die ihnen doch mißlingen, sobald sie die Hand daran legen. Andere reden wenig und verwirrt, und bringen sie zu Stande.
Man thut sehr unrecht, wenn man die ersten als Schwätzer, und die andern als bloße Hand- werker ansieht.
Die Fähigkeiten, die sie zu dem machen, was sie sind, sind von der Natur selbst unterschieden. Der Philosoph, der erklärt, vergißt über den Merkmalen, die er sammlet, die individuellen Um- stände der Fälle, die doch in der Ausübung müs- sen mit zu Rathe gezogen werden, und sie verun- glückt ihm also. Der Künstler, welcher arbeitet, findet in dem Bilde, das ihm anstatt der Erklä- rung gegenwärtig ist, alle diese kleinen Umstände; aber er kann aus diesem Bilde nicht die einigen, wenigen Theile herausnehmen, die das Uebrige würden kenntlich machen: er kann also sich nicht erklären, als indem er die Sache zeigt. Wenn die ersten beständig zum Erklären und die andern zum Ausüben bestimmt würden, so würde die Welt
Ueber die Pruͤfung
die ihnen doch mißlingen, ſobald ſie die Hand daran legen. Andere reden wenig und verwirrt, und bringen ſie zu Stande.
Man thut ſehr unrecht, wenn man die erſten als Schwaͤtzer, und die andern als bloße Hand- werker anſieht.
Die Faͤhigkeiten, die ſie zu dem machen, was ſie ſind, ſind von der Natur ſelbſt unterſchieden. Der Philoſoph, der erklaͤrt, vergißt uͤber den Merkmalen, die er ſammlet, die individuellen Um- ſtaͤnde der Faͤlle, die doch in der Ausuͤbung muͤſ- ſen mit zu Rathe gezogen werden, und ſie verun- gluͤckt ihm alſo. Der Kuͤnſtler, welcher arbeitet, findet in dem Bilde, das ihm anſtatt der Erklaͤ- rung gegenwaͤrtig iſt, alle dieſe kleinen Umſtaͤnde; aber er kann aus dieſem Bilde nicht die einigen, wenigen Theile herausnehmen, die das Uebrige wuͤrden kenntlich machen: er kann alſo ſich nicht erklaͤren, als indem er die Sache zeigt. Wenn die erſten beſtaͤndig zum Erklaͤren und die andern zum Ausuͤben beſtimmt wuͤrden, ſo wuͤrde die Welt
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[52/0058]
Ueber die Pruͤfung
die ihnen doch mißlingen, ſobald ſie die Hand
daran legen. Andere reden wenig und verwirrt,
und bringen ſie zu Stande.
Man thut ſehr unrecht, wenn man die erſten
als Schwaͤtzer, und die andern als bloße Hand-
werker anſieht.
Die Faͤhigkeiten, die ſie zu dem machen, was
ſie ſind, ſind von der Natur ſelbſt unterſchieden.
Der Philoſoph, der erklaͤrt, vergißt uͤber den
Merkmalen, die er ſammlet, die individuellen Um-
ſtaͤnde der Faͤlle, die doch in der Ausuͤbung muͤſ-
ſen mit zu Rathe gezogen werden, und ſie verun-
gluͤckt ihm alſo. Der Kuͤnſtler, welcher arbeitet,
findet in dem Bilde, das ihm anſtatt der Erklaͤ-
rung gegenwaͤrtig iſt, alle dieſe kleinen Umſtaͤnde;
aber er kann aus dieſem Bilde nicht die einigen,
wenigen Theile herausnehmen, die das Uebrige
wuͤrden kenntlich machen: er kann alſo ſich nicht
erklaͤren, als indem er die Sache zeigt. Wenn die
erſten beſtaͤndig zum Erklaͤren und die andern
zum Ausuͤben beſtimmt wuͤrden, ſo wuͤrde die Welt
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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/58>, abgerufen am 04.12.2024.
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