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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.

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"Luft, sind." Diese Berechnung ist zwar blos ein ungefährer Ueberschlag, und gründet sich auf die sehr willkührlich angenommene Eintheilung der Fahrenheitischen Thermometerscale; nach Reaumürs Scale würde man eben so finden, daß die Temperatur des Eispunkts gar keint Dämpfe mehr erzeugen könnte; sie hat also eigentlich keine Beweiskraft. Da man aber doch weiß, daß selbst in denen Temperaturen, die wir die kältesten nennen, noch Wärme anzutreffen sey, so kan man es wohl als möglich ansehen, daß die beym Eispunkte noch anzutreffende Wärme eine ziemliche Verdünnung bewirken könnte, welches die Musschenbroekischen Zahlen sinnlich machen. Es läst sich aber auch außerdem noch einwenden, daß die Dünste, wenn sie blos der Verdünung der Theile wegen aufstiegen, im Winter nicht so hoch als im Sommer würden steigen können; da doch die Beobachtungen lehren, daß das Aufsteigen oder Niederfallen der Dünste keinesweges von der Wärme allein abhange.

Viele Naturforscher haben, um die Entstehung und das Aufsteigen der Dünste zu erklären, angenommen, daß die im Wasser enthaltene Luft, oder auch das Feuer selbst aus dem Wasser kleine Bläschen (bullulas, vesiculas) bilde, in welchen eine sehr verdünnte Luft oder eine andere äußerst feine und leichte Materie mit einer dünnen Wasserhaut überzogen sey. Halley (Philos. Trans. no. 192.) sucht durch solche Bläschen die Phänomene der Ausdünstung zu erklären; Chauvin (Nova circa vapores hypothesis in Misc. Berol. To. I. p. 120.) und Leibnitz (De elevatione vaporum et de corporibus, quae ob inclusam cavitatem in aere natare possunt, Misc. Berol. To. I. p. 123.) nehmen solche Bläschen ebenfalls an. Der letztere berechnet, wenn die im Bläschen eingeschlossene Luft zehnmal dünner, als die äußere, sey, so müsse ein mit der äußern Luft im Gleichgewichte stehendes Wasserbläschen 888mal größer seyn, als der Raum, den seine Wasserhaut allein einnehmen würde, und prüft dabey zugleich den Vorschlag des Lana, eine luftleere küpferne Kugel in die Luft zu erheben, s. Aerostat. Fast die meisten


”Luft, ſind.“ Dieſe Berechnung iſt zwar blos ein ungefaͤhrer Ueberſchlag, und gruͤndet ſich auf die ſehr willkuͤhrlich angenommene Eintheilung der Fahrenheitiſchen Thermometerſcale; nach Reaumuͤrs Scale wuͤrde man eben ſo finden, daß die Temperatur des Eispunkts gar keint Daͤmpfe mehr erzeugen koͤnnte; ſie hat alſo eigentlich keine Beweiskraft. Da man aber doch weiß, daß ſelbſt in denen Temperaturen, die wir die kaͤlteſten nennen, noch Waͤrme anzutreffen ſey, ſo kan man es wohl als moͤglich anſehen, daß die beym Eispunkte noch anzutreffende Waͤrme eine ziemliche Verduͤnnung bewirken koͤnnte, welches die Muſſchenbroekiſchen Zahlen ſinnlich machen. Es laͤſt ſich aber auch außerdem noch einwenden, daß die Duͤnſte, wenn ſie blos der Verduͤnung der Theile wegen aufſtiegen, im Winter nicht ſo hoch als im Sommer wuͤrden ſteigen koͤnnen; da doch die Beobachtungen lehren, daß das Aufſteigen oder Niederfallen der Duͤnſte keinesweges von der Waͤrme allein abhange.

Viele Naturforſcher haben, um die Entſtehung und das Aufſteigen der Duͤnſte zu erklaͤren, angenommen, daß die im Waſſer enthaltene Luft, oder auch das Feuer ſelbſt aus dem Waſſer kleine Blaͤschen (bullulas, veſiculas) bilde, in welchen eine ſehr verduͤnnte Luft oder eine andere aͤußerſt feine und leichte Materie mit einer duͤnnen Waſſerhaut uͤberzogen ſey. Halley (Philoſ. Trans. no. 192.) ſucht durch ſolche Blaͤschen die Phaͤnomene der Ausduͤnſtung zu erklaͤren; Chauvin (Nova circa vapores hypotheſis in Miſc. Berol. To. I. p. 120.) und Leibnitz (De elevatione vaporum et de corporibus, quae ob incluſam cavitatem in aëre natare poſſunt, Miſc. Berol. To. I. p. 123.) nehmen ſolche Blaͤschen ebenfalls an. Der letztere berechnet, wenn die im Blaͤschen eingeſchloſſene Luft zehnmal duͤnner, als die aͤußere, ſey, ſo muͤſſe ein mit der aͤußern Luft im Gleichgewichte ſtehendes Waſſerblaͤschen 888mal groͤßer ſeyn, als der Raum, den ſeine Waſſerhaut allein einnehmen wuͤrde, und pruͤft dabey zugleich den Vorſchlag des Lana, eine luftleere kuͤpferne Kugel in die Luft zu erheben, ſ. Aeroſtat. Faſt die meiſten

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[208/0222] ”Luft, ſind.“ Dieſe Berechnung iſt zwar blos ein ungefaͤhrer Ueberſchlag, und gruͤndet ſich auf die ſehr willkuͤhrlich angenommene Eintheilung der Fahrenheitiſchen Thermometerſcale; nach Reaumuͤrs Scale wuͤrde man eben ſo finden, daß die Temperatur des Eispunkts gar keint Daͤmpfe mehr erzeugen koͤnnte; ſie hat alſo eigentlich keine Beweiskraft. Da man aber doch weiß, daß ſelbſt in denen Temperaturen, die wir die kaͤlteſten nennen, noch Waͤrme anzutreffen ſey, ſo kan man es wohl als moͤglich anſehen, daß die beym Eispunkte noch anzutreffende Waͤrme eine ziemliche Verduͤnnung bewirken koͤnnte, welches die Muſſchenbroekiſchen Zahlen ſinnlich machen. Es laͤſt ſich aber auch außerdem noch einwenden, daß die Duͤnſte, wenn ſie blos der Verduͤnung der Theile wegen aufſtiegen, im Winter nicht ſo hoch als im Sommer wuͤrden ſteigen koͤnnen; da doch die Beobachtungen lehren, daß das Aufſteigen oder Niederfallen der Duͤnſte keinesweges von der Waͤrme allein abhange. Viele Naturforſcher haben, um die Entſtehung und das Aufſteigen der Duͤnſte zu erklaͤren, angenommen, daß die im Waſſer enthaltene Luft, oder auch das Feuer ſelbſt aus dem Waſſer kleine Blaͤschen (bullulas, veſiculas) bilde, in welchen eine ſehr verduͤnnte Luft oder eine andere aͤußerſt feine und leichte Materie mit einer duͤnnen Waſſerhaut uͤberzogen ſey. Halley (Philoſ. Trans. no. 192.) ſucht durch ſolche Blaͤschen die Phaͤnomene der Ausduͤnſtung zu erklaͤren; Chauvin (Nova circa vapores hypotheſis in Miſc. Berol. To. I. p. 120.) und Leibnitz (De elevatione vaporum et de corporibus, quae ob incluſam cavitatem in aëre natare poſſunt, Miſc. Berol. To. I. p. 123.) nehmen ſolche Blaͤschen ebenfalls an. Der letztere berechnet, wenn die im Blaͤschen eingeſchloſſene Luft zehnmal duͤnner, als die aͤußere, ſey, ſo muͤſſe ein mit der aͤußern Luft im Gleichgewichte ſtehendes Waſſerblaͤschen 888mal groͤßer ſeyn, als der Raum, den ſeine Waſſerhaut allein einnehmen wuͤrde, und pruͤft dabey zugleich den Vorſchlag des Lana, eine luftleere kuͤpferne Kugel in die Luft zu erheben, ſ. Aeroſtat. Faſt die meiſten

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/222>, abgerufen am 21.11.2024.