Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.
Descartes (Dioptr. p. 68. 69. und De homine, p. 66--71) erläutert die natürliche Methode, die Lage und Entfernung der Gegenstände durch die Nichtung der Augenaxen zu beurtheilen, durch eine Vergleichung mit der Art, wie ein Blinder von der Entfernung einer Sache vermittelst zweener Stäbe, selbst von unbekannter Länge, urtheilet, wenn er diese Stäbe in beyden Händen hält. Er setzt hinzu, bey veränderter Entfernung des betrachteten Gegenstands, ändere sich die Figur der Krystallinse, vielleicht auch des ganzen Auges, und damit zugleich eines Theiles vom Gehirn, wodurch die Seele die Entfernungen zu schätzen wisse. Aber, sagt er, die Methoden, von den Entfernungen zu urtheilen, sind unsicher und in enge Grenzen eingeschränkt; die Veränderung in der Figur des Auges dienet nur in Weiten von 3--4 Fuß, und die Richtung der Augenaxen hilft in Entfernungen über 20 Fuß auch nicht mehr. Weil bey großen Entfernungen der Winkel der Augenaxen sich nicht mehr merklich verändere, so könne man sich keine Entfernungen über 100--200 Fuß vorstellen. Smith hat sich im Lehrbegriffe der Optik (der deutschen Ausgabe, S. 45 u. f.) bemüht, das Urtheil über die Entfernungen der Dinge lediglich von ihrer scheinbaren Größe herzuleiten, worunter er hier den Sehewinkel versteht, s. Größe, scheinbare. "Da uns die Erfahrung "gelehrt hat, sagt er, daß gewisse scheinbare Größen eines "bekannten Körpers beständig mit gewissen Entfernungen "verbunden sind, so erreget die Empfindung der Größe ei"nes Körpers alsobald die Vorstellung seines Abstandes.-- "Die Begriffe veränderlicher Entfernungen müssen durch "gewisse veränderliche Empfindungen erregt werden.-- "Indem sich aber die wirkliche Entfernung einer Sache "verändert, so verändert sich im Bilde nichts, als dessen
Descartes (Dioptr. p. 68. 69. und De homine, p. 66—71) erlaͤutert die natuͤrliche Methode, die Lage und Entfernung der Gegenſtaͤnde durch die Nichtung der Augenaxen zu beurtheilen, durch eine Vergleichung mit der Art, wie ein Blinder von der Entfernung einer Sache vermittelſt zweener Staͤbe, ſelbſt von unbekannter Laͤnge, urtheilet, wenn er dieſe Staͤbe in beyden Haͤnden haͤlt. Er ſetzt hinzu, bey veraͤnderter Entfernung des betrachteten Gegenſtands, aͤndere ſich die Figur der Kryſtallinſe, vielleicht auch des ganzen Auges, und damit zugleich eines Theiles vom Gehirn, wodurch die Seele die Entfernungen zu ſchaͤtzen wiſſe. Aber, ſagt er, die Methoden, von den Entfernungen zu urtheilen, ſind unſicher und in enge Grenzen eingeſchraͤnkt; die Veraͤnderung in der Figur des Auges dienet nur in Weiten von 3—4 Fuß, und die Richtung der Augenaxen hilft in Entfernungen uͤber 20 Fuß auch nicht mehr. Weil bey großen Entfernungen der Winkel der Augenaxen ſich nicht mehr merklich veraͤndere, ſo koͤnne man ſich keine Entfernungen uͤber 100—200 Fuß vorſtellen. Smith hat ſich im Lehrbegriffe der Optik (der deutſchen Ausgabe, S. 45 u. f.) bemuͤht, das Urtheil uͤber die Entfernungen der Dinge lediglich von ihrer ſcheinbaren Groͤße herzuleiten, worunter er hier den Sehewinkel verſteht, ſ. Groͤße, ſcheinbare. ”Da uns die Erfahrung ”gelehrt hat, ſagt er, daß gewiſſe ſcheinbare Groͤßen eines ”bekannten Koͤrpers beſtaͤndig mit gewiſſen Entfernungen ”verbunden ſind, ſo erreget die Empfindung der Groͤße ei”nes Koͤrpers alſobald die Vorſtellung ſeines Abſtandes.— ”Die Begriffe veraͤnderlicher Entfernungen muͤſſen durch ”gewiſſe veraͤnderliche Empfindungen erregt werden.— ”Indem ſich aber die wirkliche Entfernung einer Sache ”veraͤndert, ſo veraͤndert ſich im Bilde nichts, als deſſen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0857" xml:id="P.1.843" n="843"/><lb/> auf den Augenſtern fallenden Stralen ſchneiden <hi rendition="#aq">(in verticem coni luminoſi),</hi> welche Aeußerung Keplers bereits bey dem Worte: <hi rendition="#b">Bild,</hi> angefuͤhrt worden iſt. Er ſetzt noch hinzu, daß der ſtaͤrkere oder ſchwaͤchere Grad des Lichts die Schaͤtzung der Entfernungen befoͤrdern helfe.</p> <p><hi rendition="#b">Descartes</hi> (<hi rendition="#aq">Dioptr. p. 68. 69.</hi> und <hi rendition="#aq">De homine, p. 66—71)</hi> erlaͤutert die natuͤrliche Methode, die Lage und Entfernung der Gegenſtaͤnde durch die Nichtung der Augenaxen zu beurtheilen, durch eine Vergleichung mit der Art, wie ein Blinder von der Entfernung einer Sache vermittelſt zweener Staͤbe, ſelbſt von unbekannter Laͤnge, urtheilet, wenn er dieſe Staͤbe in beyden Haͤnden haͤlt. Er ſetzt hinzu, bey veraͤnderter Entfernung des betrachteten Gegenſtands, aͤndere ſich die Figur der Kryſtallinſe, vielleicht auch des ganzen Auges, und damit zugleich eines Theiles vom Gehirn, wodurch die Seele die Entfernungen zu ſchaͤtzen wiſſe. Aber, ſagt er, die Methoden, von den Entfernungen zu urtheilen, ſind unſicher und in enge Grenzen eingeſchraͤnkt; die Veraͤnderung in der Figur des Auges dienet nur in Weiten von 3—4 Fuß, und die Richtung der Augenaxen hilft in Entfernungen uͤber 20 Fuß auch nicht mehr. Weil bey großen Entfernungen der Winkel der Augenaxen ſich nicht mehr merklich veraͤndere, ſo koͤnne man ſich keine Entfernungen uͤber 100—200 Fuß vorſtellen.</p> <p><hi rendition="#b">Smith</hi> hat ſich im Lehrbegriffe der Optik (der deutſchen Ausgabe, S. 45 u. f.) bemuͤht, das Urtheil uͤber die Entfernungen der Dinge lediglich von ihrer ſcheinbaren Groͤße herzuleiten, worunter er hier den Sehewinkel verſteht, <hi rendition="#b">ſ. Groͤße, ſcheinbare.</hi> ”Da uns die Erfahrung ”gelehrt hat, ſagt er, daß gewiſſe ſcheinbare Groͤßen eines ”bekannten Koͤrpers beſtaͤndig mit gewiſſen Entfernungen ”verbunden ſind, ſo erreget die Empfindung der Groͤße ei”nes Koͤrpers alſobald die Vorſtellung ſeines Abſtandes.— ”Die Begriffe veraͤnderlicher Entfernungen muͤſſen durch ”gewiſſe veraͤnderliche Empfindungen erregt werden.— ”Indem ſich aber die wirkliche Entfernung einer Sache ”veraͤndert, ſo veraͤndert ſich im Bilde nichts, als deſſen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [843/0857]
auf den Augenſtern fallenden Stralen ſchneiden (in verticem coni luminoſi), welche Aeußerung Keplers bereits bey dem Worte: Bild, angefuͤhrt worden iſt. Er ſetzt noch hinzu, daß der ſtaͤrkere oder ſchwaͤchere Grad des Lichts die Schaͤtzung der Entfernungen befoͤrdern helfe.
Descartes (Dioptr. p. 68. 69. und De homine, p. 66—71) erlaͤutert die natuͤrliche Methode, die Lage und Entfernung der Gegenſtaͤnde durch die Nichtung der Augenaxen zu beurtheilen, durch eine Vergleichung mit der Art, wie ein Blinder von der Entfernung einer Sache vermittelſt zweener Staͤbe, ſelbſt von unbekannter Laͤnge, urtheilet, wenn er dieſe Staͤbe in beyden Haͤnden haͤlt. Er ſetzt hinzu, bey veraͤnderter Entfernung des betrachteten Gegenſtands, aͤndere ſich die Figur der Kryſtallinſe, vielleicht auch des ganzen Auges, und damit zugleich eines Theiles vom Gehirn, wodurch die Seele die Entfernungen zu ſchaͤtzen wiſſe. Aber, ſagt er, die Methoden, von den Entfernungen zu urtheilen, ſind unſicher und in enge Grenzen eingeſchraͤnkt; die Veraͤnderung in der Figur des Auges dienet nur in Weiten von 3—4 Fuß, und die Richtung der Augenaxen hilft in Entfernungen uͤber 20 Fuß auch nicht mehr. Weil bey großen Entfernungen der Winkel der Augenaxen ſich nicht mehr merklich veraͤndere, ſo koͤnne man ſich keine Entfernungen uͤber 100—200 Fuß vorſtellen.
Smith hat ſich im Lehrbegriffe der Optik (der deutſchen Ausgabe, S. 45 u. f.) bemuͤht, das Urtheil uͤber die Entfernungen der Dinge lediglich von ihrer ſcheinbaren Groͤße herzuleiten, worunter er hier den Sehewinkel verſteht, ſ. Groͤße, ſcheinbare. ”Da uns die Erfahrung ”gelehrt hat, ſagt er, daß gewiſſe ſcheinbare Groͤßen eines ”bekannten Koͤrpers beſtaͤndig mit gewiſſen Entfernungen ”verbunden ſind, ſo erreget die Empfindung der Groͤße ei”nes Koͤrpers alſobald die Vorſtellung ſeines Abſtandes.— ”Die Begriffe veraͤnderlicher Entfernungen muͤſſen durch ”gewiſſe veraͤnderliche Empfindungen erregt werden.— ”Indem ſich aber die wirkliche Entfernung einer Sache ”veraͤndert, ſo veraͤndert ſich im Bilde nichts, als deſſen
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