Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite
über das Interessirende.

Was die moralische Sympathie betrift, so
richtet sich diese nach zwo Sachen; nach dem
Charakter der Person, und nach dem Charakter
der Leidenschaft, an welcher wir Theil nehmen
sollen. Die Person müssen wir lieben oder hoch-
achten; die Leidenschaft müssen wir in gewissem
Grade billigen. 1) Liebe und Hochachtung
gründen sich auf moralische Vollkommenheit, die
wir einem Menschen zuschreiben. Aber Hoch-
achtung
geht auf die moralische Vollkommenheit
bloß an sich betrachtet, Liebe auf dieselbe als
eine Quelle des Vergnügens oder des Nutzens
für uns. Alle Umstände einer Person, gegen
welche wir eine dieser beyden Gesinnungen ha-
ben, rühren uns mehr, alle ihre Empfindungen
nehmen wir leichter an; einmal, weil wir diese
Umstände mehr mit den unsrigen verbinden, zum
andern, weil wir diese Empfindungen für etwas
vollkommners und nachahmungswürdigers hal-
ten.

2. Besonders müssen wir die Leidenschaft,
welche Sympathie erregen soll, für erlaubt oder

X 5
uͤber das Intereſſirende.

Was die moraliſche Sympathie betrift, ſo
richtet ſich dieſe nach zwo Sachen; nach dem
Charakter der Perſon, und nach dem Charakter
der Leidenſchaft, an welcher wir Theil nehmen
ſollen. Die Perſon muͤſſen wir lieben oder hoch-
achten; die Leidenſchaft muͤſſen wir in gewiſſem
Grade billigen. 1) Liebe und Hochachtung
gruͤnden ſich auf moraliſche Vollkommenheit, die
wir einem Menſchen zuſchreiben. Aber Hoch-
achtung
geht auf die moraliſche Vollkommenheit
bloß an ſich betrachtet, Liebe auf dieſelbe als
eine Quelle des Vergnuͤgens oder des Nutzens
fuͤr uns. Alle Umſtaͤnde einer Perſon, gegen
welche wir eine dieſer beyden Geſinnungen ha-
ben, ruͤhren uns mehr, alle ihre Empfindungen
nehmen wir leichter an; einmal, weil wir dieſe
Umſtaͤnde mehr mit den unſrigen verbinden, zum
andern, weil wir dieſe Empfindungen fuͤr etwas
vollkommners und nachahmungswuͤrdigers hal-
ten.

2. Beſonders muͤſſen wir die Leidenſchaft,
welche Sympathie erregen ſoll, fuͤr erlaubt oder

X 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0335" n="329"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">u&#x0364;ber das Intere&#x017F;&#x017F;irende.</hi> </fw><lb/>
        <p>Was die morali&#x017F;che Sympathie betrift, &#x017F;o<lb/>
richtet &#x017F;ich die&#x017F;e nach zwo Sachen; nach dem<lb/>
Charakter der Per&#x017F;on, und nach dem Charakter<lb/>
der Leiden&#x017F;chaft, an welcher wir Theil nehmen<lb/>
&#x017F;ollen. Die Per&#x017F;on mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wir lieben oder hoch-<lb/>
achten; die Leiden&#x017F;chaft mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wir in gewi&#x017F;&#x017F;em<lb/>
Grade billigen. 1) <hi rendition="#fr">Liebe</hi> und <hi rendition="#fr">Hochachtung</hi><lb/>
gru&#x0364;nden &#x017F;ich auf morali&#x017F;che Vollkommenheit, die<lb/>
wir einem Men&#x017F;chen zu&#x017F;chreiben. Aber <hi rendition="#fr">Hoch-<lb/>
achtung</hi> geht auf die morali&#x017F;che Vollkommenheit<lb/>
bloß an &#x017F;ich betrachtet, <hi rendition="#fr">Liebe</hi> auf die&#x017F;elbe als<lb/>
eine Quelle des Vergnu&#x0364;gens oder des Nutzens<lb/>
fu&#x0364;r uns. Alle Um&#x017F;ta&#x0364;nde einer Per&#x017F;on, gegen<lb/>
welche wir eine die&#x017F;er beyden Ge&#x017F;innungen ha-<lb/>
ben, ru&#x0364;hren uns mehr, alle ihre Empfindungen<lb/>
nehmen wir leichter an; einmal, weil wir die&#x017F;e<lb/>
Um&#x017F;ta&#x0364;nde mehr mit den un&#x017F;rigen verbinden, zum<lb/>
andern, weil wir die&#x017F;e Empfindungen fu&#x0364;r etwas<lb/>
vollkommners und nachahmungswu&#x0364;rdigers hal-<lb/>
ten.</p><lb/>
        <p>2. Be&#x017F;onders mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wir die Leiden&#x017F;chaft,<lb/>
welche Sympathie erregen &#x017F;oll, fu&#x0364;r erlaubt oder<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">X 5</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[329/0335] uͤber das Intereſſirende. Was die moraliſche Sympathie betrift, ſo richtet ſich dieſe nach zwo Sachen; nach dem Charakter der Perſon, und nach dem Charakter der Leidenſchaft, an welcher wir Theil nehmen ſollen. Die Perſon muͤſſen wir lieben oder hoch- achten; die Leidenſchaft muͤſſen wir in gewiſſem Grade billigen. 1) Liebe und Hochachtung gruͤnden ſich auf moraliſche Vollkommenheit, die wir einem Menſchen zuſchreiben. Aber Hoch- achtung geht auf die moraliſche Vollkommenheit bloß an ſich betrachtet, Liebe auf dieſelbe als eine Quelle des Vergnuͤgens oder des Nutzens fuͤr uns. Alle Umſtaͤnde einer Perſon, gegen welche wir eine dieſer beyden Geſinnungen ha- ben, ruͤhren uns mehr, alle ihre Empfindungen nehmen wir leichter an; einmal, weil wir dieſe Umſtaͤnde mehr mit den unſrigen verbinden, zum andern, weil wir dieſe Empfindungen fuͤr etwas vollkommners und nachahmungswuͤrdigers hal- ten. 2. Beſonders muͤſſen wir die Leidenſchaft, welche Sympathie erregen ſoll, fuͤr erlaubt oder X 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/335
Zitationshilfe: Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/335>, abgerufen am 11.05.2024.