großes Vergnügen für den Leser seyn, wenn nur diese alten Bilder und Redensarten auf eine neue Art wieder zusammengesezt werden. Und doch ist in der That manches unsrer neuen Gedichte von dieser Art. Wir wollen freylich die Dinge, die Menschen sehen, die wir sehen können, aber wir wollen nicht das Gemeine, das Alltägliche an ih- nen sehen.
Dieses Gemeine in den Charaktern und Lei- denschaften zu vermeiden, hat man zween Wege: entweder sie stark, oder sie fein zu schildern. Ent- weder den höchsten Grad der Leidenschaft, die ge- waltsamsten Ausbrüche eines Charakters, die hef- tigsten Wirkungen einer Situation zu zeigen, und zwar die bekannten gewöhnlichen Züge der Sache, aber in einem ungewöhnlichen Grade vorzustellen; dieß ist am meisten das Werk des Trauerspiels, besonders des Trauerspiels in Versen bisher ge- wesen: oder die Sache durch gemäßigte, aber un- bemerktere geheimere Züge zu schildern; die un- merklichern Spiele und Uebergänge der Leiden- schaft aus dem Grunde der Seele hervorzuheben:
Einige Gedanken
großes Vergnuͤgen fuͤr den Leſer ſeyn, wenn nur dieſe alten Bilder und Redensarten auf eine neue Art wieder zuſammengeſezt werden. Und doch iſt in der That manches unſrer neuen Gedichte von dieſer Art. Wir wollen freylich die Dinge, die Menſchen ſehen, die wir ſehen koͤnnen, aber wir wollen nicht das Gemeine, das Alltaͤgliche an ih- nen ſehen.
Dieſes Gemeine in den Charaktern und Lei- denſchaften zu vermeiden, hat man zween Wege: entweder ſie ſtark, oder ſie fein zu ſchildern. Ent- weder den hoͤchſten Grad der Leidenſchaft, die ge- waltſamſten Ausbruͤche eines Charakters, die hef- tigſten Wirkungen einer Situation zu zeigen, und zwar die bekannten gewoͤhnlichen Zuͤge der Sache, aber in einem ungewoͤhnlichen Grade vorzuſtellen; dieß iſt am meiſten das Werk des Trauerſpiels, beſonders des Trauerſpiels in Verſen bisher ge- weſen: oder die Sache durch gemaͤßigte, aber un- bemerktere geheimere Zuͤge zu ſchildern; die un- merklichern Spiele und Uebergaͤnge der Leiden- ſchaft aus dem Grunde der Seele hervorzuheben:
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Einige Gedanken
großes Vergnuͤgen fuͤr den Leſer ſeyn, wenn nur
dieſe alten Bilder und Redensarten auf eine neue
Art wieder zuſammengeſezt werden. Und doch iſt
in der That manches unſrer neuen Gedichte von
dieſer Art. Wir wollen freylich die Dinge, die
Menſchen ſehen, die wir ſehen koͤnnen, aber wir
wollen nicht das Gemeine, das Alltaͤgliche an ih-
nen ſehen.
Dieſes Gemeine in den Charaktern und Lei-
denſchaften zu vermeiden, hat man zween Wege:
entweder ſie ſtark, oder ſie fein zu ſchildern. Ent-
weder den hoͤchſten Grad der Leidenſchaft, die ge-
waltſamſten Ausbruͤche eines Charakters, die hef-
tigſten Wirkungen einer Situation zu zeigen, und
zwar die bekannten gewoͤhnlichen Zuͤge der Sache,
aber in einem ungewoͤhnlichen Grade vorzuſtellen;
dieß iſt am meiſten das Werk des Trauerſpiels,
beſonders des Trauerſpiels in Verſen bisher ge-
weſen: oder die Sache durch gemaͤßigte, aber un-
bemerktere geheimere Zuͤge zu ſchildern; die un-
merklichern Spiele und Uebergaͤnge der Leiden-
ſchaft aus dem Grunde der Seele hervorzuheben:
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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/312>, abgerufen am 21.11.2024.
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