Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.
So theilten sich die aerostatischen Maschinen gleich bey ihrer Erfindung in zwo Classen, diejenigen nemlich, welche nach der Art der Montgolfiers mit erhitzter oder verdünnter Luft, und die, welche nach Charles Beyspiele mit brennbarer Luft gefüllt werden. Der jüngere Montgolfier kam um diese Zeit nach Paris, und stellte daselbst einige Versuche mit Maschinen an, welche durch Hülfe des Feuers gefüllt wurden. Der merkwürdigste darunter ist der zu Versailles am 19 Sept. 1783 vor dem Könige von Frankreich angestellte, bey welchem ein Sphäroid von Leinwand, 57 Fuß hoch und 41 breit, dessen Inhalt 37500 Cubikschuh betrug, durch Verbrennung von 80 Pfund Stroh und 5 Pfund Wolle aufgeschwellt und auf eine Höhe von 240 Toisen erhoben wurde. Dieser Ball, der mit den daran befestigten Stricken und dem Kefich (worinn sich ein Hammel, eine Ente und ein Hahn befand) 900 Pfund wog, erhielt sich 8 Minuten lang in der Luft, und fiel bey Vaucresson, 1700 Toisen weit von dem Orte des Aufsteigens, so sanft nieder, daß die Thiere dadurch nicht im Geringsten beschädiget wurden. Dieser Versuch zeigt deutlich, daß das, was die aerostatische Maschine hebt, kein aus den verbrannten Materien entbundenes Gas seyn könne. Die Montgolfiers glaubten bey ihren Versuchen das, was die Maschine ausfüllte, etwa halb so schwer als die atmosphärische Luft gefunden zu haben. Da ein Sphäroid von 37500 Cubikschuh Inhalt ohngefähr 3192 Pfund atmosphärische Luft enthalten kan, so muß die darinn beym Versuch enthaltene Materie halb so viel, d. i. 1596 Pfund gewogen haben. Nun ist es physisch unmöglich, daß 85 Pfund verbrannte Materialien mehr als 85 Pfund Gas oder Dämpfe erzeugen können, woraus sogleich zu übersehen ist, daß wenigstens 1511 Pfund atmosphärische Luft in der Höhlung des Sphäroids seyn mußten, welches auch daraus erhellt, weil der durchs Feuer entstehende Luftzug eben dasjenige ist, was
So theilten ſich die aeroſtatiſchen Maſchinen gleich bey ihrer Erfindung in zwo Claſſen, diejenigen nemlich, welche nach der Art der Montgolfiers mit erhitzter oder verduͤnnter Luft, und die, welche nach Charles Beyſpiele mit brennbarer Luft gefuͤllt werden. Der juͤngere Montgolfier kam um dieſe Zeit nach Paris, und ſtellte daſelbſt einige Verſuche mit Maſchinen an, welche durch Huͤlfe des Feuers gefuͤllt wurden. Der merkwuͤrdigſte darunter iſt der zu Verſailles am 19 Sept. 1783 vor dem Koͤnige von Frankreich angeſtellte, bey welchem ein Sphaͤroid von Leinwand, 57 Fuß hoch und 41 breit, deſſen Inhalt 37500 Cubikſchuh betrug, durch Verbrennung von 80 Pfund Stroh und 5 Pfund Wolle aufgeſchwellt und auf eine Hoͤhe von 240 Toiſen erhoben wurde. Dieſer Ball, der mit den daran befeſtigten Stricken und dem Kefich (worinn ſich ein Hammel, eine Ente und ein Hahn befand) 900 Pfund wog, erhielt ſich 8 Minuten lang in der Luft, und fiel bey Vaucreſſon, 1700 Toiſen weit von dem Orte des Aufſteigens, ſo ſanft nieder, daß die Thiere dadurch nicht im Geringſten beſchaͤdiget wurden. Dieſer Verſuch zeigt deutlich, daß das, was die aeroſtatiſche Maſchine hebt, kein aus den verbrannten Materien entbundenes Gas ſeyn koͤnne. Die Montgolfiers glaubten bey ihren Verſuchen das, was die Maſchine ausfuͤllte, etwa halb ſo ſchwer als die atmoſphaͤriſche Luft gefunden zu haben. Da ein Sphaͤroid von 37500 Cubikſchuh Inhalt ohngefaͤhr 3192 Pfund atmoſphaͤriſche Luft enthalten kan, ſo muß die darinn beym Verſuch enthaltene Materie halb ſo viel, d. i. 1596 Pfund gewogen haben. Nun iſt es phyſiſch unmoͤglich, daß 85 Pfund verbrannte Materialien mehr als 85 Pfund Gas oder Daͤmpfe erzeugen koͤnnen, woraus ſogleich zu uͤberſehen iſt, daß wenigſtens 1511 Pfund atmoſphaͤriſche Luft in der Hoͤhlung des Sphaͤroids ſeyn mußten, welches auch daraus erhellt, weil der durchs Feuer entſtehende Luftzug eben dasjenige iſt, was <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0072" xml:id="P.1.58" n="58"/><lb/> dreyen Viertelſtunden bey dem Dorfe Goneſſe, 5 Stunden weit von Paris, ſehr ſanft nieder.</p> <p>So theilten ſich die aeroſtatiſchen Maſchinen gleich bey ihrer Erfindung in zwo Claſſen, diejenigen nemlich, welche nach der Art der <hi rendition="#b">Montgolfiers</hi> mit <hi rendition="#b">erhitzter</hi> oder <hi rendition="#b">verduͤnnter Luft,</hi> und die, welche nach <hi rendition="#b">Charles</hi> Beyſpiele mit <hi rendition="#b">brennbarer Luft</hi> gefuͤllt werden.</p> <p>Der juͤngere Montgolfier kam um dieſe Zeit nach Paris, und ſtellte daſelbſt einige Verſuche mit Maſchinen an, welche durch Huͤlfe des Feuers gefuͤllt wurden. Der merkwuͤrdigſte darunter iſt der zu Verſailles am 19 Sept. 1783 vor dem Koͤnige von Frankreich angeſtellte, bey welchem ein Sphaͤroid von Leinwand, 57 Fuß hoch und 41 breit, deſſen Inhalt 37500 Cubikſchuh betrug, durch Verbrennung von 80 Pfund Stroh und 5 Pfund Wolle aufgeſchwellt und auf eine Hoͤhe von 240 Toiſen erhoben wurde. Dieſer Ball, der mit den daran befeſtigten Stricken und dem Kefich (worinn ſich ein Hammel, eine Ente und ein Hahn befand) 900 Pfund wog, erhielt ſich 8 Minuten lang in der Luft, und fiel bey <hi rendition="#b">Vaucreſſon,</hi> 1700 Toiſen weit von dem Orte des Aufſteigens, ſo ſanft nieder, daß die Thiere dadurch nicht im Geringſten beſchaͤdiget wurden. Dieſer Verſuch zeigt deutlich, daß das, was die aeroſtatiſche Maſchine hebt, kein aus den verbrannten Materien entbundenes <hi rendition="#b">Gas</hi> ſeyn koͤnne. Die Montgolfiers glaubten bey ihren Verſuchen das, was die Maſchine ausfuͤllte, etwa halb ſo ſchwer als die atmoſphaͤriſche Luft gefunden zu haben. Da ein Sphaͤroid von 37500 Cubikſchuh Inhalt ohngefaͤhr 3192 Pfund atmoſphaͤriſche Luft enthalten kan, ſo muß die darinn beym Verſuch enthaltene Materie halb ſo viel, d. i. 1596 Pfund gewogen haben. Nun iſt es phyſiſch unmoͤglich, daß 85 Pfund verbrannte Materialien mehr als 85 Pfund Gas oder Daͤmpfe erzeugen koͤnnen, woraus ſogleich zu uͤberſehen iſt, daß wenigſtens 1511 Pfund atmoſphaͤriſche Luft in der Hoͤhlung des Sphaͤroids ſeyn mußten, welches auch daraus erhellt, weil der durchs Feuer entſtehende Luftzug eben dasjenige iſt, was<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [58/0072]
dreyen Viertelſtunden bey dem Dorfe Goneſſe, 5 Stunden weit von Paris, ſehr ſanft nieder.
So theilten ſich die aeroſtatiſchen Maſchinen gleich bey ihrer Erfindung in zwo Claſſen, diejenigen nemlich, welche nach der Art der Montgolfiers mit erhitzter oder verduͤnnter Luft, und die, welche nach Charles Beyſpiele mit brennbarer Luft gefuͤllt werden.
Der juͤngere Montgolfier kam um dieſe Zeit nach Paris, und ſtellte daſelbſt einige Verſuche mit Maſchinen an, welche durch Huͤlfe des Feuers gefuͤllt wurden. Der merkwuͤrdigſte darunter iſt der zu Verſailles am 19 Sept. 1783 vor dem Koͤnige von Frankreich angeſtellte, bey welchem ein Sphaͤroid von Leinwand, 57 Fuß hoch und 41 breit, deſſen Inhalt 37500 Cubikſchuh betrug, durch Verbrennung von 80 Pfund Stroh und 5 Pfund Wolle aufgeſchwellt und auf eine Hoͤhe von 240 Toiſen erhoben wurde. Dieſer Ball, der mit den daran befeſtigten Stricken und dem Kefich (worinn ſich ein Hammel, eine Ente und ein Hahn befand) 900 Pfund wog, erhielt ſich 8 Minuten lang in der Luft, und fiel bey Vaucreſſon, 1700 Toiſen weit von dem Orte des Aufſteigens, ſo ſanft nieder, daß die Thiere dadurch nicht im Geringſten beſchaͤdiget wurden. Dieſer Verſuch zeigt deutlich, daß das, was die aeroſtatiſche Maſchine hebt, kein aus den verbrannten Materien entbundenes Gas ſeyn koͤnne. Die Montgolfiers glaubten bey ihren Verſuchen das, was die Maſchine ausfuͤllte, etwa halb ſo ſchwer als die atmoſphaͤriſche Luft gefunden zu haben. Da ein Sphaͤroid von 37500 Cubikſchuh Inhalt ohngefaͤhr 3192 Pfund atmoſphaͤriſche Luft enthalten kan, ſo muß die darinn beym Verſuch enthaltene Materie halb ſo viel, d. i. 1596 Pfund gewogen haben. Nun iſt es phyſiſch unmoͤglich, daß 85 Pfund verbrannte Materialien mehr als 85 Pfund Gas oder Daͤmpfe erzeugen koͤnnen, woraus ſogleich zu uͤberſehen iſt, daß wenigſtens 1511 Pfund atmoſphaͤriſche Luft in der Hoͤhlung des Sphaͤroids ſeyn mußten, welches auch daraus erhellt, weil der durchs Feuer entſtehende Luftzug eben dasjenige iſt, was
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |