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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.

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die Seite des Kastens be unter einem rechten Winkel mit AB zu stehen kömmt. An der innern Fläche des Gehäuses sind einander gegen über zween Punkre oder Striche bezeichnet, welche ebenfalls genau über dem Kiele AB liegen müssen. In dieser Lage wird der Compaß gewöhnlich befestiget, und heißt alsdann der Strichcompaß (Compas de route). Der Grad der Schifsrose, auf welchen die gedachten Striche einspielen, giebt alsdann den Winkel ncA an, unter welchem die Richtung des Kiels BA von dem magnetischen Meridian nc abweicht, und die dahin treffende Spitze des Sterns bezeichnet die Weltgegend, nach welcher der Kiel gekehrt ist. Ist dieses nun gerade diejenige, nach welcher man mit vollem Winde fortzusegeln wünscht, so werden die Segel, wie MO, senkrecht gegen den Kiel gedreht, damit der Wind sie nach der Richtung BA forttreibe.

Da aber der Wind nur selten so günstig ist, und oft von der Seite kömmt, so muß in solchen Fällen das Segel schief gegen die Richtung des Kiels gestellt werden; alsdann wird aber das Schif von dieser Richtung des Kiels seitwärts abgetrieben. Diese Abweichung wird durch den Variationscompaß bestimmt, welcher kein anderer, als der im vorigen beschriebene Azimuthalcompaß ist. Das Schiff läst durch seine schnelle Bewegung hinter sich in in der See eine Art von Bahn zurück, nach welcher man durch die Dioptern dieses Compasses visiren, und dadurch die Weltgegend, nach der es wirklich getrieben wird, leicht bestimmen kan. So zeigt der Strichcompaß stets die Richtung des Kiels, der Variationscompaß den wirklichen Lauf des Schifs an, und diese Data reichen hin, um in jedem Falle durch andere hieher nicht gehörige Vortheile der Schifkunst den Lauf so, wie es erfordert wird, zu lenken.

Hiebey wird aber doch eine genaue Kenntniß der jedesmaligen Abweichung der Magnetnadel an dem Orte, wo man sich befindet, vorausgesetzt. Die Compasse selbst geben die Weltgegenden nach dem magnetischen Meridiane an; sie sind also von den wahren Weltgegenden um diese


die Seite des Kaſtens be unter einem rechten Winkel mit AB zu ſtehen koͤmmt. An der innern Flaͤche des Gehaͤuſes ſind einander gegen uͤber zween Punkre oder Striche bezeichnet, welche ebenfalls genau uͤber dem Kiele AB liegen muͤſſen. In dieſer Lage wird der Compaß gewoͤhnlich befeſtiget, und heißt alsdann der Strichcompaß (Compas de route). Der Grad der Schifsroſe, auf welchen die gedachten Striche einſpielen, giebt alsdann den Winkel ncA an, unter welchem die Richtung des Kiels BA von dem magnetiſchen Meridian nc abweicht, und die dahin treffende Spitze des Sterns bezeichnet die Weltgegend, nach welcher der Kiel gekehrt iſt. Iſt dieſes nun gerade diejenige, nach welcher man mit vollem Winde fortzuſegeln wuͤnſcht, ſo werden die Segel, wie MO, ſenkrecht gegen den Kiel gedreht, damit der Wind ſie nach der Richtung BA forttreibe.

Da aber der Wind nur ſelten ſo guͤnſtig iſt, und oft von der Seite koͤmmt, ſo muß in ſolchen Faͤllen das Segel ſchief gegen die Richtung des Kiels geſtellt werden; alsdann wird aber das Schif von dieſer Richtung des Kiels ſeitwaͤrts abgetrieben. Dieſe Abweichung wird durch den Variationscompaß beſtimmt, welcher kein anderer, als der im vorigen beſchriebene Azimuthalcompaß iſt. Das Schiff laͤſt durch ſeine ſchnelle Bewegung hinter ſich in in der See eine Art von Bahn zuruͤck, nach welcher man durch die Dioptern dieſes Compaſſes viſiren, und dadurch die Weltgegend, nach der es wirklich getrieben wird, leicht beſtimmen kan. So zeigt der Strichcompaß ſtets die Richtung des Kiels, der Variationscompaß den wirklichen Lauf des Schifs an, und dieſe Data reichen hin, um in jedem Falle durch andere hieher nicht gehoͤrige Vortheile der Schifkunſt den Lauf ſo, wie es erfordert wird, zu lenken.

Hiebey wird aber doch eine genaue Kenntniß der jedesmaligen Abweichung der Magnetnadel an dem Orte, wo man ſich befindet, vorausgeſetzt. Die Compaſſe ſelbſt geben die Weltgegenden nach dem magnetiſchen Meridiane an; ſie ſind alſo von den wahren Weltgegenden um dieſe

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[526/0540] die Seite des Kaſtens be unter einem rechten Winkel mit AB zu ſtehen koͤmmt. An der innern Flaͤche des Gehaͤuſes ſind einander gegen uͤber zween Punkre oder Striche bezeichnet, welche ebenfalls genau uͤber dem Kiele AB liegen muͤſſen. In dieſer Lage wird der Compaß gewoͤhnlich befeſtiget, und heißt alsdann der Strichcompaß (Compas de route). Der Grad der Schifsroſe, auf welchen die gedachten Striche einſpielen, giebt alsdann den Winkel ncA an, unter welchem die Richtung des Kiels BA von dem magnetiſchen Meridian nc abweicht, und die dahin treffende Spitze des Sterns bezeichnet die Weltgegend, nach welcher der Kiel gekehrt iſt. Iſt dieſes nun gerade diejenige, nach welcher man mit vollem Winde fortzuſegeln wuͤnſcht, ſo werden die Segel, wie MO, ſenkrecht gegen den Kiel gedreht, damit der Wind ſie nach der Richtung BA forttreibe. Da aber der Wind nur ſelten ſo guͤnſtig iſt, und oft von der Seite koͤmmt, ſo muß in ſolchen Faͤllen das Segel ſchief gegen die Richtung des Kiels geſtellt werden; alsdann wird aber das Schif von dieſer Richtung des Kiels ſeitwaͤrts abgetrieben. Dieſe Abweichung wird durch den Variationscompaß beſtimmt, welcher kein anderer, als der im vorigen beſchriebene Azimuthalcompaß iſt. Das Schiff laͤſt durch ſeine ſchnelle Bewegung hinter ſich in in der See eine Art von Bahn zuruͤck, nach welcher man durch die Dioptern dieſes Compaſſes viſiren, und dadurch die Weltgegend, nach der es wirklich getrieben wird, leicht beſtimmen kan. So zeigt der Strichcompaß ſtets die Richtung des Kiels, der Variationscompaß den wirklichen Lauf des Schifs an, und dieſe Data reichen hin, um in jedem Falle durch andere hieher nicht gehoͤrige Vortheile der Schifkunſt den Lauf ſo, wie es erfordert wird, zu lenken. Hiebey wird aber doch eine genaue Kenntniß der jedesmaligen Abweichung der Magnetnadel an dem Orte, wo man ſich befindet, vorausgeſetzt. Die Compaſſe ſelbſt geben die Weltgegenden nach dem magnetiſchen Meridiane an; ſie ſind alſo von den wahren Weltgegenden um dieſe

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 526. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/540>, abgerufen am 28.09.2024.