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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.

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Einige Gedanken
nicht sowohl unmittelbar durch den Gegenstand,
den sie schildert, als mittelbar durch die Wahr-
heiten, die sie beyher lehrt, oder durch die Mu-
ster des Schönen, die sie dem Geiste vorhält.
Diesen Nutzen befördert sie, welche Art von Lei-
denschaften sie auch zu schildern vornehme, wenn
sie nur die wahre Natur derselben trift.

Anstatt dieser besondern Untersuchung, zu der
ich mich anheischig gemacht hatte, will ich noch
einige allgemeine Lücken der obigen Abhandlung
ausfüllen, oder einige Fehler verbessern.

Nach meiner jetzigen Einsicht ist überhaupt
die Materie von Erweckung der Leidenschaften für
den Zweck des Ganzen zu weitläuftig abgehandelt
worden. Interessiren und rühren gränzt in ei-
nem Punkte an einander: aber es ist nicht einer-
ley. Das eine geht auf das Ganze eines Werks,
das andre auf einzelne Scenen desselben: das
eine ist eine Aufbietung unsers Verstandes; das
andre eine Erweichung des Herzens: das eine la-
det zum Lesen oder Anhören einer Geschichte ein;

Einige Gedanken
nicht ſowohl unmittelbar durch den Gegenſtand,
den ſie ſchildert, als mittelbar durch die Wahr-
heiten, die ſie beyher lehrt, oder durch die Mu-
ſter des Schoͤnen, die ſie dem Geiſte vorhaͤlt.
Dieſen Nutzen befoͤrdert ſie, welche Art von Lei-
denſchaften ſie auch zu ſchildern vornehme, wenn
ſie nur die wahre Natur derſelben trift.

Anſtatt dieſer beſondern Unterſuchung, zu der
ich mich anheiſchig gemacht hatte, will ich noch
einige allgemeine Luͤcken der obigen Abhandlung
ausfuͤllen, oder einige Fehler verbeſſern.

Nach meiner jetzigen Einſicht iſt uͤberhaupt
die Materie von Erweckung der Leidenſchaften fuͤr
den Zweck des Ganzen zu weitlaͤuftig abgehandelt
worden. Intereſſiren und ruͤhren graͤnzt in ei-
nem Punkte an einander: aber es iſt nicht einer-
ley. Das eine geht auf das Ganze eines Werks,
das andre auf einzelne Scenen deſſelben: das
eine iſt eine Aufbietung unſers Verſtandes; das
andre eine Erweichung des Herzens: das eine la-
det zum Leſen oder Anhoͤren einer Geſchichte ein;

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[428/0434] Einige Gedanken nicht ſowohl unmittelbar durch den Gegenſtand, den ſie ſchildert, als mittelbar durch die Wahr- heiten, die ſie beyher lehrt, oder durch die Mu- ſter des Schoͤnen, die ſie dem Geiſte vorhaͤlt. Dieſen Nutzen befoͤrdert ſie, welche Art von Lei- denſchaften ſie auch zu ſchildern vornehme, wenn ſie nur die wahre Natur derſelben trift. Anſtatt dieſer beſondern Unterſuchung, zu der ich mich anheiſchig gemacht hatte, will ich noch einige allgemeine Luͤcken der obigen Abhandlung ausfuͤllen, oder einige Fehler verbeſſern. Nach meiner jetzigen Einſicht iſt uͤberhaupt die Materie von Erweckung der Leidenſchaften fuͤr den Zweck des Ganzen zu weitlaͤuftig abgehandelt worden. Intereſſiren und ruͤhren graͤnzt in ei- nem Punkte an einander: aber es iſt nicht einer- ley. Das eine geht auf das Ganze eines Werks, das andre auf einzelne Scenen deſſelben: das eine iſt eine Aufbietung unſers Verſtandes; das andre eine Erweichung des Herzens: das eine la- det zum Leſen oder Anhoͤren einer Geſchichte ein;

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Zitationshilfe: Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 428. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/434>, abgerufen am 19.05.2024.