nicht mit
alkalischen Beizen behandelt werden; Baumwolle und Leinen dagegen ver-
tragen selbst starke alkalische Beizen, werden dagegen schon von schwachen
Mineralsäuren, besonders beim Erwärmen, angegriffen resp. zerstört; dagegen
ist bei Pflanzenfasern Gerbsäure als Beize angebracht.

Wir sehen auch hier wieder deutlich zwei Klassen von Beizen, wie wir
in gleicher Weise zwei Klassen von Farbstoffen unterscheiden konnten; man
könnte sie gewissermaßen als Wollbeizen und Baumwollbeizen unter-
scheiden; doch ist die Grenze hier noch viel weniger scharf, wie bei den Farb-
stoffen und es gibt mehrere Beizen, welche sowohl auf Tier- wie auf Pflanzen-
fasern angewendet werden, z. B. Alaun.

Gewisse allgemein gültige Grundsätze, betreffend Verwendung der Beizen,
lassen sich zur Zeit noch nicht aufstellen, da es noch an exakten Untersuchungen
auf diesem Gebiete fehlt. In der Färberei wird beim Beizen meist rein
empirisch verfahren; von einem systematischen Vorgehen ist gar keine Rede.
Es gibt Beizmethoden, bei denen man vergebens nach dem Warum? fragt,
Methoden, welche lediglich durch die Gewohnheit sanktioniert sind, denen
aber eine wissenschaftliche Basis durchaus fehlt. Es liegt das wohl zum
Teil an den völlig unklaren Begriffen über den eigentlichen Beizprozeß und
der dabei sich abspielenden chemischen Vorgänge. Ich bin der festen Ueber-
zeugung, daß mit der fortschreitenden Erkenntnis des Charakters, welche die
Fasern dabei annehmen und der Rolle, welche sie dabei spielen, auch sich
allgemein gültige Regeln für das Beizen ergeben werden, und daß auf dem
praktischen Gebiet des Beizens manches jetzt noch gültige Verfahren als ver-
altet und vernunftwidrig wird beiseite geschoben werden. So lange wir zu
diesen allgemeinen Grundsätzen noch nicht gelangt sind, muß freilich auf dem
bisherigen Fundament weiter gebaut werden.

Ganswindt, Färberei. 32

die Ameiſenſäure lenken, deren Salze noch leichter zerſetzbar ſind, als
die der Eſſigſäure, und die ſich daher mindeſtens ebenſogut empfehlen dürfte,
als die Eſſigſäure. Auch in dieſem Falle ſpielt die Faſer die Rolle einer
Säure. In allen den Fällen, wo es ſich um Fixierung eines ſauren Farb-
ſtoffes handelt, würde alſo die Beizung mit Metallſalzen am Platze ſein.

Handelt es ſich hingegen um Fixierung eines rein baſiſchen oder eines
neutralen Farbſtoffes, deſſen Färbekraft in der Farbſtoffbaſe liegt und der
die Faſer direkt nicht zu färben vermag, ſo muß als Beizmittel eine Säure
angewendet werden, oder ſaure Salze, welche ſich beim Kochen in Gegen-
wart von Gewebefaſern in neutrale Salze und freie Säure zerlegen, welche
durch die in dieſem Falle als Baſe wirkende Faſer gebunden wird; als
ſolche Säuren wirken Schwefelſäure, Weinſäure, Gerbſäure, Oelſäure und
Oxalſäure oder deren ſaure Salze: doppelt ſchwefelſaures Natron, Wein-
ſtein und Kleeſalz. Auch die Chromſäure und die Zinnſäure gehören hier-
her. Welchen Charakter den letzteren Säuren gegenüber die Faſern ein-
nehmen, iſt noch nicht völlig klar feſtgeſtellt, was mit dadurch bedingt wird,
daß die Stellung dieſer Säuren ſelbſt, reſp. deren Reduktion in Chromoxyd-
und Zinnſalze einen ſicheren Nachweis ſehr erſchwert.

Es ſcheint, wenn man nach allgemeinen Grundſätzen forſcht, ſich zu
ergeben, daß die animaliſchen Faſern vorzugsweiſe mittels ſaurer Beizen,
die vegetabiliſchen mittels metalliſcher, reſp. baſiſcher Beizen behandelt wer-
den müſſen. Es entſpräche das auch ihrem chemiſchen Charakter, denn Wolle
und Seide löſen ſich in verdünnten Alkalien, können mithin auch nicht mit
alkaliſchen Beizen behandelt werden; Baumwolle und Leinen dagegen ver-
tragen ſelbſt ſtarke alkaliſche Beizen, werden dagegen ſchon von ſchwachen
Mineralſäuren, beſonders beim Erwärmen, angegriffen reſp. zerſtört; dagegen
iſt bei Pflanzenfaſern Gerbſäure als Beize angebracht.

Wir ſehen auch hier wieder deutlich zwei Klaſſen von Beizen, wie wir
in gleicher Weiſe zwei Klaſſen von Farbſtoffen unterſcheiden konnten; man
könnte ſie gewiſſermaßen als Wollbeizen und Baumwollbeizen unter-
ſcheiden; doch iſt die Grenze hier noch viel weniger ſcharf, wie bei den Farb-
ſtoffen und es gibt mehrere Beizen, welche ſowohl auf Tier- wie auf Pflanzen-
faſern angewendet werden, z. B. Alaun.

Gewiſſe allgemein gültige Grundſätze, betreffend Verwendung der Beizen,
laſſen ſich zur Zeit noch nicht aufſtellen, da es noch an exakten Unterſuchungen
auf dieſem Gebiete fehlt. In der Färberei wird beim Beizen meiſt rein
empiriſch verfahren; von einem ſyſtematiſchen Vorgehen iſt gar keine Rede.
Es gibt Beizmethoden, bei denen man vergebens nach dem Warum? fragt,
Methoden, welche lediglich durch die Gewohnheit ſanktioniert ſind, denen
aber eine wiſſenſchaftliche Baſis durchaus fehlt. Es liegt das wohl zum
Teil an den völlig unklaren Begriffen über den eigentlichen Beizprozeß und
der dabei ſich abſpielenden chemiſchen Vorgänge. Ich bin der feſten Ueber-
zeugung, daß mit der fortſchreitenden Erkenntnis des Charakters, welche die
Faſern dabei annehmen und der Rolle, welche ſie dabei ſpielen, auch ſich
allgemein gültige Regeln für das Beizen ergeben werden, und daß auf dem
praktiſchen Gebiet des Beizens manches jetzt noch gültige Verfahren als ver-
altet und vernunftwidrig wird beiſeite geſchoben werden. So lange wir zu
dieſen allgemeinen Grundſätzen noch nicht gelangt ſind, muß freilich auf dem
bisherigen Fundament weiter gebaut werden.

Ganswindt, Färberei. 32
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[497/0545] die Ameiſenſäure lenken, deren Salze noch leichter zerſetzbar ſind, als die der Eſſigſäure, und die ſich daher mindeſtens ebenſogut empfehlen dürfte, als die Eſſigſäure. Auch in dieſem Falle ſpielt die Faſer die Rolle einer Säure. In allen den Fällen, wo es ſich um Fixierung eines ſauren Farb- ſtoffes handelt, würde alſo die Beizung mit Metallſalzen am Platze ſein. Handelt es ſich hingegen um Fixierung eines rein baſiſchen oder eines neutralen Farbſtoffes, deſſen Färbekraft in der Farbſtoffbaſe liegt und der die Faſer direkt nicht zu färben vermag, ſo muß als Beizmittel eine Säure angewendet werden, oder ſaure Salze, welche ſich beim Kochen in Gegen- wart von Gewebefaſern in neutrale Salze und freie Säure zerlegen, welche durch die in dieſem Falle als Baſe wirkende Faſer gebunden wird; als ſolche Säuren wirken Schwefelſäure, Weinſäure, Gerbſäure, Oelſäure und Oxalſäure oder deren ſaure Salze: doppelt ſchwefelſaures Natron, Wein- ſtein und Kleeſalz. Auch die Chromſäure und die Zinnſäure gehören hier- her. Welchen Charakter den letzteren Säuren gegenüber die Faſern ein- nehmen, iſt noch nicht völlig klar feſtgeſtellt, was mit dadurch bedingt wird, daß die Stellung dieſer Säuren ſelbſt, reſp. deren Reduktion in Chromoxyd- und Zinnſalze einen ſicheren Nachweis ſehr erſchwert. Es ſcheint, wenn man nach allgemeinen Grundſätzen forſcht, ſich zu ergeben, daß die animaliſchen Faſern vorzugsweiſe mittels ſaurer Beizen, die vegetabiliſchen mittels metalliſcher, reſp. baſiſcher Beizen behandelt wer- den müſſen. Es entſpräche das auch ihrem chemiſchen Charakter, denn Wolle und Seide löſen ſich in verdünnten Alkalien, können mithin auch nicht mit alkaliſchen Beizen behandelt werden; Baumwolle und Leinen dagegen ver- tragen ſelbſt ſtarke alkaliſche Beizen, werden dagegen ſchon von ſchwachen Mineralſäuren, beſonders beim Erwärmen, angegriffen reſp. zerſtört; dagegen iſt bei Pflanzenfaſern Gerbſäure als Beize angebracht. Wir ſehen auch hier wieder deutlich zwei Klaſſen von Beizen, wie wir in gleicher Weiſe zwei Klaſſen von Farbſtoffen unterſcheiden konnten; man könnte ſie gewiſſermaßen als Wollbeizen und Baumwollbeizen unter- ſcheiden; doch iſt die Grenze hier noch viel weniger ſcharf, wie bei den Farb- ſtoffen und es gibt mehrere Beizen, welche ſowohl auf Tier- wie auf Pflanzen- faſern angewendet werden, z. B. Alaun. Gewiſſe allgemein gültige Grundſätze, betreffend Verwendung der Beizen, laſſen ſich zur Zeit noch nicht aufſtellen, da es noch an exakten Unterſuchungen auf dieſem Gebiete fehlt. In der Färberei wird beim Beizen meiſt rein empiriſch verfahren; von einem ſyſtematiſchen Vorgehen iſt gar keine Rede. Es gibt Beizmethoden, bei denen man vergebens nach dem Warum? fragt, Methoden, welche lediglich durch die Gewohnheit ſanktioniert ſind, denen aber eine wiſſenſchaftliche Baſis durchaus fehlt. Es liegt das wohl zum Teil an den völlig unklaren Begriffen über den eigentlichen Beizprozeß und der dabei ſich abſpielenden chemiſchen Vorgänge. Ich bin der feſten Ueber- zeugung, daß mit der fortſchreitenden Erkenntnis des Charakters, welche die Faſern dabei annehmen und der Rolle, welche ſie dabei ſpielen, auch ſich allgemein gültige Regeln für das Beizen ergeben werden, und daß auf dem praktiſchen Gebiet des Beizens manches jetzt noch gültige Verfahren als ver- altet und vernunftwidrig wird beiſeite geſchoben werden. So lange wir zu dieſen allgemeinen Grundſätzen noch nicht gelangt ſind, muß freilich auf dem bisherigen Fundament weiter gebaut werden. Ganswindt, Färberei. 32

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Zitationshilfe: Ganswindt, Albert: Handbuch der Färberei und der damit verwandten vorbereitenden und vollendenden Gewerbe. Weimar, 1889, S. 497. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ganswindt_faerberei_1889/545>, abgerufen am 22.11.2024.