Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


1758. 4.), der hiebey seiner Einbildungskraft unstreitig zu viel nachgegeben hat, behauptete zuerst, daß das sogenannte Sternschießen eine blos elektrische Erscheinung sey (s. Sternschnuppen), und da der fliegende Drache und die Feuerkugeln blos dem höhern Grade nach von dem Sternschießen unterschieden zu seyn scheinen, so war er geneigt, auch diese für elektrische Phänomene zu halten. Dafür hat sie auch Hartmann (Von der Verwandschaft der elektrischen Kraft mit den erschrecklichen Lufterscheinungen. Hannover, 1759. 8.) erklären wollen, und seit dieser Zeit hat man in den meisten Lehrbüchern der Naturlehre die Feuerkugeln entweder geradehin für elektrische Erscheinungen ausgegeben, oder doch wenigstens bemerkt, daß sich bey ihrer Entstehung Elektricität mit einmische. Reimarus hingegen (Vom Blitze, Hamburg, 1778. 8. S. 568.), der überhaupt den gewagten Erklärungen der Meteore aus der Elektricität nicht günstig ist, urtheilt hievon ganz anders. Er gesteht zwar, daß er von den Feuerkugeln keinen recht wahrscheinlichen Grund anzugeben wisse; daß sie aber doch von elektrischen Feuerballen oder wahren Blitzen sehr unterschieden seyn, zeige sowohl ihr Ansehen, und ihre Art von Bewegung, als auch die überaus große Höhe von der Erde, wo sie sich zu zeigen pflegen, und wo die Luft so verdünnt seyn müsse, daß sich keine Wolken mehr bilden könnten, und die Elektricität gewiß nur wie im luftleeren Raume sich ausbreiten, nicht aber in geballetem Feuer erscheinen könnte. Diese erstaunliche Höhe der Feuerkugeln aber ist aus dem weiten Umfange, in welchem sie auf der Erde gesehen werden, und der bey manchen sich auf 4 Grad in die Breite und 11 Grad in die Länge erstreckt hat, ganz unläugbar. Daß man bisweilen beym Niederfallen der Feuerkugeln elektrische Wirkungen wahrgenommen haben will, ist noch kein Beweiß ihres elektrischen Ursprungs, weil auch andere schnell durch die Luft bewegte Körper Elektricität erregen können. Auch scheint man bisweilen für Feuerkugeln gehalten zu haben, was in der That wahre Blitze gewesen sind, welches vermuthlich bey der oben angeführten von Chalmers erzählten Begebenheit auf dem englischen


1758. 4.), der hiebey ſeiner Einbildungskraft unſtreitig zu viel nachgegeben hat, behauptete zuerſt, daß das ſogenannte Sternſchießen eine blos elektriſche Erſcheinung ſey (ſ. Sternſchnuppen), und da der fliegende Drache und die Feuerkugeln blos dem hoͤhern Grade nach von dem Sternſchießen unterſchieden zu ſeyn ſcheinen, ſo war er geneigt, auch dieſe fuͤr elektriſche Phaͤnomene zu halten. Dafuͤr hat ſie auch Hartmann (Von der Verwandſchaft der elektriſchen Kraft mit den erſchrecklichen Lufterſcheinungen. Hannover, 1759. 8.) erklaͤren wollen, und ſeit dieſer Zeit hat man in den meiſten Lehrbuͤchern der Naturlehre die Feuerkugeln entweder geradehin fuͤr elektriſche Erſcheinungen ausgegeben, oder doch wenigſtens bemerkt, daß ſich bey ihrer Entſtehung Elektricitaͤt mit einmiſche. Reimarus hingegen (Vom Blitze, Hamburg, 1778. 8. S. 568.), der uͤberhaupt den gewagten Erklaͤrungen der Meteore aus der Elektricitaͤt nicht guͤnſtig iſt, urtheilt hievon ganz anders. Er geſteht zwar, daß er von den Feuerkugeln keinen recht wahrſcheinlichen Grund anzugeben wiſſe; daß ſie aber doch von elektriſchen Feuerballen oder wahren Blitzen ſehr unterſchieden ſeyn, zeige ſowohl ihr Anſehen, und ihre Art von Bewegung, als auch die uͤberaus große Hoͤhe von der Erde, wo ſie ſich zu zeigen pflegen, und wo die Luft ſo verduͤnnt ſeyn muͤſſe, daß ſich keine Wolken mehr bilden koͤnnten, und die Elektricitaͤt gewiß nur wie im luftleeren Raume ſich ausbreiten, nicht aber in geballetem Feuer erſcheinen koͤnnte. Dieſe erſtaunliche Hoͤhe der Feuerkugeln aber iſt aus dem weiten Umfange, in welchem ſie auf der Erde geſehen werden, und der bey manchen ſich auf 4 Grad in die Breite und 11 Grad in die Laͤnge erſtreckt hat, ganz unlaͤugbar. Daß man bisweilen beym Niederfallen der Feuerkugeln elektriſche Wirkungen wahrgenommen haben will, iſt noch kein Beweiß ihres elektriſchen Urſprungs, weil auch andere ſchnell durch die Luft bewegte Koͤrper Elektricitaͤt erregen koͤnnen. Auch ſcheint man bisweilen fuͤr Feuerkugeln gehalten zu haben, was in der That wahre Blitze geweſen ſind, welches vermuthlich bey der oben angefuͤhrten von Chalmers erzaͤhlten Begebenheit auf dem engliſchen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="2">
            <p><pb facs="#f0243" xml:id="P.2.237" n="237"/><lb/>
1758. 4.), der hiebey &#x017F;einer Einbildungskraft un&#x017F;treitig zu viel nachgegeben hat, behauptete zuer&#x017F;t, daß das &#x017F;ogenannte Stern&#x017F;chießen eine blos elektri&#x017F;che Er&#x017F;cheinung &#x017F;ey (<hi rendition="#b">&#x017F;. Stern&#x017F;chnuppen</hi>), und da der fliegende Drache und die Feuerkugeln blos dem ho&#x0364;hern Grade nach von dem Stern&#x017F;chießen unter&#x017F;chieden zu &#x017F;eyn &#x017F;cheinen, &#x017F;o war er geneigt, auch die&#x017F;e fu&#x0364;r elektri&#x017F;che Pha&#x0364;nomene zu halten. Dafu&#x0364;r hat &#x017F;ie auch <hi rendition="#b">Hartmann</hi> (Von der Verwand&#x017F;chaft der elektri&#x017F;chen Kraft mit den er&#x017F;chrecklichen Lufter&#x017F;cheinungen. Hannover, 1759. 8.) erkla&#x0364;ren wollen, und &#x017F;eit die&#x017F;er Zeit hat man in den mei&#x017F;ten Lehrbu&#x0364;chern der Naturlehre die Feuerkugeln entweder geradehin fu&#x0364;r elektri&#x017F;che Er&#x017F;cheinungen ausgegeben, oder doch wenig&#x017F;tens bemerkt, daß &#x017F;ich bey ihrer Ent&#x017F;tehung Elektricita&#x0364;t mit einmi&#x017F;che. <hi rendition="#b">Reimarus</hi> hingegen (Vom Blitze, Hamburg, 1778. 8. S. 568.), der u&#x0364;berhaupt den gewagten Erkla&#x0364;rungen der Meteore aus der Elektricita&#x0364;t nicht gu&#x0364;n&#x017F;tig i&#x017F;t, urtheilt hievon ganz anders. Er ge&#x017F;teht zwar, daß er von den Feuerkugeln keinen recht wahr&#x017F;cheinlichen Grund anzugeben wi&#x017F;&#x017F;e; daß &#x017F;ie aber doch von elektri&#x017F;chen Feuerballen oder wahren Blitzen &#x017F;ehr unter&#x017F;chieden &#x017F;eyn, zeige &#x017F;owohl ihr An&#x017F;ehen, und ihre Art von Bewegung, als auch die u&#x0364;beraus große Ho&#x0364;he von der Erde, wo &#x017F;ie &#x017F;ich zu zeigen pflegen, und wo die Luft &#x017F;o verdu&#x0364;nnt &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, daß &#x017F;ich keine Wolken mehr bilden ko&#x0364;nnten, und die Elektricita&#x0364;t gewiß nur wie im luftleeren Raume &#x017F;ich ausbreiten, nicht aber in geballetem Feuer er&#x017F;cheinen ko&#x0364;nnte. Die&#x017F;e er&#x017F;taunliche Ho&#x0364;he der Feuerkugeln aber i&#x017F;t aus dem weiten Umfange, in welchem &#x017F;ie auf der Erde ge&#x017F;ehen werden, und der bey manchen &#x017F;ich auf 4 Grad in die Breite und 11 Grad in die La&#x0364;nge er&#x017F;treckt hat, ganz unla&#x0364;ugbar. Daß man bisweilen beym Niederfallen der Feuerkugeln elektri&#x017F;che Wirkungen wahrgenommen haben will, i&#x017F;t noch kein Beweiß ihres elektri&#x017F;chen Ur&#x017F;prungs, weil auch andere &#x017F;chnell durch die Luft bewegte Ko&#x0364;rper Elektricita&#x0364;t erregen ko&#x0364;nnen. Auch &#x017F;cheint man bisweilen fu&#x0364;r Feuerkugeln gehalten zu haben, was in der That wahre Blitze gewe&#x017F;en &#x017F;ind, welches vermuthlich bey der oben angefu&#x0364;hrten von <hi rendition="#b">Chalmers</hi> erza&#x0364;hlten Begebenheit auf dem engli&#x017F;chen<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[237/0243] 1758. 4.), der hiebey ſeiner Einbildungskraft unſtreitig zu viel nachgegeben hat, behauptete zuerſt, daß das ſogenannte Sternſchießen eine blos elektriſche Erſcheinung ſey (ſ. Sternſchnuppen), und da der fliegende Drache und die Feuerkugeln blos dem hoͤhern Grade nach von dem Sternſchießen unterſchieden zu ſeyn ſcheinen, ſo war er geneigt, auch dieſe fuͤr elektriſche Phaͤnomene zu halten. Dafuͤr hat ſie auch Hartmann (Von der Verwandſchaft der elektriſchen Kraft mit den erſchrecklichen Lufterſcheinungen. Hannover, 1759. 8.) erklaͤren wollen, und ſeit dieſer Zeit hat man in den meiſten Lehrbuͤchern der Naturlehre die Feuerkugeln entweder geradehin fuͤr elektriſche Erſcheinungen ausgegeben, oder doch wenigſtens bemerkt, daß ſich bey ihrer Entſtehung Elektricitaͤt mit einmiſche. Reimarus hingegen (Vom Blitze, Hamburg, 1778. 8. S. 568.), der uͤberhaupt den gewagten Erklaͤrungen der Meteore aus der Elektricitaͤt nicht guͤnſtig iſt, urtheilt hievon ganz anders. Er geſteht zwar, daß er von den Feuerkugeln keinen recht wahrſcheinlichen Grund anzugeben wiſſe; daß ſie aber doch von elektriſchen Feuerballen oder wahren Blitzen ſehr unterſchieden ſeyn, zeige ſowohl ihr Anſehen, und ihre Art von Bewegung, als auch die uͤberaus große Hoͤhe von der Erde, wo ſie ſich zu zeigen pflegen, und wo die Luft ſo verduͤnnt ſeyn muͤſſe, daß ſich keine Wolken mehr bilden koͤnnten, und die Elektricitaͤt gewiß nur wie im luftleeren Raume ſich ausbreiten, nicht aber in geballetem Feuer erſcheinen koͤnnte. Dieſe erſtaunliche Hoͤhe der Feuerkugeln aber iſt aus dem weiten Umfange, in welchem ſie auf der Erde geſehen werden, und der bey manchen ſich auf 4 Grad in die Breite und 11 Grad in die Laͤnge erſtreckt hat, ganz unlaͤugbar. Daß man bisweilen beym Niederfallen der Feuerkugeln elektriſche Wirkungen wahrgenommen haben will, iſt noch kein Beweiß ihres elektriſchen Urſprungs, weil auch andere ſchnell durch die Luft bewegte Koͤrper Elektricitaͤt erregen koͤnnen. Auch ſcheint man bisweilen fuͤr Feuerkugeln gehalten zu haben, was in der That wahre Blitze geweſen ſind, welches vermuthlich bey der oben angefuͤhrten von Chalmers erzaͤhlten Begebenheit auf dem engliſchen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/243
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/243>, abgerufen am 24.11.2024.