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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.

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Einige Gedanken
zusammengesezt, weit mannichfaltiger in den Ar-
ten, durch welche sie dasselbe abgeändert hat. Je-
des Ding in der Natur ist ein Gewebe von unzäh-
lichen Theilen; eine Mischung von unendlich viel
Beschaffenheiten, und diese alle wieder auf alle
mögliche Weise bestimmt: jedes Ding der bloßen
Imagination hingegen ist fast immer nur eine
Zusammensetzung aus zwo, drey allgemeinen Ei-
genschaften, die man in einem Uebermaße nimmt,
in welchem sie keine besondern Bestimmungen, kei-
ne Einschränkungen leiden. Alle diese Geschöpfe
der mythologischen und Feyen-Welt sind im Grun-
de wirklich nur abstrakte Begriffe. Es ist Macht,
oder Größe, oder Geschwindigkeit, oder irgend
eine andere solche Eigenschaft allein, im höchsten
Grade gedacht, die den Namen Jupiter oder Obe-
ron bekömmt. Ferner sind die Verschiedenheiten
der natürlichen Gegenstände in derselben Gattung
unzählich. Unter der Menge von Beschaffenhei-
ten, die ihre Individualität ausmachen, darf nur
eine einzige abgeändert werden, so stimmt sich
das ganze System um, und das Gemeinschaftliche

Einige Gedanken
zuſammengeſezt, weit mannichfaltiger in den Ar-
ten, durch welche ſie daſſelbe abgeaͤndert hat. Je-
des Ding in der Natur iſt ein Gewebe von unzaͤh-
lichen Theilen; eine Miſchung von unendlich viel
Beſchaffenheiten, und dieſe alle wieder auf alle
moͤgliche Weiſe beſtimmt: jedes Ding der bloßen
Imagination hingegen iſt faſt immer nur eine
Zuſammenſetzung aus zwo, drey allgemeinen Ei-
genſchaften, die man in einem Uebermaße nimmt,
in welchem ſie keine beſondern Beſtimmungen, kei-
ne Einſchraͤnkungen leiden. Alle dieſe Geſchoͤpfe
der mythologiſchen und Feyen-Welt ſind im Grun-
de wirklich nur abſtrakte Begriffe. Es iſt Macht,
oder Groͤße, oder Geſchwindigkeit, oder irgend
eine andere ſolche Eigenſchaft allein, im hoͤchſten
Grade gedacht, die den Namen Jupiter oder Obe-
ron bekoͤmmt. Ferner ſind die Verſchiedenheiten
der natuͤrlichen Gegenſtaͤnde in derſelben Gattung
unzaͤhlich. Unter der Menge von Beſchaffenhei-
ten, die ihre Individualitaͤt ausmachen, darf nur
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[268[278]/0284] Einige Gedanken zuſammengeſezt, weit mannichfaltiger in den Ar- ten, durch welche ſie daſſelbe abgeaͤndert hat. Je- des Ding in der Natur iſt ein Gewebe von unzaͤh- lichen Theilen; eine Miſchung von unendlich viel Beſchaffenheiten, und dieſe alle wieder auf alle moͤgliche Weiſe beſtimmt: jedes Ding der bloßen Imagination hingegen iſt faſt immer nur eine Zuſammenſetzung aus zwo, drey allgemeinen Ei- genſchaften, die man in einem Uebermaße nimmt, in welchem ſie keine beſondern Beſtimmungen, kei- ne Einſchraͤnkungen leiden. Alle dieſe Geſchoͤpfe der mythologiſchen und Feyen-Welt ſind im Grun- de wirklich nur abſtrakte Begriffe. Es iſt Macht, oder Groͤße, oder Geſchwindigkeit, oder irgend eine andere ſolche Eigenſchaft allein, im hoͤchſten Grade gedacht, die den Namen Jupiter oder Obe- ron bekoͤmmt. Ferner ſind die Verſchiedenheiten der natuͤrlichen Gegenſtaͤnde in derſelben Gattung unzaͤhlich. Unter der Menge von Beſchaffenhei- ten, die ihre Individualitaͤt ausmachen, darf nur eine einzige abgeaͤndert werden, ſo ſtimmt ſich das ganze Syſtem um, und das Gemeinſchaftliche

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Zitationshilfe: Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 268[278]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/284>, abgerufen am 11.05.2024.