Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


Wolke entstehen, welche wieder verschwindet, und aufs neue erscheint, wenn man wieder Luft unter die Glocke läst, und das Auspumpen von neuem anfängt. Nollet (Lecons de Physique exp. To. III. p. 364.) hatte diesen Dunst schon bemerkt, glaubte, er entstehe aus der Luft, die bey der Verdünnung Feuchtigkeit fallen lasse, und erklärte so die Entstehung des Regens bey verdünnter Luft. De Saussure hingegen zeigt, er entstehe aus dem feuchten Körper der Luftpumpe, dessen Feuchtigkeit bey vermindertem Drucke der Luft mehr verdampfe, die nächsten Luftschichten bald sättige, und durch den Ueberfluß einen blasenförmigen Niederschlag bilde, den aber die folgenden Luftschichten bald auflösen. Eben dieser Dampf erscheint auch, wenn man verdichtete Luft wieder verdünnet, aus gleichen Ursachen.

Daß die Ausdünstung durch ein mechanisches Fortreißen der Wassertheilchen vom Feuer bewirkt werde, haben viele daher beweisen wollen, weil man Abends nach Sonnenuntergang eine so starke Ausdünstung des sich abkühlenden Erdbodens wahrnimmt. Allein de Saussure zeigt sehr wohl, daß hiebey die Ausdünstung nicht stärker, nur wegen der kühlen Luft sichtbarer sey. Wasser über dem Feuer dünstet nicht wegen des ausgehenden Feuers aus. Denn wenn die Mündung des Gefäßes in ein anderes gleich heißes geht, so ist die Ausdünstung weit stärker, obgleich alsdann gar kein Feuer aus dem Wasser herausgeht; daher darf auch beym Destilliren die Vorlage nicht allzuplötzlich oder zu stark erkältet werden. Mechanische Austreibung würde auch das Schweben der Dünste in der Luft nicht erklären, welches eine Festhaltung durch chymische Auflösung anzeigt.

Die Stärke der Ausdünstung hängt von Wärme des Wassers, Größe der Oberfläche, Wärme, Trockenheit, Bewegung und Dichte der Luft ab. Sie wird durch Werkzeuge gemessen, von welchen das Wort Atmometer nachzusehen ist.

Das Eis dünstet, wie schon Plinius (Hist. natur. XXXI. 3.) bemerkt hat, sehr stark aus. Doch vermindert


Wolke entſtehen, welche wieder verſchwindet, und aufs neue erſcheint, wenn man wieder Luft unter die Glocke laͤſt, und das Auspumpen von neuem anfaͤngt. Nollet (Leçons de Phyſique exp. To. III. p. 364.) hatte dieſen Dunſt ſchon bemerkt, glaubte, er entſtehe aus der Luft, die bey der Verduͤnnung Feuchtigkeit fallen laſſe, und erklaͤrte ſo die Entſtehung des Regens bey verduͤnnter Luft. De Sauſſure hingegen zeigt, er entſtehe aus dem feuchten Koͤrper der Luftpumpe, deſſen Feuchtigkeit bey vermindertem Drucke der Luft mehr verdampfe, die naͤchſten Luftſchichten bald ſaͤttige, und durch den Ueberfluß einen blaſenfoͤrmigen Niederſchlag bilde, den aber die folgenden Luftſchichten bald aufloͤſen. Eben dieſer Dampf erſcheint auch, wenn man verdichtete Luft wieder verduͤnnet, aus gleichen Urſachen.

Daß die Ausduͤnſtung durch ein mechaniſches Fortreißen der Waſſertheilchen vom Feuer bewirkt werde, haben viele daher beweiſen wollen, weil man Abends nach Sonnenuntergang eine ſo ſtarke Ausduͤnſtung des ſich abkuͤhlenden Erdbodens wahrnimmt. Allein de Sauſſure zeigt ſehr wohl, daß hiebey die Ausduͤnſtung nicht ſtaͤrker, nur wegen der kuͤhlen Luft ſichtbarer ſey. Waſſer uͤber dem Feuer duͤnſtet nicht wegen des ausgehenden Feuers aus. Denn wenn die Muͤndung des Gefaͤßes in ein anderes gleich heißes geht, ſo iſt die Ausduͤnſtung weit ſtaͤrker, obgleich alsdann gar kein Feuer aus dem Waſſer herausgeht; daher darf auch beym Deſtilliren die Vorlage nicht allzuploͤtzlich oder zu ſtark erkaͤltet werden. Mechaniſche Austreibung wuͤrde auch das Schweben der Duͤnſte in der Luft nicht erklaͤren, welches eine Feſthaltung durch chymiſche Aufloͤſung anzeigt.

Die Staͤrke der Ausduͤnſtung haͤngt von Waͤrme des Waſſers, Groͤße der Oberflaͤche, Waͤrme, Trockenheit, Bewegung und Dichte der Luft ab. Sie wird durch Werkzeuge gemeſſen, von welchen das Wort Atmometer nachzuſehen iſt.

Das Eis duͤnſtet, wie ſchon Plinius (Hiſt. natur. XXXI. 3.) bemerkt hat, ſehr ſtark aus. Doch vermindert

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0228" xml:id="P.1.214" n="214"/><lb/>
Wolke ent&#x017F;tehen, welche wieder ver&#x017F;chwindet, und aufs neue er&#x017F;cheint, wenn man wieder Luft unter die Glocke la&#x0364;&#x017F;t, und das Auspumpen von neuem anfa&#x0364;ngt. <hi rendition="#b">Nollet</hi> <hi rendition="#aq">(Leçons de Phy&#x017F;ique exp. To. III. p. 364.)</hi> hatte die&#x017F;en Dun&#x017F;t &#x017F;chon bemerkt, glaubte, er ent&#x017F;tehe aus der Luft, die bey der Verdu&#x0364;nnung Feuchtigkeit fallen la&#x017F;&#x017F;e, und erkla&#x0364;rte &#x017F;o die Ent&#x017F;tehung des Regens bey verdu&#x0364;nnter Luft. <hi rendition="#b">De Sau&#x017F;&#x017F;ure</hi> hingegen zeigt, er ent&#x017F;tehe aus dem feuchten Ko&#x0364;rper der Luftpumpe, de&#x017F;&#x017F;en Feuchtigkeit bey vermindertem Drucke der Luft mehr verdampfe, die na&#x0364;ch&#x017F;ten Luft&#x017F;chichten bald &#x017F;a&#x0364;ttige, und durch den Ueberfluß einen bla&#x017F;enfo&#x0364;rmigen Nieder&#x017F;chlag bilde, den aber die folgenden Luft&#x017F;chichten bald auflo&#x0364;&#x017F;en. Eben die&#x017F;er Dampf er&#x017F;cheint auch, wenn man verdichtete Luft wieder verdu&#x0364;nnet, aus gleichen Ur&#x017F;achen.</p>
          <p>Daß die Ausdu&#x0364;n&#x017F;tung durch ein <hi rendition="#b">mechani&#x017F;ches Fortreißen</hi> der Wa&#x017F;&#x017F;ertheilchen vom Feuer bewirkt werde, haben viele daher bewei&#x017F;en wollen, weil man Abends nach Sonnenuntergang eine &#x017F;o &#x017F;tarke Ausdu&#x0364;n&#x017F;tung des &#x017F;ich abku&#x0364;hlenden Erdbodens wahrnimmt. Allein de Sau&#x017F;&#x017F;ure zeigt &#x017F;ehr wohl, daß hiebey die Ausdu&#x0364;n&#x017F;tung nicht &#x017F;ta&#x0364;rker, nur wegen der ku&#x0364;hlen Luft &#x017F;ichtbarer &#x017F;ey. Wa&#x017F;&#x017F;er u&#x0364;ber dem Feuer du&#x0364;n&#x017F;tet nicht wegen des ausgehenden Feuers aus. Denn wenn die Mu&#x0364;ndung des Gefa&#x0364;ßes in ein anderes gleich heißes geht, &#x017F;o i&#x017F;t die Ausdu&#x0364;n&#x017F;tung weit &#x017F;ta&#x0364;rker, obgleich alsdann gar kein Feuer aus dem Wa&#x017F;&#x017F;er herausgeht; daher darf auch beym De&#x017F;tilliren die Vorlage nicht allzuplo&#x0364;tzlich oder zu &#x017F;tark erka&#x0364;ltet werden. <hi rendition="#b">Mechani&#x017F;che</hi> Austreibung wu&#x0364;rde auch das Schweben der Du&#x0364;n&#x017F;te in der Luft nicht erkla&#x0364;ren, welches eine Fe&#x017F;thaltung durch chymi&#x017F;che Auflo&#x0364;&#x017F;ung anzeigt.</p>
          <p>Die Sta&#x0364;rke der Ausdu&#x0364;n&#x017F;tung ha&#x0364;ngt von Wa&#x0364;rme des Wa&#x017F;&#x017F;ers, Gro&#x0364;ße der Oberfla&#x0364;che, Wa&#x0364;rme, Trockenheit, Bewegung und Dichte der Luft ab. Sie wird durch Werkzeuge geme&#x017F;&#x017F;en, von welchen das Wort <hi rendition="#b">Atmometer</hi> nachzu&#x017F;ehen i&#x017F;t.</p>
          <p>Das Eis du&#x0364;n&#x017F;tet, wie &#x017F;chon <hi rendition="#b">Plinius</hi> <hi rendition="#aq">(Hi&#x017F;t. natur. XXXI. 3.)</hi> bemerkt hat, &#x017F;ehr &#x017F;tark aus. Doch vermindert<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[214/0228] Wolke entſtehen, welche wieder verſchwindet, und aufs neue erſcheint, wenn man wieder Luft unter die Glocke laͤſt, und das Auspumpen von neuem anfaͤngt. Nollet (Leçons de Phyſique exp. To. III. p. 364.) hatte dieſen Dunſt ſchon bemerkt, glaubte, er entſtehe aus der Luft, die bey der Verduͤnnung Feuchtigkeit fallen laſſe, und erklaͤrte ſo die Entſtehung des Regens bey verduͤnnter Luft. De Sauſſure hingegen zeigt, er entſtehe aus dem feuchten Koͤrper der Luftpumpe, deſſen Feuchtigkeit bey vermindertem Drucke der Luft mehr verdampfe, die naͤchſten Luftſchichten bald ſaͤttige, und durch den Ueberfluß einen blaſenfoͤrmigen Niederſchlag bilde, den aber die folgenden Luftſchichten bald aufloͤſen. Eben dieſer Dampf erſcheint auch, wenn man verdichtete Luft wieder verduͤnnet, aus gleichen Urſachen. Daß die Ausduͤnſtung durch ein mechaniſches Fortreißen der Waſſertheilchen vom Feuer bewirkt werde, haben viele daher beweiſen wollen, weil man Abends nach Sonnenuntergang eine ſo ſtarke Ausduͤnſtung des ſich abkuͤhlenden Erdbodens wahrnimmt. Allein de Sauſſure zeigt ſehr wohl, daß hiebey die Ausduͤnſtung nicht ſtaͤrker, nur wegen der kuͤhlen Luft ſichtbarer ſey. Waſſer uͤber dem Feuer duͤnſtet nicht wegen des ausgehenden Feuers aus. Denn wenn die Muͤndung des Gefaͤßes in ein anderes gleich heißes geht, ſo iſt die Ausduͤnſtung weit ſtaͤrker, obgleich alsdann gar kein Feuer aus dem Waſſer herausgeht; daher darf auch beym Deſtilliren die Vorlage nicht allzuploͤtzlich oder zu ſtark erkaͤltet werden. Mechaniſche Austreibung wuͤrde auch das Schweben der Duͤnſte in der Luft nicht erklaͤren, welches eine Feſthaltung durch chymiſche Aufloͤſung anzeigt. Die Staͤrke der Ausduͤnſtung haͤngt von Waͤrme des Waſſers, Groͤße der Oberflaͤche, Waͤrme, Trockenheit, Bewegung und Dichte der Luft ab. Sie wird durch Werkzeuge gemeſſen, von welchen das Wort Atmometer nachzuſehen iſt. Das Eis duͤnſtet, wie ſchon Plinius (Hiſt. natur. XXXI. 3.) bemerkt hat, ſehr ſtark aus. Doch vermindert

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/228
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/228>, abgerufen am 09.11.2024.