Er veränderte daher in seinen Umständen und Einrichtungen wenig. Und so wie dieß in der That das Zeichen einer ruhigen und gesunden Seele ist, so ist es doch zuweilen eine Hinderniß der Verbesserung seiner Umstände.
Da er von den Vorzügen oder Vergnügun- gen, die man für Geld haben kann, einen so ge- ringen Theil verlangte, so bedurfte er auch keiner großen Einkünfte. So mäßig die seinigen auch bis an sein Ende waren: so hatte er doch auch diese nicht gesucht; und sie reichten nicht bloß für ihn zu, sondern seine Mäßigkeit konnte noch ei- nen guten Theil davon zu Wohlthaten bey Seite legen. Keine kräftigere Stütze kann die Tugend und Religion haben, als die Gleichgültigkeit gegen Rang und Vermögen. Diese Gegenstände, wenn sie einmal in der Seele Eindruck gemacht haben, verlangen eine viel zu anhaltende Geschäftigkeit, bringen viel zu viel andre Leidenschaften ins Spiel, als daß der Seele Kraft und Zeit sollte übrig blei- ben, für die Rechtmäßigkeit jeder Handlung und für ihre innere Vollkommenheit zu sorgen. Ueber-
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deſſen Schriften und Charakter.
Er veraͤnderte daher in ſeinen Umſtaͤnden und Einrichtungen wenig. Und ſo wie dieß in der That das Zeichen einer ruhigen und geſunden Seele iſt, ſo iſt es doch zuweilen eine Hinderniß der Verbeſſerung ſeiner Umſtaͤnde.
Da er von den Vorzuͤgen oder Vergnuͤgun- gen, die man fuͤr Geld haben kann, einen ſo ge- ringen Theil verlangte, ſo bedurfte er auch keiner großen Einkuͤnfte. So maͤßig die ſeinigen auch bis an ſein Ende waren: ſo hatte er doch auch dieſe nicht geſucht; und ſie reichten nicht bloß fuͤr ihn zu, ſondern ſeine Maͤßigkeit konnte noch ei- nen guten Theil davon zu Wohlthaten bey Seite legen. Keine kraͤftigere Stuͤtze kann die Tugend und Religion haben, als die Gleichguͤltigkeit gegen Rang und Vermoͤgen. Dieſe Gegenſtaͤnde, wenn ſie einmal in der Seele Eindruck gemacht haben, verlangen eine viel zu anhaltende Geſchaͤftigkeit, bringen viel zu viel andre Leidenſchaften ins Spiel, als daß der Seele Kraft und Zeit ſollte uͤbrig blei- ben, fuͤr die Rechtmaͤßigkeit jeder Handlung und fuͤr ihre innere Vollkommenheit zu ſorgen. Ueber-
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deſſen Schriften und Charakter.
Er veraͤnderte daher in ſeinen Umſtaͤnden und
Einrichtungen wenig. Und ſo wie dieß in der
That das Zeichen einer ruhigen und geſunden
Seele iſt, ſo iſt es doch zuweilen eine Hinderniß
der Verbeſſerung ſeiner Umſtaͤnde.
Da er von den Vorzuͤgen oder Vergnuͤgun-
gen, die man fuͤr Geld haben kann, einen ſo ge-
ringen Theil verlangte, ſo bedurfte er auch keiner
großen Einkuͤnfte. So maͤßig die ſeinigen auch
bis an ſein Ende waren: ſo hatte er doch auch
dieſe nicht geſucht; und ſie reichten nicht bloß fuͤr
ihn zu, ſondern ſeine Maͤßigkeit konnte noch ei-
nen guten Theil davon zu Wohlthaten bey Seite
legen. Keine kraͤftigere Stuͤtze kann die Tugend
und Religion haben, als die Gleichguͤltigkeit gegen
Rang und Vermoͤgen. Dieſe Gegenſtaͤnde, wenn
ſie einmal in der Seele Eindruck gemacht haben,
verlangen eine viel zu anhaltende Geſchaͤftigkeit,
bringen viel zu viel andre Leidenſchaften ins Spiel,
als daß der Seele Kraft und Zeit ſollte uͤbrig blei-
ben, fuͤr die Rechtmaͤßigkeit jeder Handlung und
fuͤr ihre innere Vollkommenheit zu ſorgen. Ueber-
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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/253>, abgerufen am 22.11.2024.
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