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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.

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über das Interessirende.
unsrer natürlichen Gleichheit vergessen ließe: wo-
zu würde dieß anders dienen, als uns gegen das
Schicksal dieser höhern Wesen gleichgültiger zu
machen? Ja eben dieß, daß der Dichter sich ver-
bunden hält, Könige und Fürsten die höchste
Sprache der Poesie reden zu lassen, eine Sprache,
die sehr einförmig ist, und die meisten Verschie-
denheiten der Charaktere und der Denkungsarten
unter einem immer gleichen Pompe verbirgt; eben
dieß, daß man den höhern Stand nicht anders als
durch ein gewisses Gepränge kenntlich zu machen
weiß, welches oft dem natürlichen Ausdrucke der
Leidenschaft schadet: eben dieß ist eine Ursache
mehr, warum uns das heroische Trauerspiel we-
niger interessant seyn muß, als das bürgerliche.
Auch die Könige müssen erst wieder Menschen wer-
den, wie wir, wenn sie uns durch ihre Schicksale
rühren sollen.

Weil also, wenn die Menschen, die uns vor-
gestellt werden, nur kenntliche, nur in ihrer Art
merkwürdige Menschen sind, es nicht der Hoheit
des Standes und der politischen Wichtigkeit der

T 3

uͤber das Intereſſirende.
unſrer natuͤrlichen Gleichheit vergeſſen ließe: wo-
zu wuͤrde dieß anders dienen, als uns gegen das
Schickſal dieſer hoͤhern Weſen gleichguͤltiger zu
machen? Ja eben dieß, daß der Dichter ſich ver-
bunden haͤlt, Koͤnige und Fuͤrſten die hoͤchſte
Sprache der Poeſie reden zu laſſen, eine Sprache,
die ſehr einfoͤrmig iſt, und die meiſten Verſchie-
denheiten der Charaktere und der Denkungsarten
unter einem immer gleichen Pompe verbirgt; eben
dieß, daß man den hoͤhern Stand nicht anders als
durch ein gewiſſes Gepraͤnge kenntlich zu machen
weiß, welches oft dem natuͤrlichen Ausdrucke der
Leidenſchaft ſchadet: eben dieß iſt eine Urſache
mehr, warum uns das heroiſche Trauerſpiel we-
niger intereſſant ſeyn muß, als das buͤrgerliche.
Auch die Koͤnige muͤſſen erſt wieder Menſchen wer-
den, wie wir, wenn ſie uns durch ihre Schickſale
ruͤhren ſollen.

Weil alſo, wenn die Menſchen, die uns vor-
geſtellt werden, nur kenntliche, nur in ihrer Art
merkwuͤrdige Menſchen ſind, es nicht der Hoheit
des Standes und der politiſchen Wichtigkeit der

T 3
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[293/0299] uͤber das Intereſſirende. unſrer natuͤrlichen Gleichheit vergeſſen ließe: wo- zu wuͤrde dieß anders dienen, als uns gegen das Schickſal dieſer hoͤhern Weſen gleichguͤltiger zu machen? Ja eben dieß, daß der Dichter ſich ver- bunden haͤlt, Koͤnige und Fuͤrſten die hoͤchſte Sprache der Poeſie reden zu laſſen, eine Sprache, die ſehr einfoͤrmig iſt, und die meiſten Verſchie- denheiten der Charaktere und der Denkungsarten unter einem immer gleichen Pompe verbirgt; eben dieß, daß man den hoͤhern Stand nicht anders als durch ein gewiſſes Gepraͤnge kenntlich zu machen weiß, welches oft dem natuͤrlichen Ausdrucke der Leidenſchaft ſchadet: eben dieß iſt eine Urſache mehr, warum uns das heroiſche Trauerſpiel we- niger intereſſant ſeyn muß, als das buͤrgerliche. Auch die Koͤnige muͤſſen erſt wieder Menſchen wer- den, wie wir, wenn ſie uns durch ihre Schickſale ruͤhren ſollen. Weil alſo, wenn die Menſchen, die uns vor- geſtellt werden, nur kenntliche, nur in ihrer Art merkwuͤrdige Menſchen ſind, es nicht der Hoheit des Standes und der politiſchen Wichtigkeit der T 3

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Zitationshilfe: Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/299>, abgerufen am 22.11.2024.