Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

dessen Schriften und Charakter.
gleich so geneigt, jeden Anspruch eines andern,
jedes Vorrecht gelten zu lassen, daß er auch dem
bloßen Stande eine ausnehmende Ehrerbietung
und Achtung bewies. Er war überhaupt weit
mehr geneigt, sich allen einmal gemachten Ein-
richtungen der Welt, des Staates, oder seines
Standes, zu unterwerfen, und von ihnen den
besten Gebrauch zu machen, als sie, wo er sie
auch für fehlerhaft erkannte, zu ändern. Die
Personen, die über ihm waren, hielt er gemei-
niglich auch für weiser und einsichtsvoller, als
sich. Die Obrigkeit, die Gewalt über ihn hatte,
sah er fast immer als eine gerechte und gütige
Obrigkeit an. Vielleicht hatte er gegen solche
Verbesserungen, die ohne große Aenderungen nicht
geschehen können, allzuviel Mißtrauen, und von
der Güte der Anordnungen, die schon vorhanden
sind, einen zu vortheilhaften Begriff. Aber eben
der Gehorsam gegen alles, was den Anschein von
Gesetz und Pflicht hatte, eben die Unterwerfung
seiner eignen Einsichten und Neigungen unter alle
göttlichen und menschlichen Vorschriften, welche

Q 3

deſſen Schriften und Charakter.
gleich ſo geneigt, jeden Anſpruch eines andern,
jedes Vorrecht gelten zu laſſen, daß er auch dem
bloßen Stande eine ausnehmende Ehrerbietung
und Achtung bewies. Er war uͤberhaupt weit
mehr geneigt, ſich allen einmal gemachten Ein-
richtungen der Welt, des Staates, oder ſeines
Standes, zu unterwerfen, und von ihnen den
beſten Gebrauch zu machen, als ſie, wo er ſie
auch fuͤr fehlerhaft erkannte, zu aͤndern. Die
Perſonen, die uͤber ihm waren, hielt er gemei-
niglich auch fuͤr weiſer und einſichtsvoller, als
ſich. Die Obrigkeit, die Gewalt uͤber ihn hatte,
ſah er faſt immer als eine gerechte und guͤtige
Obrigkeit an. Vielleicht hatte er gegen ſolche
Verbeſſerungen, die ohne große Aenderungen nicht
geſchehen koͤnnen, allzuviel Mißtrauen, und von
der Guͤte der Anordnungen, die ſchon vorhanden
ſind, einen zu vortheilhaften Begriff. Aber eben
der Gehorſam gegen alles, was den Anſchein von
Geſetz und Pflicht hatte, eben die Unterwerfung
ſeiner eignen Einſichten und Neigungen unter alle
goͤttlichen und menſchlichen Vorſchriften, welche

Q 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0251" n="245"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">de&#x017F;&#x017F;en Schriften und Charakter.</hi></fw><lb/>
gleich &#x017F;o geneigt, jeden An&#x017F;pruch eines andern,<lb/>
jedes Vorrecht gelten zu la&#x017F;&#x017F;en, daß er auch dem<lb/>
bloßen Stande eine ausnehmende Ehrerbietung<lb/>
und Achtung bewies. Er war u&#x0364;berhaupt weit<lb/>
mehr geneigt, &#x017F;ich allen einmal gemachten Ein-<lb/>
richtungen der Welt, des Staates, oder &#x017F;eines<lb/>
Standes, zu unterwerfen, und von ihnen den<lb/>
be&#x017F;ten Gebrauch zu machen, als &#x017F;ie, wo er &#x017F;ie<lb/>
auch fu&#x0364;r fehlerhaft erkannte, zu a&#x0364;ndern. Die<lb/>
Per&#x017F;onen, die u&#x0364;ber ihm waren, hielt er gemei-<lb/>
niglich auch fu&#x0364;r wei&#x017F;er und ein&#x017F;ichtsvoller, als<lb/>
&#x017F;ich. Die Obrigkeit, die Gewalt u&#x0364;ber ihn hatte,<lb/>
&#x017F;ah er fa&#x017F;t immer als eine gerechte und gu&#x0364;tige<lb/>
Obrigkeit an. Vielleicht hatte er gegen &#x017F;olche<lb/>
Verbe&#x017F;&#x017F;erungen, die ohne große Aenderungen nicht<lb/>
ge&#x017F;chehen ko&#x0364;nnen, allzuviel Mißtrauen, und von<lb/>
der Gu&#x0364;te der Anordnungen, die &#x017F;chon vorhanden<lb/>
&#x017F;ind, einen zu vortheilhaften Begriff. Aber eben<lb/>
der Gehor&#x017F;am gegen alles, was den An&#x017F;chein von<lb/>
Ge&#x017F;etz und Pflicht hatte, eben die Unterwerfung<lb/>
&#x017F;einer eignen Ein&#x017F;ichten und Neigungen unter alle<lb/>
go&#x0364;ttlichen und men&#x017F;chlichen Vor&#x017F;chriften, welche<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Q 3</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[245/0251] deſſen Schriften und Charakter. gleich ſo geneigt, jeden Anſpruch eines andern, jedes Vorrecht gelten zu laſſen, daß er auch dem bloßen Stande eine ausnehmende Ehrerbietung und Achtung bewies. Er war uͤberhaupt weit mehr geneigt, ſich allen einmal gemachten Ein- richtungen der Welt, des Staates, oder ſeines Standes, zu unterwerfen, und von ihnen den beſten Gebrauch zu machen, als ſie, wo er ſie auch fuͤr fehlerhaft erkannte, zu aͤndern. Die Perſonen, die uͤber ihm waren, hielt er gemei- niglich auch fuͤr weiſer und einſichtsvoller, als ſich. Die Obrigkeit, die Gewalt uͤber ihn hatte, ſah er faſt immer als eine gerechte und guͤtige Obrigkeit an. Vielleicht hatte er gegen ſolche Verbeſſerungen, die ohne große Aenderungen nicht geſchehen koͤnnen, allzuviel Mißtrauen, und von der Guͤte der Anordnungen, die ſchon vorhanden ſind, einen zu vortheilhaften Begriff. Aber eben der Gehorſam gegen alles, was den Anſchein von Geſetz und Pflicht hatte, eben die Unterwerfung ſeiner eignen Einſichten und Neigungen unter alle goͤttlichen und menſchlichen Vorſchriften, welche Q 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/251
Zitationshilfe: Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/251>, abgerufen am 22.11.2024.