fände, daß die Geschichte sie nicht alle angeben, noch die Philosophie sie alle errathen könnte; so giebt es doch darunter einige so merkliche und so mächtige, daß sich ihr Einfluß weder verkennen, noch auch unrecht verstehen läßt.
Sie sehen leicht, meine Herren, daß diese Umstände von doppelter Art sind; daß sie ent- weder außer der Nation, von der die Rede ist, oder in ihrer eigenen innerlichen Verfassung lie- gen. Zu jenen gehört vornehmlich die Zeit, in der eine Nation an Wissenschaft überhaupt, und besonders an ihrer eigenen Sprache, Geschmack gewinnt, und dann die Beschaffenheit der Litte- ratur bey andern Nationen, die vor ihr aufge- klärt wurden, und ihr Licht ihr mittheilten.
Was war es für ein Zeitpunkt, wo die Bar- barey sich zuerst in Deutschland zu zerstreuen an- fieng? Ein späterer allerdings, als bey den mit- täglichen und westlichen Völkern. Italien ist das erste und fast das einzige Land, das zu eben der Zeit, wo es die Meisterstücke der alten Spra- chen mit Mühe wieder kennen lernte, zugleich
Ueber den Einfluß einiger
faͤnde, daß die Geſchichte ſie nicht alle angeben, noch die Philoſophie ſie alle errathen koͤnnte; ſo giebt es doch darunter einige ſo merkliche und ſo maͤchtige, daß ſich ihr Einfluß weder verkennen, noch auch unrecht verſtehen laͤßt.
Sie ſehen leicht, meine Herren, daß dieſe Umſtaͤnde von doppelter Art ſind; daß ſie ent- weder außer der Nation, von der die Rede iſt, oder in ihrer eigenen innerlichen Verfaſſung lie- gen. Zu jenen gehoͤrt vornehmlich die Zeit, in der eine Nation an Wiſſenſchaft uͤberhaupt, und beſonders an ihrer eigenen Sprache, Geſchmack gewinnt, und dann die Beſchaffenheit der Litte- ratur bey andern Nationen, die vor ihr aufge- klaͤrt wurden, und ihr Licht ihr mittheilten.
Was war es fuͤr ein Zeitpunkt, wo die Bar- barey ſich zuerſt in Deutſchland zu zerſtreuen an- fieng? Ein ſpaͤterer allerdings, als bey den mit- taͤglichen und weſtlichen Voͤlkern. Italien iſt das erſte und faſt das einzige Land, das zu eben der Zeit, wo es die Meiſterſtuͤcke der alten Spra- chen mit Muͤhe wieder kennen lernte, zugleich
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Ueber den Einfluß einiger
faͤnde, daß die Geſchichte ſie nicht alle angeben,
noch die Philoſophie ſie alle errathen koͤnnte; ſo
giebt es doch darunter einige ſo merkliche und ſo
maͤchtige, daß ſich ihr Einfluß weder verkennen,
noch auch unrecht verſtehen laͤßt.
Sie ſehen leicht, meine Herren, daß dieſe
Umſtaͤnde von doppelter Art ſind; daß ſie ent-
weder außer der Nation, von der die Rede iſt,
oder in ihrer eigenen innerlichen Verfaſſung lie-
gen. Zu jenen gehoͤrt vornehmlich die Zeit, in
der eine Nation an Wiſſenſchaft uͤberhaupt, und
beſonders an ihrer eigenen Sprache, Geſchmack
gewinnt, und dann die Beſchaffenheit der Litte-
ratur bey andern Nationen, die vor ihr aufge-
klaͤrt wurden, und ihr Licht ihr mittheilten.
Was war es fuͤr ein Zeitpunkt, wo die Bar-
barey ſich zuerſt in Deutſchland zu zerſtreuen an-
fieng? Ein ſpaͤterer allerdings, als bey den mit-
taͤglichen und weſtlichen Voͤlkern. Italien iſt
das erſte und faſt das einzige Land, das zu eben
der Zeit, wo es die Meiſterſtuͤcke der alten Spra-
chen mit Muͤhe wieder kennen lernte, zugleich
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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/448>, abgerufen am 22.11.2024.
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