Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.Einige Gedanken ist er in einer wichtigen Situation. Das ist derFall bey Germeuil im Hausvater, so ist Neopto- lem im Philoktet, der gern den kranken Helden retten, und doch seinem gegebenen Worte treu seyn wollte. Man sieht leicht, warum man sich für einen solchen Menschen interessirt. Die Un- ruhe ist vielleicht unter allen Bewegungen der Seele diejenige, welche sich am leichtesten mit- theilt; und eine solche Lage der Umstände bringt Unruhe hervor. Ueberdieß ist man begierig, die Entscheidung zu wissen; man findet die Aufgabe verwickelt, und man wünschet sie aufgelöst zu sehen. Eine solche Situation kann aber eben sowohl Einige Gedanken iſt er in einer wichtigen Situation. Das iſt derFall bey Germeuil im Hausvater, ſo iſt Neopto- lem im Philoktet, der gern den kranken Helden retten, und doch ſeinem gegebenen Worte treu ſeyn wollte. Man ſieht leicht, warum man ſich fuͤr einen ſolchen Menſchen intereſſirt. Die Un- ruhe iſt vielleicht unter allen Bewegungen der Seele diejenige, welche ſich am leichteſten mit- theilt; und eine ſolche Lage der Umſtaͤnde bringt Unruhe hervor. Ueberdieß iſt man begierig, die Entſcheidung zu wiſſen; man findet die Aufgabe verwickelt, und man wuͤnſchet ſie aufgeloͤſt zu ſehen. Eine ſolche Situation kann aber eben ſowohl <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0352" n="346"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Einige Gedanken</hi></fw><lb/> iſt er in einer wichtigen Situation. Das iſt der<lb/> Fall bey Germeuil im Hausvater, ſo iſt Neopto-<lb/> lem im Philoktet, der gern den kranken Helden<lb/> retten, und doch ſeinem gegebenen Worte treu<lb/> ſeyn wollte. Man ſieht leicht, warum man ſich<lb/> fuͤr einen ſolchen Menſchen intereſſirt. Die Un-<lb/> ruhe iſt vielleicht unter allen Bewegungen der<lb/> Seele diejenige, welche ſich am leichteſten mit-<lb/> theilt; und eine ſolche Lage der Umſtaͤnde bringt<lb/> Unruhe hervor. Ueberdieß iſt man begierig, die<lb/> Entſcheidung zu wiſſen; man findet die Aufgabe<lb/> verwickelt, und man wuͤnſchet ſie aufgeloͤſt zu<lb/> ſehen.</p><lb/> <p>Eine ſolche Situation kann aber eben ſowohl<lb/> laͤcherlich als ruͤhrend werden, nach dem Charak-<lb/> ter der Perſon, welche ſich in derſelben befindet.<lb/> Bey einem ſchwachen Geiſte, oder wenn die Par-<lb/> teyen, unter welchen zu waͤhlen iſt, nicht erheb-<lb/> lich ſind; ſo artet dieſe Unruhe in eine kindiſche<lb/> Unentſchloſſenheit und Verlegenheit aus, die alle-<lb/> mal laͤcherlich iſt. Man wird ſich erinnern, in<lb/> ſehr viel Komoͤdien ſolche Scenen geſehen zu ha-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [346/0352]
Einige Gedanken
iſt er in einer wichtigen Situation. Das iſt der
Fall bey Germeuil im Hausvater, ſo iſt Neopto-
lem im Philoktet, der gern den kranken Helden
retten, und doch ſeinem gegebenen Worte treu
ſeyn wollte. Man ſieht leicht, warum man ſich
fuͤr einen ſolchen Menſchen intereſſirt. Die Un-
ruhe iſt vielleicht unter allen Bewegungen der
Seele diejenige, welche ſich am leichteſten mit-
theilt; und eine ſolche Lage der Umſtaͤnde bringt
Unruhe hervor. Ueberdieß iſt man begierig, die
Entſcheidung zu wiſſen; man findet die Aufgabe
verwickelt, und man wuͤnſchet ſie aufgeloͤſt zu
ſehen.
Eine ſolche Situation kann aber eben ſowohl
laͤcherlich als ruͤhrend werden, nach dem Charak-
ter der Perſon, welche ſich in derſelben befindet.
Bey einem ſchwachen Geiſte, oder wenn die Par-
teyen, unter welchen zu waͤhlen iſt, nicht erheb-
lich ſind; ſo artet dieſe Unruhe in eine kindiſche
Unentſchloſſenheit und Verlegenheit aus, die alle-
mal laͤcherlich iſt. Man wird ſich erinnern, in
ſehr viel Komoͤdien ſolche Scenen geſehen zu ha-
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