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Ganswindt, Albert: Handbuch der Färberei und der damit verwandten vorbereitenden und vollendenden Gewerbe. Weimar, 1889.

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bei solchen Versuchen sein Wissen bereichert, sind unbezahlbar; und somit ist
nichts verloren, weder Mühe, Zeit, noch Geld!

Ich hätte im Interesse des Berufes der Färber keinen höheren Wunsch,
als daß Jeder seine Kenntnisse auf Grund solcher Versuche zu erweitern be-
strebt wäre; es würde dadurch am sichersten jenem Proletariat in der Färber-
welt gesteuert, welches jetzt so üppig ins Kraut schießt, jene halbfertigen
Existenzen, die von Allem etwas wissen, aber von Keinem etwas Gescheidtes;
die nichts gelernt haben und die Farbstoffe unausgenützt centnerweise ins
Meer laufen lassen. Ich male keineswegs zu schwarz! Z. B. wandte sich
kürzlich ein Herr an mich mit der Bitte, ihm doch ein Schwarz auf Baum-
wollgewebe mitzuteilen; er habe noch niemals Baumwolle schwarz gefärbt,
möchte sich aber seinem Auftraggeber gegenüber nicht blamieren. Das würde
an sich noch nichts Schlimmes sein; aber der Brief war unterzeichnet:
N. N. Färber meister. Ein Anderer bat um ein Verfahren, Wolle ohne
Küpe indigblau zu färben; wenn er das nicht könne, käme er um seine
Stelle. Auch dieser Edle besaß den Freimut, sich als "Meister" zu unter-
zeichnen. Diese beiden Beispiele mögen genügen; sie kennzeichnen das oben
angedeutete Proletariat zur Genüge. Gott bewahre die Färberei vor
solchen Meistern
!

Erfahrungen, die ein Färber an Hand solcher Versuche macht, werden
ihn auch befähigen, sich seine Färbevorschriften selber zusammenzustellen und sich
von den Rezepten Anderer zu emanzipieren. Nur die weitgehende Unkennt-
nis, die im Färbereigewerbe in einer besorgniserregenden Zunahme begriffen
ist, ermöglicht es, daß heutzutage ein schwungvoller Handel mit Rezepten
getrieben wird, der obenein noch den moralischen Nachteil für die Färberei
besitzt, daß er die des Handwerks Beflissenen in dem Glauben bestärkt, daß
sie die jahrelangen Erfahrungen Anderer gegen ein billiges Honorar sich zu
nutze machen und somit eigener Erfahrungen entraten könnten. Und da
passiert es denn sehr oft, daß ein Käufer solcher Rezepte nicht weiß, was er
damit anfangen soll.

Kehren wir nach dieser ethischen Abschweifung zur Sache zurück. Das
oben ausführlich durchgeführte Beispiel umfaßt nur einen Teil der zu lösen-
den Aufgabe. Was sonst noch erforscht sein will, muß auf Grund ähnlicher
exakter und gewissenhafter Methoden untersucht werden; nur bedürfen für
jeden besonderen Fall die Versuchsreihen und die Versuchsbedingungen einer
entsprechenden Abänderung. Hier noch ein kleines und kurzes Beispiel. Um
die Lichtechtheit irgend einer Färbung im Vergleich zu ähnlichen
mittels eines anderen Farbstoffes erzeugten Farbtönen zu erproben, wird
man wohl thun, die betreffenden Vergleichsobjekte (z. B. Alizarinblau,
Indigokarmin, Alkaliblau und Viktoriablau) gleichzeitig nebeneinander frisch
herzustellen und nach dem Spülen und Trocknen in zwei gleiche Teile zu
teilen. Die einen Hälften werden an einem trockenen und schattigen Ort,
etwa zwischen den Blättern eines Buches aufbewahrt und dienen zum Ver-
gleich; die anderen Hälften werden mit kleinen Zwischenräumen nebeneinander
an einem Faden befestigt und eine Zeitlang (gewöhnlich 3 bis 4 Wochen)
dem Licht -- Sonnenlicht oder zerstreutes Tageslicht -- ausgesetzt. Dadurch
wird erreicht, daß bei allen Versuchsobjekten die Art und die Dauer der
Belichtung eine gleiche ist
. Nach Ablauf der Versuchszeit werden die
belichteten Muster mit den Reservemustern verglichen und der durch die Licht-
einwirkung bewirkte Verlust geschätzt. Will man den Verlust ziffermäßig

bei ſolchen Verſuchen ſein Wiſſen bereichert, ſind unbezahlbar; und ſomit iſt
nichts verloren, weder Mühe, Zeit, noch Geld!

Ich hätte im Intereſſe des Berufes der Färber keinen höheren Wunſch,
als daß Jeder ſeine Kenntniſſe auf Grund ſolcher Verſuche zu erweitern be-
ſtrebt wäre; es würde dadurch am ſicherſten jenem Proletariat in der Färber-
welt geſteuert, welches jetzt ſo üppig ins Kraut ſchießt, jene halbfertigen
Exiſtenzen, die von Allem etwas wiſſen, aber von Keinem etwas Geſcheidtes;
die nichts gelernt haben und die Farbſtoffe unausgenützt centnerweiſe ins
Meer laufen laſſen. Ich male keineswegs zu ſchwarz! Z. B. wandte ſich
kürzlich ein Herr an mich mit der Bitte, ihm doch ein Schwarz auf Baum-
wollgewebe mitzuteilen; er habe noch niemals Baumwolle ſchwarz gefärbt,
möchte ſich aber ſeinem Auftraggeber gegenüber nicht blamieren. Das würde
an ſich noch nichts Schlimmes ſein; aber der Brief war unterzeichnet:
N. N. Färber meiſter. Ein Anderer bat um ein Verfahren, Wolle ohne
Küpe indigblau zu färben; wenn er das nicht könne, käme er um ſeine
Stelle. Auch dieſer Edle beſaß den Freimut, ſich als „Meiſter“ zu unter-
zeichnen. Dieſe beiden Beiſpiele mögen genügen; ſie kennzeichnen das oben
angedeutete Proletariat zur Genüge. Gott bewahre die Färberei vor
ſolchen Meiſtern
!

Erfahrungen, die ein Färber an Hand ſolcher Verſuche macht, werden
ihn auch befähigen, ſich ſeine Färbevorſchriften ſelber zuſammenzuſtellen und ſich
von den Rezepten Anderer zu emanzipieren. Nur die weitgehende Unkennt-
nis, die im Färbereigewerbe in einer beſorgniserregenden Zunahme begriffen
iſt, ermöglicht es, daß heutzutage ein ſchwungvoller Handel mit Rezepten
getrieben wird, der obenein noch den moraliſchen Nachteil für die Färberei
beſitzt, daß er die des Handwerks Befliſſenen in dem Glauben beſtärkt, daß
ſie die jahrelangen Erfahrungen Anderer gegen ein billiges Honorar ſich zu
nutze machen und ſomit eigener Erfahrungen entraten könnten. Und da
paſſiert es denn ſehr oft, daß ein Käufer ſolcher Rezepte nicht weiß, was er
damit anfangen ſoll.

Kehren wir nach dieſer ethiſchen Abſchweifung zur Sache zurück. Das
oben ausführlich durchgeführte Beiſpiel umfaßt nur einen Teil der zu löſen-
den Aufgabe. Was ſonſt noch erforſcht ſein will, muß auf Grund ähnlicher
exakter und gewiſſenhafter Methoden unterſucht werden; nur bedürfen für
jeden beſonderen Fall die Verſuchsreihen und die Verſuchsbedingungen einer
entſprechenden Abänderung. Hier noch ein kleines und kurzes Beiſpiel. Um
die Lichtechtheit irgend einer Färbung im Vergleich zu ähnlichen
mittels eines anderen Farbſtoffes erzeugten Farbtönen zu erproben, wird
man wohl thun, die betreffenden Vergleichsobjekte (z. B. Alizarinblau,
Indigokarmin, Alkaliblau und Viktoriablau) gleichzeitig nebeneinander friſch
herzuſtellen und nach dem Spülen und Trocknen in zwei gleiche Teile zu
teilen. Die einen Hälften werden an einem trockenen und ſchattigen Ort,
etwa zwiſchen den Blättern eines Buches aufbewahrt und dienen zum Ver-
gleich; die anderen Hälften werden mit kleinen Zwiſchenräumen nebeneinander
an einem Faden befeſtigt und eine Zeitlang (gewöhnlich 3 bis 4 Wochen)
dem Licht — Sonnenlicht oder zerſtreutes Tageslicht — ausgeſetzt. Dadurch
wird erreicht, daß bei allen Verſuchsobjekten die Art und die Dauer der
Belichtung eine gleiche iſt
. Nach Ablauf der Verſuchszeit werden die
belichteten Muſter mit den Reſervemuſtern verglichen und der durch die Licht-
einwirkung bewirkte Verluſt geſchätzt. Will man den Verluſt ziffermäßig

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[637/0685] bei ſolchen Verſuchen ſein Wiſſen bereichert, ſind unbezahlbar; und ſomit iſt nichts verloren, weder Mühe, Zeit, noch Geld! Ich hätte im Intereſſe des Berufes der Färber keinen höheren Wunſch, als daß Jeder ſeine Kenntniſſe auf Grund ſolcher Verſuche zu erweitern be- ſtrebt wäre; es würde dadurch am ſicherſten jenem Proletariat in der Färber- welt geſteuert, welches jetzt ſo üppig ins Kraut ſchießt, jene halbfertigen Exiſtenzen, die von Allem etwas wiſſen, aber von Keinem etwas Geſcheidtes; die nichts gelernt haben und die Farbſtoffe unausgenützt centnerweiſe ins Meer laufen laſſen. Ich male keineswegs zu ſchwarz! Z. B. wandte ſich kürzlich ein Herr an mich mit der Bitte, ihm doch ein Schwarz auf Baum- wollgewebe mitzuteilen; er habe noch niemals Baumwolle ſchwarz gefärbt, möchte ſich aber ſeinem Auftraggeber gegenüber nicht blamieren. Das würde an ſich noch nichts Schlimmes ſein; aber der Brief war unterzeichnet: N. N. Färber meiſter. Ein Anderer bat um ein Verfahren, Wolle ohne Küpe indigblau zu färben; wenn er das nicht könne, käme er um ſeine Stelle. Auch dieſer Edle beſaß den Freimut, ſich als „Meiſter“ zu unter- zeichnen. Dieſe beiden Beiſpiele mögen genügen; ſie kennzeichnen das oben angedeutete Proletariat zur Genüge. Gott bewahre die Färberei vor ſolchen Meiſtern! Erfahrungen, die ein Färber an Hand ſolcher Verſuche macht, werden ihn auch befähigen, ſich ſeine Färbevorſchriften ſelber zuſammenzuſtellen und ſich von den Rezepten Anderer zu emanzipieren. Nur die weitgehende Unkennt- nis, die im Färbereigewerbe in einer beſorgniserregenden Zunahme begriffen iſt, ermöglicht es, daß heutzutage ein ſchwungvoller Handel mit Rezepten getrieben wird, der obenein noch den moraliſchen Nachteil für die Färberei beſitzt, daß er die des Handwerks Befliſſenen in dem Glauben beſtärkt, daß ſie die jahrelangen Erfahrungen Anderer gegen ein billiges Honorar ſich zu nutze machen und ſomit eigener Erfahrungen entraten könnten. Und da paſſiert es denn ſehr oft, daß ein Käufer ſolcher Rezepte nicht weiß, was er damit anfangen ſoll. Kehren wir nach dieſer ethiſchen Abſchweifung zur Sache zurück. Das oben ausführlich durchgeführte Beiſpiel umfaßt nur einen Teil der zu löſen- den Aufgabe. Was ſonſt noch erforſcht ſein will, muß auf Grund ähnlicher exakter und gewiſſenhafter Methoden unterſucht werden; nur bedürfen für jeden beſonderen Fall die Verſuchsreihen und die Verſuchsbedingungen einer entſprechenden Abänderung. Hier noch ein kleines und kurzes Beiſpiel. Um die Lichtechtheit irgend einer Färbung im Vergleich zu ähnlichen mittels eines anderen Farbſtoffes erzeugten Farbtönen zu erproben, wird man wohl thun, die betreffenden Vergleichsobjekte (z. B. Alizarinblau, Indigokarmin, Alkaliblau und Viktoriablau) gleichzeitig nebeneinander friſch herzuſtellen und nach dem Spülen und Trocknen in zwei gleiche Teile zu teilen. Die einen Hälften werden an einem trockenen und ſchattigen Ort, etwa zwiſchen den Blättern eines Buches aufbewahrt und dienen zum Ver- gleich; die anderen Hälften werden mit kleinen Zwiſchenräumen nebeneinander an einem Faden befeſtigt und eine Zeitlang (gewöhnlich 3 bis 4 Wochen) dem Licht — Sonnenlicht oder zerſtreutes Tageslicht — ausgeſetzt. Dadurch wird erreicht, daß bei allen Verſuchsobjekten die Art und die Dauer der Belichtung eine gleiche iſt. Nach Ablauf der Verſuchszeit werden die belichteten Muſter mit den Reſervemuſtern verglichen und der durch die Licht- einwirkung bewirkte Verluſt geſchätzt. Will man den Verluſt ziffermäßig

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Zitationshilfe: Ganswindt, Albert: Handbuch der Färberei und der damit verwandten vorbereitenden und vollendenden Gewerbe. Weimar, 1889, S. 637. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ganswindt_faerberei_1889/685>, abgerufen am 22.11.2024.