Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.
Wenn die der Fäulniß fähigen Stoffe einer feuchten Wärme ausgesetzt sind, so zeigt sich die Fäulung sehr geschwind durch Veränderung der Farbe, des Geruchs und Geschmacks, bey durchsichtigen Flüßigkeiten auch durch das Trübwerden. Mit dem Fortgange der Fäulniß wird der Geruch immer ekelhafter und erhält zuletzt das Stechende, welches von dem beym Faulen entbundenen flüchtigen Alkali herrühret, und das man so oft in den heimlichen Gemächern bey Veränderungen der Witterung bemerkt. Die Fäulniß zerstört den ganzen organischen Bau der Pflanzen und thierischen Körper, und verwandelt sie in flüchtiges Alkali, stinkendes Oel und Erde, welches die einzigen Materien sind, die man durch die Destillation aus verfaulten Substanzen erhält. Durch diese Operation zerstört die Natur von selbst ihr eignes Werk, sobald Pflanzen und Thiere zu leben aufhören; aber sie läst die zertrennten Bestandtheile wiederum in den Bau neuer Körper übergehen, und erhält sich durch diesen Kreislauf immer in einer ununterbrochnen Thätigkeit. Die Fäulniß reizt viele Insekten, ihre Eyer in die faulenden Körper zu legen, welche darinn ausgebrütet werden; daher man fast überall beym Faulen Maden und Würmer findet. Man hat oft geglaubt, die Fäulniß selbst erzeuge Thierchen, oder komme von ihnen her, welches letztere Kircher und Linne (Amoen. acad. To. V. p. 94.) behauptet haben. Aber William Alexander (Medicinische Versuche, a. d. Engl. Leipzig, 1773. 8. S. 246. u. f.) hat diese Meinung durch sorgfältig angestellte Beobachtungen vollkommen widerlegt. Macbride (Versuche, a. d. Engl. Zürich, 1766. 8.) hat die Entweichung der fixen Luft für die Ursache der Fäulniß halten wollen. Andere haben sie in der atmosphärischen Luft gesucht, die doch nur eine gelegentliche Ursache und ohne feuchte Wärme unwirksam ist, auch abgeschnitten werden kan, ohne darum die Fäulniß zu hindern. Die Ursache der Fäulniß ist also noch für uns ein Geheimniß: wahrscheinlich liegt sie in einer besondern Art
Wenn die der Faͤulniß faͤhigen Stoffe einer feuchten Waͤrme ausgeſetzt ſind, ſo zeigt ſich die Faͤulung ſehr geſchwind durch Veraͤnderung der Farbe, des Geruchs und Geſchmacks, bey durchſichtigen Fluͤßigkeiten auch durch das Truͤbwerden. Mit dem Fortgange der Faͤulniß wird der Geruch immer ekelhafter und erhaͤlt zuletzt das Stechende, welches von dem beym Faulen entbundenen fluͤchtigen Alkali herruͤhret, und das man ſo oft in den heimlichen Gemaͤchern bey Veraͤnderungen der Witterung bemerkt. Die Faͤulniß zerſtoͤrt den ganzen organiſchen Bau der Pflanzen und thieriſchen Koͤrper, und verwandelt ſie in fluͤchtiges Alkali, ſtinkendes Oel und Erde, welches die einzigen Materien ſind, die man durch die Deſtillation aus verfaulten Subſtanzen erhaͤlt. Durch dieſe Operation zerſtoͤrt die Natur von ſelbſt ihr eignes Werk, ſobald Pflanzen und Thiere zu leben aufhoͤren; aber ſie laͤſt die zertrennten Beſtandtheile wiederum in den Bau neuer Koͤrper uͤbergehen, und erhaͤlt ſich durch dieſen Kreislauf immer in einer ununterbrochnen Thaͤtigkeit. Die Faͤulniß reizt viele Inſekten, ihre Eyer in die faulenden Koͤrper zu legen, welche darinn ausgebruͤtet werden; daher man faſt uͤberall beym Faulen Maden und Wuͤrmer findet. Man hat oft geglaubt, die Faͤulniß ſelbſt erzeuge Thierchen, oder komme von ihnen her, welches letztere Kircher und Linné (Amoen. acad. To. V. p. 94.) behauptet haben. Aber William Alexander (Mediciniſche Verſuche, a. d. Engl. Leipzig, 1773. 8. S. 246. u. f.) hat dieſe Meinung durch ſorgfaͤltig angeſtellte Beobachtungen vollkommen widerlegt. Macbride (Verſuche, a. d. Engl. Zuͤrich, 1766. 8.) hat die Entweichung der fixen Luft fuͤr die Urſache der Faͤulniß halten wollen. Andere haben ſie in der atmoſphaͤriſchen Luft geſucht, die doch nur eine gelegentliche Urſache und ohne feuchte Waͤrme unwirkſam iſt, auch abgeſchnitten werden kan, ohne darum die Faͤulniß zu hindern. Die Urſache der Faͤulniß iſt alſo noch fuͤr uns ein Geheimniß: wahrſcheinlich liegt ſie in einer beſondern Art <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0120" xml:id="P.2.114" n="114"/><lb/> der Gaͤhrung zu durchlaufen, ob ſich gleich bey den meiſten vorher auf kurze Zeit eine Saͤurung zeiget.</p> <p>Wenn die der Faͤulniß faͤhigen Stoffe einer feuchten Waͤrme ausgeſetzt ſind, ſo zeigt ſich die Faͤulung ſehr geſchwind durch Veraͤnderung der Farbe, des Geruchs und Geſchmacks, bey durchſichtigen Fluͤßigkeiten auch durch das Truͤbwerden. Mit dem Fortgange der Faͤulniß wird der Geruch immer ekelhafter und erhaͤlt zuletzt das Stechende, welches von dem beym Faulen entbundenen fluͤchtigen Alkali herruͤhret, und das man ſo oft in den heimlichen Gemaͤchern bey Veraͤnderungen der Witterung bemerkt.</p> <p>Die Faͤulniß zerſtoͤrt den ganzen organiſchen Bau der Pflanzen und thieriſchen Koͤrper, und verwandelt ſie in fluͤchtiges Alkali, ſtinkendes Oel und Erde, welches die einzigen Materien ſind, die man durch die Deſtillation aus verfaulten Subſtanzen erhaͤlt. Durch dieſe Operation zerſtoͤrt die Natur von ſelbſt ihr eignes Werk, ſobald Pflanzen und Thiere zu leben aufhoͤren; aber ſie laͤſt die zertrennten Beſtandtheile wiederum in den Bau neuer Koͤrper uͤbergehen, und erhaͤlt ſich durch dieſen Kreislauf immer in einer ununterbrochnen Thaͤtigkeit.</p> <p>Die Faͤulniß reizt viele Inſekten, ihre Eyer in die faulenden Koͤrper zu legen, welche darinn ausgebruͤtet werden; daher man faſt uͤberall beym Faulen Maden und Wuͤrmer findet. Man hat oft geglaubt, die Faͤulniß ſelbſt erzeuge Thierchen, oder komme von ihnen her, welches letztere <hi rendition="#b">Kircher</hi> und <hi rendition="#b">Linné</hi> (<hi rendition="#aq">Amoen. acad. To. V. p. 94.</hi>) behauptet haben. Aber <hi rendition="#b">William Alexander</hi> (Mediciniſche Verſuche, a. d. Engl. Leipzig, 1773. 8. S. 246. u. f.) hat dieſe Meinung durch ſorgfaͤltig angeſtellte Beobachtungen vollkommen widerlegt. <hi rendition="#b">Macbride</hi> (Verſuche, a. d. Engl. Zuͤrich, 1766. 8.) hat die Entweichung der fixen Luft fuͤr die Urſache der Faͤulniß halten wollen. Andere haben ſie in der atmoſphaͤriſchen Luft geſucht, die doch nur eine gelegentliche Urſache und ohne feuchte Waͤrme unwirkſam iſt, auch abgeſchnitten werden kan, ohne darum die Faͤulniß zu hindern. Die Urſache der Faͤulniß iſt alſo noch fuͤr uns ein Geheimniß: wahrſcheinlich liegt ſie in einer beſondern Art<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [114/0120]
der Gaͤhrung zu durchlaufen, ob ſich gleich bey den meiſten vorher auf kurze Zeit eine Saͤurung zeiget.
Wenn die der Faͤulniß faͤhigen Stoffe einer feuchten Waͤrme ausgeſetzt ſind, ſo zeigt ſich die Faͤulung ſehr geſchwind durch Veraͤnderung der Farbe, des Geruchs und Geſchmacks, bey durchſichtigen Fluͤßigkeiten auch durch das Truͤbwerden. Mit dem Fortgange der Faͤulniß wird der Geruch immer ekelhafter und erhaͤlt zuletzt das Stechende, welches von dem beym Faulen entbundenen fluͤchtigen Alkali herruͤhret, und das man ſo oft in den heimlichen Gemaͤchern bey Veraͤnderungen der Witterung bemerkt.
Die Faͤulniß zerſtoͤrt den ganzen organiſchen Bau der Pflanzen und thieriſchen Koͤrper, und verwandelt ſie in fluͤchtiges Alkali, ſtinkendes Oel und Erde, welches die einzigen Materien ſind, die man durch die Deſtillation aus verfaulten Subſtanzen erhaͤlt. Durch dieſe Operation zerſtoͤrt die Natur von ſelbſt ihr eignes Werk, ſobald Pflanzen und Thiere zu leben aufhoͤren; aber ſie laͤſt die zertrennten Beſtandtheile wiederum in den Bau neuer Koͤrper uͤbergehen, und erhaͤlt ſich durch dieſen Kreislauf immer in einer ununterbrochnen Thaͤtigkeit.
Die Faͤulniß reizt viele Inſekten, ihre Eyer in die faulenden Koͤrper zu legen, welche darinn ausgebruͤtet werden; daher man faſt uͤberall beym Faulen Maden und Wuͤrmer findet. Man hat oft geglaubt, die Faͤulniß ſelbſt erzeuge Thierchen, oder komme von ihnen her, welches letztere Kircher und Linné (Amoen. acad. To. V. p. 94.) behauptet haben. Aber William Alexander (Mediciniſche Verſuche, a. d. Engl. Leipzig, 1773. 8. S. 246. u. f.) hat dieſe Meinung durch ſorgfaͤltig angeſtellte Beobachtungen vollkommen widerlegt. Macbride (Verſuche, a. d. Engl. Zuͤrich, 1766. 8.) hat die Entweichung der fixen Luft fuͤr die Urſache der Faͤulniß halten wollen. Andere haben ſie in der atmoſphaͤriſchen Luft geſucht, die doch nur eine gelegentliche Urſache und ohne feuchte Waͤrme unwirkſam iſt, auch abgeſchnitten werden kan, ohne darum die Faͤulniß zu hindern. Die Urſache der Faͤulniß iſt alſo noch fuͤr uns ein Geheimniß: wahrſcheinlich liegt ſie in einer beſondern Art
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