Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.
Durch diese sehr gründlich angestellte Untersuchung ward Dollond selbst bewogen, an der Richtigkeit des newtonischen Versuchs zu zweifeln, und zur Anstellung eigner Versuche überzugehen. Er küttete daher zwo Glasscheiben mit den Rändern so zusammen, daß daraus ein prismatisches Gefäß entstand, kehrte dessen Schärfe niederwärts, stellte ein gläsernes Prisma mit der einen Schärfe aufwärts hinein, und füllte den übrigen Raum mit Wasser an. Wenn nun der Winkel, den beyde Glasscheiben mit einander machten, gerade so groß war, daß ein Gegenstand, durch dieses doppelte Prisma betrachtet, eben so hoch, als mit bloßen Augen, erschien, also beyde Brechungen, die durchs Glas, und die durchs Wasser geschehene, einander aufhoben, und der ausgehende Stral dem einfallenden parallel war, so sollte nach Newtons Grundsätzen der Gegenstand in seiner natürlichen Farbe erscheinen. Allein er erschien vielmehr eben so stark mit prismatischen Farben umringt, als ob er durch ein einziges gläsernes Prisma mit einem Winkel von etwa 30° wäre betrachtet worden. Hiebey hat also Dollond eine starke Färbung ohne Brechung erhalten, und konnte es also nicht mehr für unmöglich ansehen, auch eine Brechung ohne Farben zu bewerkstelligen. Er erhielt diese auch wirklich, da er einen Keil von gemeinem Tafelglase, dessen Winkel etwa 9° betrug, eben so, wie vorhin das gläserne Prisma, in ein keilförmiges, mit Wasser gefülltes Gefäß aus zwey Glasscheiben setzte. Denn, wenn er nun den Winkel beyder Glasscheiben so lang vergrößerte, bis der betrachtete Gegenstand ohne fremde Farben erschien, so sahe er denselben weit von dem Orte verrückt, an welchem er dem bloßen Auge würde erschienen seyn. Es war also klar, daß die Farbenzerstreuungen einander aufgehoben hatten, obgleich die Brechungen von einander verschieden waren; also ward Newtons Satz, vermöge dessen sich die Farbenzerstreuungen, wie
Durch dieſe ſehr gruͤndlich angeſtellte Unterſuchung ward Dollond ſelbſt bewogen, an der Richtigkeit des newtoniſchen Verſuchs zu zweifeln, und zur Anſtellung eigner Verſuche uͤberzugehen. Er kuͤttete daher zwo Glasſcheiben mit den Raͤndern ſo zuſammen, daß daraus ein prismatiſches Gefaͤß entſtand, kehrte deſſen Schaͤrfe niederwaͤrts, ſtellte ein glaͤſernes Prisma mit der einen Schaͤrfe aufwaͤrts hinein, und fuͤllte den uͤbrigen Raum mit Waſſer an. Wenn nun der Winkel, den beyde Glasſcheiben mit einander machten, gerade ſo groß war, daß ein Gegenſtand, durch dieſes doppelte Prisma betrachtet, eben ſo hoch, als mit bloßen Augen, erſchien, alſo beyde Brechungen, die durchs Glas, und die durchs Waſſer geſchehene, einander aufhoben, und der ausgehende Stral dem einfallenden parallel war, ſo ſollte nach Newtons Grundſaͤtzen der Gegenſtand in ſeiner natuͤrlichen Farbe erſcheinen. Allein er erſchien vielmehr eben ſo ſtark mit prismatiſchen Farben umringt, als ob er durch ein einziges glaͤſernes Prisma mit einem Winkel von etwa 30° waͤre betrachtet worden. Hiebey hat alſo Dollond eine ſtarke Faͤrbung ohne Brechung erhalten, und konnte es alſo nicht mehr fuͤr unmoͤglich anſehen, auch eine Brechung ohne Farben zu bewerkſtelligen. Er erhielt dieſe auch wirklich, da er einen Keil von gemeinem Tafelglaſe, deſſen Winkel etwa 9° betrug, eben ſo, wie vorhin das glaͤſerne Prisma, in ein keilfoͤrmiges, mit Waſſer gefuͤlltes Gefaͤß aus zwey Glasſcheiben ſetzte. Denn, wenn er nun den Winkel beyder Glasſcheiben ſo lang vergroͤßerte, bis der betrachtete Gegenſtand ohne fremde Farben erſchien, ſo ſahe er denſelben weit von dem Orte verruͤckt, an welchem er dem bloßen Auge wuͤrde erſchienen ſeyn. Es war alſo klar, daß die Farbenzerſtreuungen einander aufgehoben hatten, obgleich die Brechungen von einander verſchieden waren; alſo ward Newtons Satz, vermoͤge deſſen ſich die Farbenzerſtreuungen, wie <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0051" xml:id="P.1.37" n="37"/><lb/> Mittel noch gefaͤrbt ſeyn koͤnne, wenn gleich der ausfahrende Stral mit dem einfallenden parallel ſey.</p> <p>Durch dieſe ſehr gruͤndlich angeſtellte Unterſuchung ward <hi rendition="#b">Dollond</hi> ſelbſt bewogen, an der Richtigkeit des newtoniſchen Verſuchs zu zweifeln, und zur Anſtellung eigner Verſuche uͤberzugehen. Er kuͤttete daher zwo Glasſcheiben mit den Raͤndern ſo zuſammen, daß daraus ein prismatiſches Gefaͤß entſtand, kehrte deſſen Schaͤrfe niederwaͤrts, ſtellte ein glaͤſernes Prisma mit der einen Schaͤrfe aufwaͤrts hinein, und fuͤllte den uͤbrigen Raum mit Waſſer an. Wenn nun der Winkel, den beyde Glasſcheiben mit einander machten, gerade ſo groß war, daß ein Gegenſtand, durch dieſes doppelte Prisma betrachtet, eben ſo hoch, als mit bloßen Augen, erſchien, alſo beyde Brechungen, die durchs Glas, und die durchs Waſſer geſchehene, einander aufhoben, und der ausgehende Stral dem einfallenden parallel war, ſo ſollte nach <hi rendition="#b">Newtons</hi> Grundſaͤtzen der Gegenſtand in ſeiner natuͤrlichen Farbe erſcheinen. Allein er erſchien vielmehr eben ſo ſtark mit prismatiſchen Farben umringt, als ob er durch ein einziges glaͤſernes Prisma mit einem Winkel von etwa 30° waͤre betrachtet worden. Hiebey hat alſo <hi rendition="#b">Dollond</hi> eine ſtarke Faͤrbung ohne Brechung erhalten, und konnte es alſo nicht mehr fuͤr unmoͤglich anſehen, auch eine Brechung ohne Farben zu bewerkſtelligen.</p> <p>Er erhielt dieſe auch wirklich, da er einen Keil von gemeinem Tafelglaſe, deſſen Winkel etwa 9° betrug, eben ſo, wie vorhin das glaͤſerne Prisma, in ein keilfoͤrmiges, mit Waſſer gefuͤlltes Gefaͤß aus zwey Glasſcheiben ſetzte. Denn, wenn er nun den Winkel beyder Glasſcheiben ſo lang vergroͤßerte, bis der betrachtete Gegenſtand ohne fremde Farben erſchien, ſo ſahe er denſelben weit von dem Orte verruͤckt, an welchem er dem bloßen Auge wuͤrde erſchienen ſeyn. Es war alſo klar, daß die Farbenzerſtreuungen einander aufgehoben hatten, obgleich die Brechungen von einander verſchieden waren; alſo ward <hi rendition="#b">Newtons</hi> Satz, vermoͤge deſſen ſich die Farbenzerſtreuungen, wie<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [37/0051]
Mittel noch gefaͤrbt ſeyn koͤnne, wenn gleich der ausfahrende Stral mit dem einfallenden parallel ſey.
Durch dieſe ſehr gruͤndlich angeſtellte Unterſuchung ward Dollond ſelbſt bewogen, an der Richtigkeit des newtoniſchen Verſuchs zu zweifeln, und zur Anſtellung eigner Verſuche uͤberzugehen. Er kuͤttete daher zwo Glasſcheiben mit den Raͤndern ſo zuſammen, daß daraus ein prismatiſches Gefaͤß entſtand, kehrte deſſen Schaͤrfe niederwaͤrts, ſtellte ein glaͤſernes Prisma mit der einen Schaͤrfe aufwaͤrts hinein, und fuͤllte den uͤbrigen Raum mit Waſſer an. Wenn nun der Winkel, den beyde Glasſcheiben mit einander machten, gerade ſo groß war, daß ein Gegenſtand, durch dieſes doppelte Prisma betrachtet, eben ſo hoch, als mit bloßen Augen, erſchien, alſo beyde Brechungen, die durchs Glas, und die durchs Waſſer geſchehene, einander aufhoben, und der ausgehende Stral dem einfallenden parallel war, ſo ſollte nach Newtons Grundſaͤtzen der Gegenſtand in ſeiner natuͤrlichen Farbe erſcheinen. Allein er erſchien vielmehr eben ſo ſtark mit prismatiſchen Farben umringt, als ob er durch ein einziges glaͤſernes Prisma mit einem Winkel von etwa 30° waͤre betrachtet worden. Hiebey hat alſo Dollond eine ſtarke Faͤrbung ohne Brechung erhalten, und konnte es alſo nicht mehr fuͤr unmoͤglich anſehen, auch eine Brechung ohne Farben zu bewerkſtelligen.
Er erhielt dieſe auch wirklich, da er einen Keil von gemeinem Tafelglaſe, deſſen Winkel etwa 9° betrug, eben ſo, wie vorhin das glaͤſerne Prisma, in ein keilfoͤrmiges, mit Waſſer gefuͤlltes Gefaͤß aus zwey Glasſcheiben ſetzte. Denn, wenn er nun den Winkel beyder Glasſcheiben ſo lang vergroͤßerte, bis der betrachtete Gegenſtand ohne fremde Farben erſchien, ſo ſahe er denſelben weit von dem Orte verruͤckt, an welchem er dem bloßen Auge wuͤrde erſchienen ſeyn. Es war alſo klar, daß die Farbenzerſtreuungen einander aufgehoben hatten, obgleich die Brechungen von einander verſchieden waren; alſo ward Newtons Satz, vermoͤge deſſen ſich die Farbenzerſtreuungen, wie
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