sich um 1° geändert hat. Stellen also die Stücken Pp, Aa Grade des Mittagskreises vor, so lassen sich dieselben als Kreisbogen ansehen, die mit den Halbmessern der Krümmung DB, EA beschrieben sind, und deren zugehörige Winkel PDp, AEa, jeder 1° betragen. Es ist aber der Halbmesser PD länger, als EA, mithin auch der Bogen Pp größer, als der ähnliche Bogen Aa, oder: Der Grad des Mittagskreises ist da größer, wo die Erde flach und eingedrückt, da kleiner, wo sie erhaben ist. Die Entscheidung der Frage kam also darauf an, ob man den Grad des Mittagskreises bey wirklicher Abmessung überall gleich oder verschieden, und wo man ihn größer finden werde. Sollte sich Huygens und Newtons Muthmaßung bestätigen, so mußte man den Grad nach den Polen zu oder gegen Norden größer finden, als gegen den Aequator zu oder gegen Süden.
Durch Abmessungen, von denen weiter unten umständlichere Nachrichten folgen, hatte Snellius den Grad des Mittagskreises in den Niederlanden 55021, Picard in Frankreich 57060 Toisen gefunden. Hiebey ist der nördlichere Grad kleiner als der südliche. Daraus schloß schon Eisenschmidt (Diatribe de figura telluris elliptico-sphaeroide, Argentorati 1691. 8.), daß die Erde ein längliches Sphäroid, d. i. um die Pole erhaben, und um den Aequator eingedrückt sey, welches mit Newtons Behauptungen streitet. Allein das Resultat des Snellius ist sehr unrichtig; auch liegen sich beyde Grade zu nahe, um etwas Sicheres aus ihrer Vergleichung zu schließen.
In den Jahren 1700 und 1701 zog Johann Dominicus Cassini (s. Mem. de l'Acad. des Sc. ann. 1701.) eine von der pariser Sternwarte bis an die Pyrenäen fortgehende Mittagslinie, welche den astronomischen Beobachtungen zufolge 6° 18' eines Mittagskrises der Erdkugel ausmachte. Die geometrische Messung gab hiebey den nächsten Grad an Paris 57126 1/2 Toisen an, und da Picard den nordwärts von Paris gelegnen Grad nur 57060 Toisen gefunden hatte, so schien hieraus wiederum das Gegentheil von Newtons Muthmaßung zu folgen.
ſich um 1° geaͤndert hat. Stellen alſo die Stuͤcken Pp, Aa Grade des Mittagskreiſes vor, ſo laſſen ſich dieſelben als Kreisbogen anſehen, die mit den Halbmeſſern der Kruͤmmung DB, EA beſchrieben ſind, und deren zugehoͤrige Winkel PDp, AEa, jeder 1° betragen. Es iſt aber der Halbmeſſer PD laͤnger, als EA, mithin auch der Bogen Pp groͤßer, als der aͤhnliche Bogen Aa, oder: Der Grad des Mittagskreiſes iſt da groͤßer, wo die Erde flach und eingedruͤckt, da kleiner, wo ſie erhaben iſt. Die Entſcheidung der Frage kam alſo darauf an, ob man den Grad des Mittagskreiſes bey wirklicher Abmeſſung uͤberall gleich oder verſchieden, und wo man ihn groͤßer finden werde. Sollte ſich Huygens und Newtons Muthmaßung beſtaͤtigen, ſo mußte man den Grad nach den Polen zu oder gegen Norden groͤßer finden, als gegen den Aequator zu oder gegen Suͤden.
Durch Abmeſſungen, von denen weiter unten umſtaͤndlichere Nachrichten folgen, hatte Snellius den Grad des Mittagskreiſes in den Niederlanden 55021, Picard in Frankreich 57060 Toiſen gefunden. Hiebey iſt der noͤrdlichere Grad kleiner als der ſuͤdliche. Daraus ſchloß ſchon Eiſenſchmidt (Diatribe de figura telluris elliptico-ſphaeroide, Argentorati 1691. 8.), daß die Erde ein laͤngliches Sphaͤroid, d. i. um die Pole erhaben, und um den Aequator eingedruͤckt ſey, welches mit Newtons Behauptungen ſtreitet. Allein das Reſultat des Snellius iſt ſehr unrichtig; auch liegen ſich beyde Grade zu nahe, um etwas Sicheres aus ihrer Vergleichung zu ſchließen.
In den Jahren 1700 und 1701 zog Johann Dominicus Caſſini (ſ. Mém. de l'Acad. des Sc. ann. 1701.) eine von der pariſer Sternwarte bis an die Pyrenaͤen fortgehende Mittagslinie, welche den aſtronomiſchen Beobachtungen zufolge 6° 18′ eines Mittagskriſes der Erdkugel ausmachte. Die geometriſche Meſſung gab hiebey den naͤchſten Grad an Paris 57126 1/2 Toiſen an, und da Picard den nordwaͤrts von Paris gelegnen Grad nur 57060 Toiſen gefunden hatte, ſo ſchien hieraus wiederum das Gegentheil von Newtons Muthmaßung zu folgen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="2"><p><pbfacs="#f0035"xml:id="P.2.29"n="29"/><lb/>ſich um 1° geaͤndert hat. Stellen alſo die Stuͤcken <hirendition="#aq">Pp, Aa</hi> Grade des Mittagskreiſes vor, ſo laſſen ſich dieſelben als Kreisbogen anſehen, die mit den Halbmeſſern der Kruͤmmung <hirendition="#aq">DB, EA</hi> beſchrieben ſind, und deren zugehoͤrige Winkel <hirendition="#aq">PDp, AEa,</hi> jeder 1° betragen. Es iſt aber der Halbmeſſer <hirendition="#aq">PD</hi> laͤnger, als <hirendition="#aq">EA,</hi> mithin auch der Bogen <hirendition="#aq">Pp</hi> groͤßer, als der aͤhnliche Bogen <hirendition="#aq">Aa,</hi> oder: <hirendition="#b">Der Grad des Mittagskreiſes iſt da groͤßer, wo die Erde flach und eingedruͤckt, da kleiner, wo ſie erhaben iſt.</hi> Die Entſcheidung der Frage kam alſo darauf an, ob man den Grad des Mittagskreiſes bey wirklicher Abmeſſung uͤberall gleich oder verſchieden, und wo man ihn groͤßer finden werde. Sollte ſich <hirendition="#b">Huygens</hi> und <hirendition="#b">Newtons</hi> Muthmaßung beſtaͤtigen, ſo mußte man den Grad nach den Polen zu oder gegen Norden groͤßer finden, als gegen den Aequator zu oder gegen Suͤden.</p><p>Durch Abmeſſungen, von denen weiter unten umſtaͤndlichere Nachrichten folgen, hatte <hirendition="#b">Snellius</hi> den Grad des Mittagskreiſes in den Niederlanden 55021, <hirendition="#b">Picard</hi> in Frankreich 57060 Toiſen gefunden. Hiebey iſt der noͤrdlichere Grad kleiner als der ſuͤdliche. Daraus ſchloß ſchon <hirendition="#b">Eiſenſchmidt</hi> (<hirendition="#aq">Diatribe de figura telluris elliptico-ſphaeroide, Argentorati 1691. 8.</hi>), daß die Erde ein <hirendition="#b">laͤngliches Sphaͤroid,</hi> d. i. um die Pole erhaben, und um den Aequator eingedruͤckt ſey, welches mit Newtons Behauptungen ſtreitet. Allein das Reſultat des <hirendition="#b">Snellius</hi> iſt ſehr unrichtig; auch liegen ſich beyde Grade zu nahe, um etwas Sicheres aus ihrer Vergleichung zu ſchließen.</p><p>In den Jahren 1700 und 1701 zog <hirendition="#b">Johann Dominicus Caſſini</hi> (ſ. <hirendition="#aq">Mém. de l'Acad. des Sc. ann. 1701.</hi>) eine von der pariſer Sternwarte bis an die Pyrenaͤen fortgehende Mittagslinie, welche den aſtronomiſchen Beobachtungen zufolge 6° 18′ eines Mittagskriſes der Erdkugel ausmachte. Die geometriſche Meſſung gab hiebey den naͤchſten Grad an Paris 57126 1/2 Toiſen an, und da <hirendition="#b">Picard</hi> den nordwaͤrts von Paris gelegnen Grad nur 57060 Toiſen gefunden hatte, ſo ſchien hieraus wiederum das Gegentheil von Newtons Muthmaßung zu folgen.<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[29/0035]
ſich um 1° geaͤndert hat. Stellen alſo die Stuͤcken Pp, Aa Grade des Mittagskreiſes vor, ſo laſſen ſich dieſelben als Kreisbogen anſehen, die mit den Halbmeſſern der Kruͤmmung DB, EA beſchrieben ſind, und deren zugehoͤrige Winkel PDp, AEa, jeder 1° betragen. Es iſt aber der Halbmeſſer PD laͤnger, als EA, mithin auch der Bogen Pp groͤßer, als der aͤhnliche Bogen Aa, oder: Der Grad des Mittagskreiſes iſt da groͤßer, wo die Erde flach und eingedruͤckt, da kleiner, wo ſie erhaben iſt. Die Entſcheidung der Frage kam alſo darauf an, ob man den Grad des Mittagskreiſes bey wirklicher Abmeſſung uͤberall gleich oder verſchieden, und wo man ihn groͤßer finden werde. Sollte ſich Huygens und Newtons Muthmaßung beſtaͤtigen, ſo mußte man den Grad nach den Polen zu oder gegen Norden groͤßer finden, als gegen den Aequator zu oder gegen Suͤden.
Durch Abmeſſungen, von denen weiter unten umſtaͤndlichere Nachrichten folgen, hatte Snellius den Grad des Mittagskreiſes in den Niederlanden 55021, Picard in Frankreich 57060 Toiſen gefunden. Hiebey iſt der noͤrdlichere Grad kleiner als der ſuͤdliche. Daraus ſchloß ſchon Eiſenſchmidt (Diatribe de figura telluris elliptico-ſphaeroide, Argentorati 1691. 8.), daß die Erde ein laͤngliches Sphaͤroid, d. i. um die Pole erhaben, und um den Aequator eingedruͤckt ſey, welches mit Newtons Behauptungen ſtreitet. Allein das Reſultat des Snellius iſt ſehr unrichtig; auch liegen ſich beyde Grade zu nahe, um etwas Sicheres aus ihrer Vergleichung zu ſchließen.
In den Jahren 1700 und 1701 zog Johann Dominicus Caſſini (ſ. Mém. de l'Acad. des Sc. ann. 1701.) eine von der pariſer Sternwarte bis an die Pyrenaͤen fortgehende Mittagslinie, welche den aſtronomiſchen Beobachtungen zufolge 6° 18′ eines Mittagskriſes der Erdkugel ausmachte. Die geometriſche Meſſung gab hiebey den naͤchſten Grad an Paris 57126 1/2 Toiſen an, und da Picard den nordwaͤrts von Paris gelegnen Grad nur 57060 Toiſen gefunden hatte, ſo ſchien hieraus wiederum das Gegentheil von Newtons Muthmaßung zu folgen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: keine Angabe;
Druckfehler: keine Angabe;
fremdsprachliches Material: keine Angabe;
Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe;
i/j in Fraktur: wie Vorlage;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
Kolumnentitel: keine Angabe;
Kustoden: keine Angabe;
langes s (ſ): wie Vorlage;
Normalisierungen: keine Angabe;
rundes r (ꝛ): keine Angabe;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: aufgelöst;
u/v bzw. U/V: wie Vorlage;
Vokale mit übergest. e: wie Vorlage;
Vollständigkeit: keine Angabe;
Zeichensetzung: keine Angabe;
Zeilenumbrüche markiert: nein;
Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/35>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.