Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.Am deutlichsten sind die Umstände, welche sich in das Urtheil der Seele über die Entfernungen einmischen, von D. Porterfield(Treatise on the eye, Edinburg 1759. ll. Vol. 8. im Vol. ll. p. 387. u. f.) aus einander gesetzt worden. Priestley giebt in der Geschichte der Optik einen Auszug aus Porterfields Bemerkungen, von welchem ich hier das Vornehmste mittheilen will. Das erste Mittel, dessen sich die Seele bedienet, die Entfernung einer Sache zu schätzen, ist nach ihm die Einrichtung, welche das Auge annehmen muß, um auf verschiedene Entfernungen deutlich zu sehen. Diese Einrichtung bestehe nun, worinn sie wolle, s. Auge, so scheint es doch, daß die Seele sich der dazu nöthigen Bemühungen bewußt, und dadurch im Stande ist, selbst mit einem Auge allein Entfernungen zu schätzen. Dieses Mittel findet aber nur für geringe Entfernungen statt, die innerhalb der Grenzen des deutlichen Sehens liegen, obgleich selbst über diese Grenzen hinaus der Grad der Deutlichkeit, den man bey der stärksten Anstrengung des Auges erreichen kan, vielleicht noch ein Mittel abgiebt, die Entfernung des Gegenstands zu beurtheilen. Wird aber endlich die Entfernung so groß, daß die Größe des Augensterns dagegen nicht mehr in Vergleichung kömmt, so wird man alle auf das Auge fallende Stralen als parallelansehen können, und die Deutlich keit des gesehenen Bildes wird sich nicht mehr ändern, so stark auch die Entfernung weiterfort zunehmen mag. Ein zweytes und allgemeineres Mittel giebt der Winkel der bey den Augenaxen. Die Augen sind gleichsam zween Standpunkte, aus welchen man die Entfernung aufnimmt darum fehlen Einäugige so oft, wenn sie Getränk in ein Glas gießen, eine Nadel einfädeln wollen u. dgl. Man hänge einen Ring an einem Faden auf, stelle sich 2--3 Schritte davon mit dem Gesichte gegen die schmale Fläche desselben gekehrt, und versuche mit einem am Ende gekrümmten Stabe durch die Oeffnung des Rings zu fahren. Sind beyde Augen offen, so wird dies leicht seyn; schließt man aber das eine, so wird man selten treffen. Uebrigens hilft dieses Mittel auch nur bis auf Weiten, gegen welche Am deutlichſten ſind die Umſtaͤnde, welche ſich in das Urtheil der Seele uͤber die Entfernungen einmiſchen, von D. Porterfield(Treatiſe on the eye, Edinburg 1759. ll. Vol. 8. im Vol. ll. p. 387. u. f.) aus einander geſetzt worden. Prieſtley giebt in der Geſchichte der Optik einen Auszug aus Porterfields Bemerkungen, von welchem ich hier das Vornehmſte mittheilen will. Das erſte Mittel, deſſen ſich die Seele bedienet, die Entfernung einer Sache zu ſchaͤtzen, iſt nach ihm die Einrichtung, welche das Auge annehmen muß, um auf verſchiedene Entfernungen deutlich zu ſehen. Dieſe Einrichtung beſtehe nun, worinn ſie wolle, ſ. Auge, ſo ſcheint es doch, daß die Seele ſich der dazu noͤthigen Bemuͤhungen bewußt, und dadurch im Stande iſt, ſelbſt mit einem Auge allein Entfernungen zu ſchaͤtzen. Dieſes Mittel findet aber nur fuͤr geringe Entfernungen ſtatt, die innerhalb der Grenzen des deutlichen Sehens liegen, obgleich ſelbſt uͤber dieſe Grenzen hinaus der Grad der Deutlichkeit, den man bey der ſtaͤrkſten Anſtrengung des Auges erreichen kan, vielleicht noch ein Mittel abgiebt, die Entfernung des Gegenſtands zu beurtheilen. Wird aber endlich die Entfernung ſo groß, daß die Groͤße des Augenſterns dagegen nicht mehr in Vergleichung koͤmmt, ſo wird man alle auf das Auge fallende Stralen als parallelanſehen koͤnnen, und die Deutlich keit des geſehenen Bildes wird ſich nicht mehr aͤndern, ſo ſtark auch die Entfernung weiterfort zunehmen mag. Ein zweytes und allgemeineres Mittel giebt der Winkel der bey den Augenaxen. Die Augen ſind gleichſam zween Standpunkte, aus welchen man die Entfernung aufnimmt darum fehlen Einaͤugige ſo oft, wenn ſie Getraͤnk in ein Glas gießen, eine Nadel einfaͤdeln wollen u. dgl. Man haͤnge einen Ring an einem Faden auf, ſtelle ſich 2—3 Schritte davon mit dem Geſichte gegen die ſchmale Flaͤche deſſelben gekehrt, und verſuche mit einem am Ende gekruͤmmten Stabe durch die Oeffnung des Rings zu fahren. Sind beyde Augen offen, ſo wird dies leicht ſeyn; ſchließt man aber das eine, ſo wird man ſelten treffen. Uebrigens hilft dieſes Mittel auch nur bis auf Weiten, gegen welche <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p> <pb facs="#f0859" xml:id="P.1.845" n="845"/><lb/> </p> <p>Am deutlichſten ſind die Umſtaͤnde, welche ſich in das Urtheil der Seele uͤber die Entfernungen einmiſchen, von <hi rendition="#b">D. Porterfield</hi>(<hi rendition="#aq">Treatiſe on the eye, Edinburg 1759. ll. 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Am deutlichſten ſind die Umſtaͤnde, welche ſich in das Urtheil der Seele uͤber die Entfernungen einmiſchen, von D. Porterfield(Treatiſe on the eye, Edinburg 1759. ll. Vol. 8. im Vol. ll. p. 387. u. f.) aus einander geſetzt worden. Prieſtley giebt in der Geſchichte der Optik einen Auszug aus Porterfields Bemerkungen, von welchem ich hier das Vornehmſte mittheilen will.
Das erſte Mittel, deſſen ſich die Seele bedienet, die Entfernung einer Sache zu ſchaͤtzen, iſt nach ihm die Einrichtung, welche das Auge annehmen muß, um auf verſchiedene Entfernungen deutlich zu ſehen. Dieſe Einrichtung beſtehe nun, worinn ſie wolle, ſ. Auge, ſo ſcheint es doch, daß die Seele ſich der dazu noͤthigen Bemuͤhungen bewußt, und dadurch im Stande iſt, ſelbſt mit einem Auge allein Entfernungen zu ſchaͤtzen. Dieſes Mittel findet aber nur fuͤr geringe Entfernungen ſtatt, die innerhalb der Grenzen des deutlichen Sehens liegen, obgleich ſelbſt uͤber dieſe Grenzen hinaus der Grad der Deutlichkeit, den man bey der ſtaͤrkſten Anſtrengung des Auges erreichen kan, vielleicht noch ein Mittel abgiebt, die Entfernung des Gegenſtands zu beurtheilen. Wird aber endlich die Entfernung ſo groß, daß die Groͤße des Augenſterns dagegen nicht mehr in Vergleichung koͤmmt, ſo wird man alle auf das Auge fallende Stralen als parallelanſehen koͤnnen, und die Deutlich keit des geſehenen Bildes wird ſich nicht mehr aͤndern, ſo ſtark auch die Entfernung weiterfort zunehmen mag.
Ein zweytes und allgemeineres Mittel giebt der Winkel der bey den Augenaxen. Die Augen ſind gleichſam zween Standpunkte, aus welchen man die Entfernung aufnimmt darum fehlen Einaͤugige ſo oft, wenn ſie Getraͤnk in ein Glas gießen, eine Nadel einfaͤdeln wollen u. dgl. Man haͤnge einen Ring an einem Faden auf, ſtelle ſich 2—3 Schritte davon mit dem Geſichte gegen die ſchmale Flaͤche deſſelben gekehrt, und verſuche mit einem am Ende gekruͤmmten Stabe durch die Oeffnung des Rings zu fahren. Sind beyde Augen offen, ſo wird dies leicht ſeyn; ſchließt man aber das eine, ſo wird man ſelten treffen. Uebrigens hilft dieſes Mittel auch nur bis auf Weiten, gegen welche
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