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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

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geben, und jede genannte Farbe auf eine und eben dieselbe Art wieder hervorbringen zu können, welches nicht allein für die Kunst, sondern auch für die Naturgeschichte bey den Beschreibungen der natürlichen Körper ein Gegenstand von großer Wichtigkeit ist.

Die prismatischen Farben sind zwar alle einfach; es lassen sich aber gemischte, die den meisten von ihnen gleich sind, aus Zusammensetzungen von Roth, Gelb und Blau hervorbringen, die man noch verschiedentlich erhöhen kan, je mehr oder weniger Weiß man zusetzt; dagegen man Roth, Gelb und Blau aus Mischungen anderer Farben nicht erhalten kan. In dieser Rücksicht heißen die genannten drey, einfache oder ursprüngliche Farben (colores simplices s. primitivi), die übrigen gemischte (secundarii), wobey freylich die Benennungen, einfach und gemischt, in einem andern Sinne genommen werden, als oben bey dem Worte: Farben, unter dem Abschnitte: Newtons Entdeckungen über die Farben, Num. 5.

Man denke sich nun ein gleichseitiges Dreyeck rbg, Taf. IX. Fig. 22., das durch eine Theilung seiner Seiten in eine Anzahl gleicher Theile (eigentlich in unendlich viele), in lauter kleine Fächer zerlegt ist. Die drey Fächer an den Ecken r, b, g enthalten die einfachen Farben Roth, Blau, Gelb, deren Stärke daselbst=1 sey. In den übrigen Fächern seyen die Farben r, b, g, in dem Verhältnisse der Perpendikel, welche sich von den Seiten des Fachs auf die Seiten des ganzen Dreyecks fällen lassen, vorhanden; z. B. das in der Figur mit Linien ausgezeichnete Fach enthalte zween Theile Roth, zween Theile Blau und einen Theil Gelb, so wird man die hieraus entstehende gemischte Farbe nach Mayer durch rbg oder nach Lichtenberg durch 2r+ 2b+g ausdrücken können. Und wenn die Seiten in unendlich viele Theile zerlegt sind, so zeigt die geometrische Betrachtung leicht, daß solchergestalt alle mögliche Farben, die aus r, b, g, gemischt werden können, in den Fächern des Dreyecks enthalten sind, weil sich für jede beliebige drey Coefficienten von r, b, g, ein Punkt im Dreyecke angeben


geben, und jede genannte Farbe auf eine und eben dieſelbe Art wieder hervorbringen zu koͤnnen, welches nicht allein fuͤr die Kunſt, ſondern auch fuͤr die Naturgeſchichte bey den Beſchreibungen der natuͤrlichen Koͤrper ein Gegenſtand von großer Wichtigkeit iſt.

Die prismatiſchen Farben ſind zwar alle einfach; es laſſen ſich aber gemiſchte, die den meiſten von ihnen gleich ſind, aus Zuſammenſetzungen von Roth, Gelb und Blau hervorbringen, die man noch verſchiedentlich erhoͤhen kan, je mehr oder weniger Weiß man zuſetzt; dagegen man Roth, Gelb und Blau aus Miſchungen anderer Farben nicht erhalten kan. In dieſer Ruͤckſicht heißen die genannten drey, einfache oder urſpruͤngliche Farben (colores ſimplices ſ. primitivi), die uͤbrigen gemiſchte (ſecundarii), wobey freylich die Benennungen, einfach und gemiſcht, in einem andern Sinne genommen werden, als oben bey dem Worte: Farben, unter dem Abſchnitte: Newtons Entdeckungen uͤber die Farben, Num. 5.

Man denke ſich nun ein gleichſeitiges Dreyeck rbg, Taf. IX. Fig. 22., das durch eine Theilung ſeiner Seiten in eine Anzahl gleicher Theile (eigentlich in unendlich viele), in lauter kleine Faͤcher zerlegt iſt. Die drey Faͤcher an den Ecken r, b, g enthalten die einfachen Farben Roth, Blau, Gelb, deren Staͤrke daſelbſt=1 ſey. In den uͤbrigen Faͤchern ſeyen die Farben r, b, g, in dem Verhaͤltniſſe der Perpendikel, welche ſich von den Seiten des Fachs auf die Seiten des ganzen Dreyecks faͤllen laſſen, vorhanden; z. B. das in der Figur mit Linien ausgezeichnete Fach enthalte zween Theile Roth, zween Theile Blau und einen Theil Gelb, ſo wird man die hieraus entſtehende gemiſchte Farbe nach Mayer durch rbg oder nach Lichtenberg durch 2r+ 2b+g ausdruͤcken koͤnnen. Und wenn die Seiten in unendlich viele Theile zerlegt ſind, ſo zeigt die geometriſche Betrachtung leicht, daß ſolchergeſtalt alle moͤgliche Farben, die aus r, b, g, gemiſcht werden koͤnnen, in den Faͤchern des Dreyecks enthalten ſind, weil ſich fuͤr jede beliebige drey Coefficienten von r, b, g, ein Punkt im Dreyecke angeben

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[164/0170] geben, und jede genannte Farbe auf eine und eben dieſelbe Art wieder hervorbringen zu koͤnnen, welches nicht allein fuͤr die Kunſt, ſondern auch fuͤr die Naturgeſchichte bey den Beſchreibungen der natuͤrlichen Koͤrper ein Gegenſtand von großer Wichtigkeit iſt. Die prismatiſchen Farben ſind zwar alle einfach; es laſſen ſich aber gemiſchte, die den meiſten von ihnen gleich ſind, aus Zuſammenſetzungen von Roth, Gelb und Blau hervorbringen, die man noch verſchiedentlich erhoͤhen kan, je mehr oder weniger Weiß man zuſetzt; dagegen man Roth, Gelb und Blau aus Miſchungen anderer Farben nicht erhalten kan. In dieſer Ruͤckſicht heißen die genannten drey, einfache oder urſpruͤngliche Farben (colores ſimplices ſ. primitivi), die uͤbrigen gemiſchte (ſecundarii), wobey freylich die Benennungen, einfach und gemiſcht, in einem andern Sinne genommen werden, als oben bey dem Worte: Farben, unter dem Abſchnitte: Newtons Entdeckungen uͤber die Farben, Num. 5. Man denke ſich nun ein gleichſeitiges Dreyeck rbg, Taf. IX. Fig. 22., das durch eine Theilung ſeiner Seiten in eine Anzahl gleicher Theile (eigentlich in unendlich viele), in lauter kleine Faͤcher zerlegt iſt. Die drey Faͤcher an den Ecken r, b, g enthalten die einfachen Farben Roth, Blau, Gelb, deren Staͤrke daſelbſt=1 ſey. In den uͤbrigen Faͤchern ſeyen die Farben r, b, g, in dem Verhaͤltniſſe der Perpendikel, welche ſich von den Seiten des Fachs auf die Seiten des ganzen Dreyecks faͤllen laſſen, vorhanden; z. B. das in der Figur mit Linien ausgezeichnete Fach enthalte zween Theile Roth, zween Theile Blau und einen Theil Gelb, ſo wird man die hieraus entſtehende gemiſchte Farbe nach Mayer durch rbg oder nach Lichtenberg durch 2r+ 2b+g ausdruͤcken koͤnnen. Und wenn die Seiten in unendlich viele Theile zerlegt ſind, ſo zeigt die geometriſche Betrachtung leicht, daß ſolchergeſtalt alle moͤgliche Farben, die aus r, b, g, gemiſcht werden koͤnnen, in den Faͤchern des Dreyecks enthalten ſind, weil ſich fuͤr jede beliebige drey Coefficienten von r, b, g, ein Punkt im Dreyecke angeben

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/170>, abgerufen am 24.11.2024.