Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


Entschluß auf eine für uns selbst unerklärbare Weise unsere Glieder, und Körper, welche mit denselben verbunden sind; und die Thiere thun dies auf eine ähnliche Art. Da das hiebey angewandte Bestreben Kraft heißt, und diese Kraft eine so reichhaltige Quelle von Bewegungen ist, so hat man für gut gefunden, diesen Namen auf alle Ursachen der Entstehung und Aenderung von Bewegungen auszudehnen, und also alles, was den Zustand eines Körpers in Absicht auf Ruhe und Bewegung ändert oder zu ändern strebt, Kraft zu nennen. Dies ist weiter nichts, als Benennung einer Ursache, welche vorhanden seyn muß, deren Natur und Wirkungsart aber uns eben so verborgen ist, als das, was uns die Hand führt, wenn wir das Wort Kraft schreiben.

Ein bewegter Körper setzt andere, die er antrift, mit sich in Bewegung, wenn sie ruhen, oder ändert ihre Bewegungen, wenn sie schon vorher bewegt sind. Dies heißt Mittheilung der Bewegung. So setzen Menschen und Thiere auch andere Körper in Bewegung, ein Stein z. B. wird durch die Kraft des Menschen geworfen, eine Kugel bewegt die andere durch ihren Stoß. Dies ist eine zweyte Entstehungs- und Aenderungsart der Bewegungen, von welcher die Artikel: Mittheilung der Bewegung und Stoß handeln.

Bey diesen beyden Entstehungsarten der Bewegung ist es sichtbar, daß sie ihren Grund in einer äußern, nicht im bewegten Körper befindlichen, Ursache haben. Die Bewegung meiner Hand hat ihren Ursprung nicht aus der Hand, welche sich im todten Körper nicht mehr regen wird; sie entspringt offenbar aus dem Entschlusse eines frey handelnden vom Körper unterschiedenen Wesens; der geworfne Stein wird vom Menschen, die ruhende Kugel von der stoßenden bewegt. Aber es giebt auch Bewegungen, bey welchen eine äußere Ursache ihrer Entstehung oder Aenderung nicht so sichtbar ist. Ein freygelassener Stein fällt lothrecht auf die Erde nieder; der Mond läuft ununterbrochen in einer krummlinigten Bahn mit stets veränderter Richtung um die Erde, ohne daß man äußere Ursachen


Entſchluß auf eine fuͤr uns ſelbſt unerklaͤrbare Weiſe unſere Glieder, und Koͤrper, welche mit denſelben verbunden ſind; und die Thiere thun dies auf eine aͤhnliche Art. Da das hiebey angewandte Beſtreben Kraft heißt, und dieſe Kraft eine ſo reichhaltige Quelle von Bewegungen iſt, ſo hat man fuͤr gut gefunden, dieſen Namen auf alle Urſachen der Entſtehung und Aenderung von Bewegungen auszudehnen, und alſo alles, was den Zuſtand eines Koͤrpers in Abſicht auf Ruhe und Bewegung aͤndert oder zu aͤndern ſtrebt, Kraft zu nennen. Dies iſt weiter nichts, als Benennung einer Urſache, welche vorhanden ſeyn muß, deren Natur und Wirkungsart aber uns eben ſo verborgen iſt, als das, was uns die Hand fuͤhrt, wenn wir das Wort Kraft ſchreiben.

Ein bewegter Koͤrper ſetzt andere, die er antrift, mit ſich in Bewegung, wenn ſie ruhen, oder aͤndert ihre Bewegungen, wenn ſie ſchon vorher bewegt ſind. Dies heißt Mittheilung der Bewegung. So ſetzen Menſchen und Thiere auch andere Koͤrper in Bewegung, ein Stein z. B. wird durch die Kraft des Menſchen geworfen, eine Kugel bewegt die andere durch ihren Stoß. Dies iſt eine zweyte Entſtehungs- und Aenderungsart der Bewegungen, von welcher die Artikel: Mittheilung der Bewegung und Stoß handeln.

Bey dieſen beyden Entſtehungsarten der Bewegung iſt es ſichtbar, daß ſie ihren Grund in einer aͤußern, nicht im bewegten Koͤrper befindlichen, Urſache haben. Die Bewegung meiner Hand hat ihren Urſprung nicht aus der Hand, welche ſich im todten Koͤrper nicht mehr regen wird; ſie entſpringt offenbar aus dem Entſchluſſe eines frey handelnden vom Koͤrper unterſchiedenen Weſens; der geworfne Stein wird vom Menſchen, die ruhende Kugel von der ſtoßenden bewegt. Aber es giebt auch Bewegungen, bey welchen eine aͤußere Urſache ihrer Entſtehung oder Aenderung nicht ſo ſichtbar iſt. Ein freygelaſſener Stein faͤllt lothrecht auf die Erde nieder; der Mond laͤuft ununterbrochen in einer krummlinigten Bahn mit ſtets veraͤnderter Richtung um die Erde, ohne daß man aͤußere Urſachen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0336" xml:id="P.1.322" n="322"/><lb/>
Ent&#x017F;chluß auf eine fu&#x0364;r uns &#x017F;elb&#x017F;t unerkla&#x0364;rbare Wei&#x017F;e un&#x017F;ere Glieder, und Ko&#x0364;rper, welche mit den&#x017F;elben verbunden &#x017F;ind; und die Thiere thun dies auf eine a&#x0364;hnliche Art. Da das hiebey angewandte Be&#x017F;treben <hi rendition="#b">Kraft</hi> heißt, und die&#x017F;e Kraft eine &#x017F;o reichhaltige Quelle von Bewegungen i&#x017F;t, &#x017F;o hat man fu&#x0364;r gut gefunden, die&#x017F;en Namen auf alle Ur&#x017F;achen der Ent&#x017F;tehung und Aenderung von Bewegungen auszudehnen, und al&#x017F;o alles, was den Zu&#x017F;tand eines Ko&#x0364;rpers in Ab&#x017F;icht auf Ruhe und Bewegung a&#x0364;ndert oder zu a&#x0364;ndern &#x017F;trebt, <hi rendition="#b">Kraft</hi> zu nennen. Dies i&#x017F;t weiter nichts, als Benennung einer Ur&#x017F;ache, welche vorhanden &#x017F;eyn muß, deren Natur und Wirkungsart aber uns eben &#x017F;o verborgen i&#x017F;t, als das, was uns die Hand fu&#x0364;hrt, wenn wir das Wort <hi rendition="#b">Kraft</hi> &#x017F;chreiben.</p>
          <p>Ein bewegter Ko&#x0364;rper &#x017F;etzt andere, die er antrift, mit &#x017F;ich in Bewegung, wenn &#x017F;ie ruhen, oder a&#x0364;ndert ihre Bewegungen, wenn &#x017F;ie &#x017F;chon vorher bewegt &#x017F;ind. Dies heißt <hi rendition="#b">Mittheilung der Bewegung.</hi> So &#x017F;etzen Men&#x017F;chen und Thiere auch andere Ko&#x0364;rper in Bewegung, ein Stein z. B. wird durch die Kraft des Men&#x017F;chen geworfen, eine Kugel bewegt die andere durch ihren Stoß. Dies i&#x017F;t eine zweyte Ent&#x017F;tehungs- und Aenderungsart der Bewegungen, von welcher die Artikel: <hi rendition="#b">Mittheilung der Bewegung</hi> und <hi rendition="#b">Stoß</hi> handeln.</p>
          <p>Bey die&#x017F;en beyden Ent&#x017F;tehungsarten der Bewegung i&#x017F;t es <hi rendition="#b">&#x017F;ichtbar,</hi> daß &#x017F;ie ihren Grund in einer a&#x0364;ußern, nicht im bewegten Ko&#x0364;rper befindlichen, Ur&#x017F;ache haben. Die Bewegung meiner Hand hat ihren Ur&#x017F;prung nicht aus der Hand, welche &#x017F;ich im todten Ko&#x0364;rper nicht mehr regen wird; &#x017F;ie ent&#x017F;pringt offenbar aus dem Ent&#x017F;chlu&#x017F;&#x017F;e eines frey handelnden vom Ko&#x0364;rper unter&#x017F;chiedenen We&#x017F;ens; der geworfne Stein wird vom Men&#x017F;chen, die ruhende Kugel von der &#x017F;toßenden bewegt. Aber es giebt auch Bewegungen, bey welchen eine a&#x0364;ußere Ur&#x017F;ache ihrer Ent&#x017F;tehung oder Aenderung nicht &#x017F;o &#x017F;ichtbar i&#x017F;t. Ein freygela&#x017F;&#x017F;ener Stein fa&#x0364;llt lothrecht auf die Erde nieder; der Mond la&#x0364;uft ununterbrochen in einer krummlinigten Bahn mit &#x017F;tets vera&#x0364;nderter Richtung um die Erde, ohne daß man a&#x0364;ußere Ur&#x017F;achen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[322/0336] Entſchluß auf eine fuͤr uns ſelbſt unerklaͤrbare Weiſe unſere Glieder, und Koͤrper, welche mit denſelben verbunden ſind; und die Thiere thun dies auf eine aͤhnliche Art. Da das hiebey angewandte Beſtreben Kraft heißt, und dieſe Kraft eine ſo reichhaltige Quelle von Bewegungen iſt, ſo hat man fuͤr gut gefunden, dieſen Namen auf alle Urſachen der Entſtehung und Aenderung von Bewegungen auszudehnen, und alſo alles, was den Zuſtand eines Koͤrpers in Abſicht auf Ruhe und Bewegung aͤndert oder zu aͤndern ſtrebt, Kraft zu nennen. Dies iſt weiter nichts, als Benennung einer Urſache, welche vorhanden ſeyn muß, deren Natur und Wirkungsart aber uns eben ſo verborgen iſt, als das, was uns die Hand fuͤhrt, wenn wir das Wort Kraft ſchreiben. Ein bewegter Koͤrper ſetzt andere, die er antrift, mit ſich in Bewegung, wenn ſie ruhen, oder aͤndert ihre Bewegungen, wenn ſie ſchon vorher bewegt ſind. Dies heißt Mittheilung der Bewegung. So ſetzen Menſchen und Thiere auch andere Koͤrper in Bewegung, ein Stein z. B. wird durch die Kraft des Menſchen geworfen, eine Kugel bewegt die andere durch ihren Stoß. Dies iſt eine zweyte Entſtehungs- und Aenderungsart der Bewegungen, von welcher die Artikel: Mittheilung der Bewegung und Stoß handeln. Bey dieſen beyden Entſtehungsarten der Bewegung iſt es ſichtbar, daß ſie ihren Grund in einer aͤußern, nicht im bewegten Koͤrper befindlichen, Urſache haben. Die Bewegung meiner Hand hat ihren Urſprung nicht aus der Hand, welche ſich im todten Koͤrper nicht mehr regen wird; ſie entſpringt offenbar aus dem Entſchluſſe eines frey handelnden vom Koͤrper unterſchiedenen Weſens; der geworfne Stein wird vom Menſchen, die ruhende Kugel von der ſtoßenden bewegt. Aber es giebt auch Bewegungen, bey welchen eine aͤußere Urſache ihrer Entſtehung oder Aenderung nicht ſo ſichtbar iſt. Ein freygelaſſener Stein faͤllt lothrecht auf die Erde nieder; der Mond laͤuft ununterbrochen in einer krummlinigten Bahn mit ſtets veraͤnderter Richtung um die Erde, ohne daß man aͤußere Urſachen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/336
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/336>, abgerufen am 24.11.2024.