Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.Diese unangenehme Verschiedenheit würde sich vermeiden lassen, wenn uns die Natur ein allgemeines Längenmaaß gegeben hätte, so wie sie uns durch die beständig gleiche Dauer des Sterntags oder der Umwälzung der Erde ein allgemeines Zeitmaaß verschasst. Aber in dem ganzen Umfange der Naturreiche findet sich nichts, was immer und überall mit einer gleichen unveränderlichen Länge hervorgebracht oder bestimmt würde; man trifft vielmehr in allen natürlichen Produkten und Bestimmungen Mannigfaltigkeit und Unterschiede der Größe an. Nach vielerley fruchtlosen Vorschlägen, die Weidler (Diss. de nova mensura corporum universali, Witeb. 1727.) erzählt, und noch mit einem neuen vermehrt hat, glaubte Huygens (De horolog. oscill. prop. 25.) in der Länge des Secundenpendels ein allgemeines Maaß gefunden zu haben. Aber die Entdeckung, daß das Secundenpendel nicht überall gleich, sondern unter dem Aequator kürzer, als bey uns sey, vernichtete auch diese Aussicht, obgleich die Länge des Secundenpendels für einen bestimmten Ort, z. B. für Paris, oder um dem Aequator selbft zu gleichförmigen Bestimmungen der Maaße nach den Vorschlägen Bouguers (Figure de la terre, p. 300.) und Condamine's (Voyage de la riviere des Amaz. p. 202.) dienen könnte. Darauf bezieht sich der Wunsch des Letztern in der Aufschrift eines Denkmals, das er in Peru wegen seiner Versuche über das Secundenpendel errichten ließ. Es ist darauf die Länge dieses Pendels unter dem Aequator in Stein gegraben mit den Worten: Mensurae naturalis exemplar, utinam et universalis! Vom menschlichen Körper haben schon die Alten die Bestimmungen ihrer Maaße entlehnt, daher ihre digiti, palmae, pedes, cubiti, passus, orgyiae (Klaftern) benannt sind. Wie unrichtig die ältern deutschen Feldmesser hiebey zu Werke gegangen sind, sieht man aus Jacob Köbels Geometrey (Frf. 1584. 4. S. 4.), wo vorgeschrieben wird, "sechszehn Mann, klein und groß, wie die un"gefehrlich nach einander aus der Kirchen gehen, einen je"den vor den andern einen Schuh stellen zu lassen; dieselbi"ge Dieſe unangenehme Verſchiedenheit wuͤrde ſich vermeiden laſſen, wenn uns die Natur ein allgemeines Laͤngenmaaß gegeben haͤtte, ſo wie ſie uns durch die beſtaͤndig gleiche Dauer des Sterntags oder der Umwaͤlzung der Erde ein allgemeines Zeitmaaß verſchaſſt. Aber in dem ganzen Umfange der Naturreiche findet ſich nichts, was immer und uͤberall mit einer gleichen unveraͤnderlichen Laͤnge hervorgebracht oder beſtimmt wuͤrde; man trifft vielmehr in allen natuͤrlichen Produkten und Beſtimmungen Mannigfaltigkeit und Unterſchiede der Groͤße an. Nach vielerley fruchtloſen Vorſchlaͤgen, die Weidler (Diſſ. de nova menſura corporum univerſali, Witeb. 1727.) erzaͤhlt, und noch mit einem neuen vermehrt hat, glaubte Huygens (De horolog. oſcill. prop. 25.) in der Laͤnge des Secundenpendels ein allgemeines Maaß gefunden zu haben. Aber die Entdeckung, daß das Secundenpendel nicht uͤberall gleich, ſondern unter dem Aequator kuͤrzer, als bey uns ſey, vernichtete auch dieſe Ausſicht, obgleich die Laͤnge des Secundenpendels fuͤr einen beſtimmten Ort, z. B. fuͤr Paris, oder um dem Aequator ſelbft zu gleichfoͤrmigen Beſtimmungen der Maaße nach den Vorſchlaͤgen Bouguers (Figure de la terre, p. 300.) und Condamine's (Voyage de la riviere des Amaz. p. 202.) dienen koͤnnte. Darauf bezieht ſich der Wunſch des Letztern in der Aufſchrift eines Denkmals, das er in Peru wegen ſeiner Verſuche uͤber das Secundenpendel errichten ließ. Es iſt darauf die Laͤnge dieſes Pendels unter dem Aequator in Stein gegraben mit den Worten: Menſurae naturalis exemplar, utinam et univerſalis! Vom menſchlichen Koͤrper haben ſchon die Alten die Beſtimmungen ihrer Maaße entlehnt, daher ihre digiti, palmae, pedes, cubiti, paſſus, orgyiae (Klaftern) benannt ſind. Wie unrichtig die aͤltern deutſchen Feldmeſſer hiebey zu Werke gegangen ſind, ſieht man aus Jacob Koͤbels Geometrey (Frf. 1584. 4. S. 4.), wo vorgeſchrieben wird, ”ſechszehn Mann, klein und groß, wie die un”gefehrlich nach einander aus der Kirchen gehen, einen je”den vor den andern einen Schuh ſtellen zu laſſen; dieſelbi”ge <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="2"> <p> <pb facs="#f0346" xml:id="P.2.340" n="340"/><lb/> </p> <p>Dieſe unangenehme Verſchiedenheit wuͤrde ſich vermeiden laſſen, wenn uns die Natur ein <hi rendition="#b">allgemeines Laͤngenmaaß</hi> gegeben haͤtte, ſo wie ſie uns durch die beſtaͤndig gleiche Dauer des <hi rendition="#b">Sterntags</hi> oder der Umwaͤlzung der Erde ein allgemeines Zeitmaaß verſchaſſt. 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Nach vielerley fruchtloſen Vorſchlaͤgen, die Weidler (Diſſ. de nova menſura corporum univerſali, Witeb. 1727.) erzaͤhlt, und noch mit einem neuen vermehrt hat, glaubte Huygens (De horolog. oſcill. prop. 25.) in der Laͤnge des Secundenpendels ein allgemeines Maaß gefunden zu haben. Aber die Entdeckung, daß das Secundenpendel nicht uͤberall gleich, ſondern unter dem Aequator kuͤrzer, als bey uns ſey, vernichtete auch dieſe Ausſicht, obgleich die Laͤnge des Secundenpendels fuͤr einen beſtimmten Ort, z. B. fuͤr Paris, oder um dem Aequator ſelbft zu gleichfoͤrmigen Beſtimmungen der Maaße nach den Vorſchlaͤgen Bouguers (Figure de la terre, p. 300.) und Condamine's (Voyage de la riviere des Amaz. p. 202.) dienen koͤnnte. Darauf bezieht ſich der Wunſch des Letztern in der Aufſchrift eines Denkmals, das er in Peru wegen ſeiner Verſuche uͤber das Secundenpendel errichten ließ. Es iſt darauf die Laͤnge dieſes Pendels unter dem Aequator in Stein gegraben mit den Worten: Menſurae naturalis exemplar, utinam et univerſalis!
Vom menſchlichen Koͤrper haben ſchon die Alten die Beſtimmungen ihrer Maaße entlehnt, daher ihre digiti, palmae, pedes, cubiti, paſſus, orgyiae (Klaftern) benannt ſind. Wie unrichtig die aͤltern deutſchen Feldmeſſer hiebey zu Werke gegangen ſind, ſieht man aus Jacob Koͤbels Geometrey (Frf. 1584. 4. S. 4.), wo vorgeſchrieben wird, ”ſechszehn Mann, klein und groß, wie die un”gefehrlich nach einander aus der Kirchen gehen, einen je”den vor den andern einen Schuh ſtellen zu laſſen; dieſelbi”ge
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