Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.
Fröste bey heiterm Himmel heißen helle Fröste (belles gelees). Bey starken Frösten scheint die Sonne etwas blässer, und die Luft ist nicht so heiter, als an gewissen Wintertagen, deren Kälte mäßiger ist. Theils dünstet bey starker Kälte das Eis beträchtlich aus, s. Eis, theils werden die Dünste auch in einer mäßigen Höhe schon genug verdichtet, um die Durchsichtigkeit der Luft zu hindern. Eben darum sind die hellen Fröste in der Nachbarschaft von Seen und großen Flüssen selten, weil die Kälte daselbst insgemein mit Nebeln begleitet ist. Starke Winde hindern die Entstehung des Eises, theils weil sie das Wasser in Bewegung setzen, theils auch, weil sie allezeit die Kälte ein wenig vermindern. Obgleich der Nordwind gewöhnlich Fröste bringt, so sind sie doch, wenn er heftig ist, bey weitem nicht die stärksten. Ein schwacher trockner Wind ist dem Gefrieren am vortheilhaftesten. Nie ist ein starker Frost für Pflanzen und Bäume verderblicher, als wenn er plötzlich auf Thauwetter, oder langen Regen folgt. Unter diesen Umständen haben die Theile der Pflanzen viel Wasser eingesogen, das nun in ihren kleinen Röhrchen gefriert, die Fibern und den ganzen organischen Bau, selbst des härtesten Holzes, zerreißt, und oft die stärksten Bäume mit einem heftigen Knalle zersprengt. So erfroren im strengen Winter des Jahres 1709 fast alle Oel- und Fruchtbäume in Languedoc und der Provence. Die stärksten und ältesten Bäume erstarben am häufigsten, weil ihre schon zu unbiegsamen Fibern der Ausdehnung des Wassers beym Gefrieren am wenigsten nachgeben konnten. Dies ist also eine Folge der Ausdehnung beym Gefrieren, wie die Zersprengung der Gefäße, s. Eis. Auch die Früchte erfrieren in starken Wintern. Gewöhnlich verlieren sie dabey ihren Geschmack, und faulen, sobald sie wieder aufthauen. Indem die wäßrichten Theile, die sie in so großer Menge enthalten, zu Eis werden, und
Froͤſte bey heiterm Himmel heißen helle Froͤſte (belles gelées). Bey ſtarken Froͤſten ſcheint die Sonne etwas blaͤſſer, und die Luft iſt nicht ſo heiter, als an gewiſſen Wintertagen, deren Kaͤlte maͤßiger iſt. Theils duͤnſtet bey ſtarker Kaͤlte das Eis betraͤchtlich aus, ſ. Eis, theils werden die Duͤnſte auch in einer maͤßigen Hoͤhe ſchon genug verdichtet, um die Durchſichtigkeit der Luft zu hindern. Eben darum ſind die hellen Froͤſte in der Nachbarſchaft von Seen und großen Fluͤſſen ſelten, weil die Kaͤlte daſelbſt insgemein mit Nebeln begleitet iſt. Starke Winde hindern die Entſtehung des Eiſes, theils weil ſie das Waſſer in Bewegung ſetzen, theils auch, weil ſie allezeit die Kaͤlte ein wenig vermindern. Obgleich der Nordwind gewoͤhnlich Froͤſte bringt, ſo ſind ſie doch, wenn er heftig iſt, bey weitem nicht die ſtaͤrkſten. Ein ſchwacher trockner Wind iſt dem Gefrieren am vortheilhafteſten. Nie iſt ein ſtarker Froſt fuͤr Pflanzen und Baͤume verderblicher, als wenn er ploͤtzlich auf Thauwetter, oder langen Regen folgt. Unter dieſen Umſtaͤnden haben die Theile der Pflanzen viel Waſſer eingeſogen, das nun in ihren kleinen Roͤhrchen gefriert, die Fibern und den ganzen organiſchen Bau, ſelbſt des haͤrteſten Holzes, zerreißt, und oft die ſtaͤrkſten Baͤume mit einem heftigen Knalle zerſprengt. So erfroren im ſtrengen Winter des Jahres 1709 faſt alle Oel- und Fruchtbaͤume in Languedoc und der Provence. Die ſtaͤrkſten und aͤlteſten Baͤume erſtarben am haͤufigſten, weil ihre ſchon zu unbiegſamen Fibern der Ausdehnung des Waſſers beym Gefrieren am wenigſten nachgeben konnten. Dies iſt alſo eine Folge der Ausdehnung beym Gefrieren, wie die Zerſprengung der Gefaͤße, ſ. Eis. Auch die Fruͤchte erfrieren in ſtarken Wintern. Gewoͤhnlich verlieren ſie dabey ihren Geſchmack, und faulen, ſobald ſie wieder aufthauen. Indem die waͤßrichten Theile, die ſie in ſo großer Menge enthalten, zu Eis werden, und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0336" xml:id="P.2.330" n="330"/><lb/> gewiſſe Tiefe, je nachdem die Kaͤlte heftiger und anhaltender iſt.</p> <p>Froͤſte bey heiterm Himmel heißen <hi rendition="#b">helle Froͤſte</hi> <hi rendition="#aq">(<hi rendition="#i">belles gelées</hi>).</hi> Bey ſtarken Froͤſten ſcheint die Sonne etwas blaͤſſer, und die Luft iſt nicht ſo heiter, als an gewiſſen Wintertagen, deren Kaͤlte maͤßiger iſt. Theils duͤnſtet bey ſtarker Kaͤlte das Eis betraͤchtlich aus, <hi rendition="#b">ſ. Eis,</hi> theils werden die Duͤnſte auch in einer maͤßigen Hoͤhe ſchon genug verdichtet, um die Durchſichtigkeit der Luft zu hindern. Eben darum ſind die hellen Froͤſte in der Nachbarſchaft von Seen und großen Fluͤſſen ſelten, weil die Kaͤlte daſelbſt insgemein mit Nebeln begleitet iſt.</p> <p>Starke Winde hindern die Entſtehung des Eiſes, theils weil ſie das Waſſer in Bewegung ſetzen, theils auch, weil ſie allezeit die Kaͤlte ein wenig vermindern. Obgleich der Nordwind gewoͤhnlich Froͤſte bringt, ſo ſind ſie doch, wenn er heftig iſt, bey weitem nicht die ſtaͤrkſten. Ein ſchwacher trockner Wind iſt dem Gefrieren am vortheilhafteſten.</p> <p>Nie iſt ein ſtarker Froſt fuͤr Pflanzen und Baͤume verderblicher, als wenn er ploͤtzlich auf Thauwetter, oder langen Regen folgt. Unter dieſen Umſtaͤnden haben die Theile der Pflanzen viel Waſſer eingeſogen, das nun in ihren kleinen Roͤhrchen gefriert, die Fibern und den ganzen organiſchen Bau, ſelbſt des haͤrteſten Holzes, zerreißt, und oft die ſtaͤrkſten Baͤume mit einem heftigen Knalle zerſprengt. So erfroren im ſtrengen Winter des Jahres 1709 faſt alle Oel- und Fruchtbaͤume in Languedoc und der Provence. Die ſtaͤrkſten und aͤlteſten Baͤume erſtarben am haͤufigſten, weil ihre ſchon zu unbiegſamen Fibern der Ausdehnung des Waſſers beym Gefrieren am wenigſten nachgeben konnten. Dies iſt alſo eine Folge der Ausdehnung beym Gefrieren, wie die Zerſprengung der Gefaͤße, <hi rendition="#b">ſ. Eis.</hi></p> <p>Auch die Fruͤchte erfrieren in ſtarken Wintern. Gewoͤhnlich verlieren ſie dabey ihren Geſchmack, und faulen, ſobald ſie wieder aufthauen. Indem die waͤßrichten Theile, die ſie in ſo großer Menge enthalten, zu Eis werden, und<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [330/0336]
gewiſſe Tiefe, je nachdem die Kaͤlte heftiger und anhaltender iſt.
Froͤſte bey heiterm Himmel heißen helle Froͤſte (belles gelées). Bey ſtarken Froͤſten ſcheint die Sonne etwas blaͤſſer, und die Luft iſt nicht ſo heiter, als an gewiſſen Wintertagen, deren Kaͤlte maͤßiger iſt. Theils duͤnſtet bey ſtarker Kaͤlte das Eis betraͤchtlich aus, ſ. Eis, theils werden die Duͤnſte auch in einer maͤßigen Hoͤhe ſchon genug verdichtet, um die Durchſichtigkeit der Luft zu hindern. Eben darum ſind die hellen Froͤſte in der Nachbarſchaft von Seen und großen Fluͤſſen ſelten, weil die Kaͤlte daſelbſt insgemein mit Nebeln begleitet iſt.
Starke Winde hindern die Entſtehung des Eiſes, theils weil ſie das Waſſer in Bewegung ſetzen, theils auch, weil ſie allezeit die Kaͤlte ein wenig vermindern. Obgleich der Nordwind gewoͤhnlich Froͤſte bringt, ſo ſind ſie doch, wenn er heftig iſt, bey weitem nicht die ſtaͤrkſten. Ein ſchwacher trockner Wind iſt dem Gefrieren am vortheilhafteſten.
Nie iſt ein ſtarker Froſt fuͤr Pflanzen und Baͤume verderblicher, als wenn er ploͤtzlich auf Thauwetter, oder langen Regen folgt. Unter dieſen Umſtaͤnden haben die Theile der Pflanzen viel Waſſer eingeſogen, das nun in ihren kleinen Roͤhrchen gefriert, die Fibern und den ganzen organiſchen Bau, ſelbſt des haͤrteſten Holzes, zerreißt, und oft die ſtaͤrkſten Baͤume mit einem heftigen Knalle zerſprengt. So erfroren im ſtrengen Winter des Jahres 1709 faſt alle Oel- und Fruchtbaͤume in Languedoc und der Provence. Die ſtaͤrkſten und aͤlteſten Baͤume erſtarben am haͤufigſten, weil ihre ſchon zu unbiegſamen Fibern der Ausdehnung des Waſſers beym Gefrieren am wenigſten nachgeben konnten. Dies iſt alſo eine Folge der Ausdehnung beym Gefrieren, wie die Zerſprengung der Gefaͤße, ſ. Eis.
Auch die Fruͤchte erfrieren in ſtarken Wintern. Gewoͤhnlich verlieren ſie dabey ihren Geſchmack, und faulen, ſobald ſie wieder aufthauen. Indem die waͤßrichten Theile, die ſie in ſo großer Menge enthalten, zu Eis werden, und
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