die Dinge und Menschen, als Regeln, sie besser zu machen: aber es sind solche, die jeder, sobald er sie hört, als bekannt ansehen, die jeder, auch wenn er kein großer Beobachter ist, durch seine eigne Erfahrung rechtfertigen kann. Die Erzäh- lung ist lebhaft, voller Munterkeit und eines ein- nehmenden Scherzes: aber kein einziger witziger Einfall, den es Mühe kostete zu erklären; keine scharssinnige Sentenz, deren verborgener Sinn erst durch einen ähnlichen Scharfsinn entdeckt werden müßte. Die Poesie des Styls ist in ih- rer Art die vollkommenste, die seyn kann; kein Zwang, nicht die geringste Abweichung von der Richtigkeit des Sinns und der Genanigkeit des Ausdrucks um des Sylbenmaaßes willen, allent- halben die eigentlichsten Wörter, keine neugemach- te Redensart, keine fremde Wendung, alles mit- ten aus dem gemeinsten Sprachgebrauche heraus- genommen, lauter Ausdrücke, die jedermann im Munde führet, und doch alle edel, ihrem Ge- genstande angemessen, und in der Verbindung neu.
deſſen Schriften und Charakter.
die Dinge und Menſchen, als Regeln, ſie beſſer zu machen: aber es ſind ſolche, die jeder, ſobald er ſie hoͤrt, als bekannt anſehen, die jeder, auch wenn er kein großer Beobachter iſt, durch ſeine eigne Erfahrung rechtfertigen kann. Die Erzaͤh- lung iſt lebhaft, voller Munterkeit und eines ein- nehmenden Scherzes: aber kein einziger witziger Einfall, den es Muͤhe koſtete zu erklaͤren; keine ſcharſſinnige Sentenz, deren verborgener Sinn erſt durch einen aͤhnlichen Scharfſinn entdeckt werden muͤßte. Die Poeſie des Styls iſt in ih- rer Art die vollkommenſte, die ſeyn kann; kein Zwang, nicht die geringſte Abweichung von der Richtigkeit des Sinns und der Genanigkeit des Ausdrucks um des Sylbenmaaßes willen, allent- halben die eigentlichſten Woͤrter, keine neugemach- te Redensart, keine fremde Wendung, alles mit- ten aus dem gemeinſten Sprachgebrauche heraus- genommen, lauter Ausdruͤcke, die jedermann im Munde fuͤhret, und doch alle edel, ihrem Ge- genſtande angemeſſen, und in der Verbindung neu.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0211"n="205"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">deſſen Schriften und Charakter.</hi></fw><lb/>
die Dinge und Menſchen, als Regeln, ſie beſſer<lb/>
zu machen: aber es ſind ſolche, die jeder, ſobald<lb/>
er ſie hoͤrt, als bekannt anſehen, die jeder, auch<lb/>
wenn er kein großer Beobachter iſt, durch ſeine<lb/>
eigne Erfahrung rechtfertigen kann. Die Erzaͤh-<lb/>
lung iſt lebhaft, voller Munterkeit und eines ein-<lb/>
nehmenden Scherzes: aber kein einziger witziger<lb/>
Einfall, den es Muͤhe koſtete zu erklaͤren; keine<lb/>ſcharſſinnige Sentenz, deren verborgener Sinn<lb/>
erſt durch einen aͤhnlichen Scharfſinn entdeckt<lb/>
werden muͤßte. Die Poeſie des Styls iſt in ih-<lb/>
rer Art die vollkommenſte, die ſeyn kann; kein<lb/>
Zwang, nicht die geringſte Abweichung von der<lb/>
Richtigkeit des Sinns und der Genanigkeit des<lb/>
Ausdrucks um des Sylbenmaaßes willen, allent-<lb/>
halben die eigentlichſten Woͤrter, keine neugemach-<lb/>
te Redensart, keine fremde Wendung, alles mit-<lb/>
ten aus dem gemeinſten Sprachgebrauche heraus-<lb/>
genommen, lauter Ausdruͤcke, die jedermann im<lb/>
Munde fuͤhret, und doch alle edel, ihrem Ge-<lb/>
genſtande angemeſſen, und in der Verbindung<lb/>
neu.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[205/0211]
deſſen Schriften und Charakter.
die Dinge und Menſchen, als Regeln, ſie beſſer
zu machen: aber es ſind ſolche, die jeder, ſobald
er ſie hoͤrt, als bekannt anſehen, die jeder, auch
wenn er kein großer Beobachter iſt, durch ſeine
eigne Erfahrung rechtfertigen kann. Die Erzaͤh-
lung iſt lebhaft, voller Munterkeit und eines ein-
nehmenden Scherzes: aber kein einziger witziger
Einfall, den es Muͤhe koſtete zu erklaͤren; keine
ſcharſſinnige Sentenz, deren verborgener Sinn
erſt durch einen aͤhnlichen Scharfſinn entdeckt
werden muͤßte. Die Poeſie des Styls iſt in ih-
rer Art die vollkommenſte, die ſeyn kann; kein
Zwang, nicht die geringſte Abweichung von der
Richtigkeit des Sinns und der Genanigkeit des
Ausdrucks um des Sylbenmaaßes willen, allent-
halben die eigentlichſten Woͤrter, keine neugemach-
te Redensart, keine fremde Wendung, alles mit-
ten aus dem gemeinſten Sprachgebrauche heraus-
genommen, lauter Ausdruͤcke, die jedermann im
Munde fuͤhret, und doch alle edel, ihrem Ge-
genſtande angemeſſen, und in der Verbindung
neu.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/211>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.