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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

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Lichte genau verbunden ist, und den er die fortleitende Flüßigkeit (fluide deferent) nennt. Dieses fortleitende Fluidum macht mit einer andern blos schweren, nicht elastischen, Substanz (substance grave) zusammen, die elastische Materie, so wie sie sich uns zeiget, aus.

Die unterscheidenden Kennzeichen der Dünste und luftförmigen Flüßigkeiten sind nach ihm folgende drey.

1. Die luftförmigen Flüßigkeiten halten jeden bekannten Grad des Drucks aus, ohne sich zu zersetzen; die Dünste hingegen zersetzen sich, wenn ein allzustarker Druck ihr fortleitendes Fluidum von der blos schweren Substanz trennet.

2. Die luftförmigen Flüßigkeiten zersetzen sich nicht eher, als wenn sich zwischen ihrer blos schweren Substanz und einem andern Kürper eine stärkere Verwandschaft äussert, als zwischen dieser Substanz und ihrem fortleitenden Fluidum statt findet; daher kan eine luftförmige Flüßigkeit in einem hermetisch verschloßnen Gefäße nicht zersetzt werden. Bey Dünsten hingegen sindet auch eine Zersetzung ohne Dazwischenkunft eines andern Körpers statt, wenn nemlich das fortleitende Fluidum die schwere Substanz verläßt, um sich in das ihm zukommende Gleichgewicht zu setzen.

3. Sind die luftförmigen Stoffe einmal gebildet, so ist ihre Zusammensetzung bestimmt, und sie können ihre Natur nicht ändern, wenn nicht eine neue Substanz hinzukömmt. Daher bleibt das Verhältniß ihrer Bestandtheile immer eben dasselbe und ihre specifische Elasticität immer gleich groß. Bey den Dünsten hingegen ist das Verhältniß der Bestandtheile sehr abwechselnd, und ihre Elasticität richtet sich nach der Menge des in ihnen enthaltenen sortleitenden Fluidums.

Diese drey Kennzeichen vereinigen sich sämmtlich dahin, daß bey den luftförmigen Flüßigkeiten eine weit stärkere und innigere Verbindung der schweren Substanz mit dem fortleitenden Fluidum statt findet, als bey den Dünsten. Es ist aber nach de Lüc das fortleitende Fluidum bey allen luftförmigen Flüßigkeiten das Feuer, und sein System stimmt also sehr wohl mit dem Satze überein, daß das Wesen der beständig elastischen Materien in einer genauen


Lichte genau verbunden iſt, und den er die fortleitende Fluͤßigkeit (fluide déferent) nennt. Dieſes fortleitende Fluidum macht mit einer andern blos ſchweren, nicht elaſtiſchen, Subſtanz (ſubſtance grave) zuſammen, die elaſtiſche Materie, ſo wie ſie ſich uns zeiget, aus.

Die unterſcheidenden Kennzeichen der Duͤnſte und luftfoͤrmigen Fluͤßigkeiten ſind nach ihm folgende drey.

1. Die luftfoͤrmigen Fluͤßigkeiten halten jeden bekannten Grad des Drucks aus, ohne ſich zu zerſetzen; die Duͤnſte hingegen zerſetzen ſich, wenn ein allzuſtarker Druck ihr fortleitendes Fluidum von der blos ſchweren Subſtanz trennet.

2. Die luftfoͤrmigen Fluͤßigkeiten zerſetzen ſich nicht eher, als wenn ſich zwiſchen ihrer blos ſchweren Subſtanz und einem andern Kuͤrper eine ſtaͤrkere Verwandſchaft aͤuſſert, als zwiſchen dieſer Subſtanz und ihrem fortleitenden Fluidum ſtatt findet; daher kan eine luftfoͤrmige Fluͤßigkeit in einem hermetiſch verſchloßnen Gefaͤße nicht zerſetzt werden. Bey Duͤnſten hingegen ſindet auch eine Zerſetzung ohne Dazwiſchenkunft eines andern Koͤrpers ſtatt, wenn nemlich das fortleitende Fluidum die ſchwere Subſtanz verlaͤßt, um ſich in das ihm zukommende Gleichgewicht zu ſetzen.

3. Sind die luftfoͤrmigen Stoffe einmal gebildet, ſo iſt ihre Zuſammenſetzung beſtimmt, und ſie koͤnnen ihre Natur nicht aͤndern, wenn nicht eine neue Subſtanz hinzukoͤmmt. Daher bleibt das Verhaͤltniß ihrer Beſtandtheile immer eben daſſelbe und ihre ſpecifiſche Elaſticitaͤt immer gleich groß. Bey den Duͤnſten hingegen iſt das Verhaͤltniß der Beſtandtheile ſehr abwechſelnd, und ihre Elaſticitaͤt richtet ſich nach der Menge des in ihnen enthaltenen ſortleitenden Fluidums.

Dieſe drey Kennzeichen vereinigen ſich ſaͤmmtlich dahin, daß bey den luftfoͤrmigen Fluͤßigkeiten eine weit ſtaͤrkere und innigere Verbindung der ſchweren Subſtanz mit dem fortleitenden Fluidum ſtatt findet, als bey den Duͤnſten. Es iſt aber nach de Luͤc das fortleitende Fluidum bey allen luftfoͤrmigen Fluͤßigkeiten das Feuer, und ſein Syſtem ſtimmt alſo ſehr wohl mit dem Satze uͤberein, daß das Weſen der beſtaͤndig elaſtiſchen Materien in einer genauen

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[351/0357] Lichte genau verbunden iſt, und den er die fortleitende Fluͤßigkeit (fluide déferent) nennt. Dieſes fortleitende Fluidum macht mit einer andern blos ſchweren, nicht elaſtiſchen, Subſtanz (ſubſtance grave) zuſammen, die elaſtiſche Materie, ſo wie ſie ſich uns zeiget, aus. Die unterſcheidenden Kennzeichen der Duͤnſte und luftfoͤrmigen Fluͤßigkeiten ſind nach ihm folgende drey. 1. Die luftfoͤrmigen Fluͤßigkeiten halten jeden bekannten Grad des Drucks aus, ohne ſich zu zerſetzen; die Duͤnſte hingegen zerſetzen ſich, wenn ein allzuſtarker Druck ihr fortleitendes Fluidum von der blos ſchweren Subſtanz trennet. 2. Die luftfoͤrmigen Fluͤßigkeiten zerſetzen ſich nicht eher, als wenn ſich zwiſchen ihrer blos ſchweren Subſtanz und einem andern Kuͤrper eine ſtaͤrkere Verwandſchaft aͤuſſert, als zwiſchen dieſer Subſtanz und ihrem fortleitenden Fluidum ſtatt findet; daher kan eine luftfoͤrmige Fluͤßigkeit in einem hermetiſch verſchloßnen Gefaͤße nicht zerſetzt werden. Bey Duͤnſten hingegen ſindet auch eine Zerſetzung ohne Dazwiſchenkunft eines andern Koͤrpers ſtatt, wenn nemlich das fortleitende Fluidum die ſchwere Subſtanz verlaͤßt, um ſich in das ihm zukommende Gleichgewicht zu ſetzen. 3. Sind die luftfoͤrmigen Stoffe einmal gebildet, ſo iſt ihre Zuſammenſetzung beſtimmt, und ſie koͤnnen ihre Natur nicht aͤndern, wenn nicht eine neue Subſtanz hinzukoͤmmt. Daher bleibt das Verhaͤltniß ihrer Beſtandtheile immer eben daſſelbe und ihre ſpecifiſche Elaſticitaͤt immer gleich groß. Bey den Duͤnſten hingegen iſt das Verhaͤltniß der Beſtandtheile ſehr abwechſelnd, und ihre Elaſticitaͤt richtet ſich nach der Menge des in ihnen enthaltenen ſortleitenden Fluidums. Dieſe drey Kennzeichen vereinigen ſich ſaͤmmtlich dahin, daß bey den luftfoͤrmigen Fluͤßigkeiten eine weit ſtaͤrkere und innigere Verbindung der ſchweren Subſtanz mit dem fortleitenden Fluidum ſtatt findet, als bey den Duͤnſten. Es iſt aber nach de Luͤc das fortleitende Fluidum bey allen luftfoͤrmigen Fluͤßigkeiten das Feuer, und ſein Syſtem ſtimmt alſo ſehr wohl mit dem Satze uͤberein, daß das Weſen der beſtaͤndig elaſtiſchen Materien in einer genauen

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/357>, abgerufen am 23.11.2024.