Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


mit der letztern übereinzustimmen. Nach der erstern wäre die Luftsäure ein Bestandtheil der reinen vom Phlogiston ganz leeren Luft, würde durchs Brennbare daraus geschieden, und die reine Luft, wenn sie durch die allzu große Menge des Phlogistons zugleich ihr gebundenes Feuer verlöhre, erzeugte Wasser: nach der letztern aber wären Wasser und Luftsäure aus einerley Bestandtheilen, nemlich aus reiner Luft und Phlogiston, zusammengesetzt, welches doch kaum anzunehmen seyn möchte.

Fontana (Journal de physique 1778.) sucht alle thierische und vegetabilische Säuren blos von der in den Körpern enthaltenen großen Menge von fixer Luft herzuleiten. Seine Versuche zeigen wenigstens, daß sehr viele Substanzen des Thier- und Pflanzenreichs ihre Säure verlieren, wenn man ihnen die fixe Luft nimmt, und daß sie bey jedem Verlust der Säure fixe Luft geben. Dadurch wird es auch zweifelhaft, ob bey der Verbrennung die fixe Luft aus der Atmosphäre oder aus dem brennenden Körper komme.

Die Anwendungen, welche man von den neuern Entdeckungen über die Luftsäure gemacht hat, bestehen außer der Nachahmung der Sauerbrunnen (s. Gesundbrunnen, Parkerische Maschine) hauptsächlich in ihrem Gebrauche bey faulen Krankheiten, z. B. Scorbut, Krebsschäden, Geschwüren, bösen Hälsen, bösartigen Pocken, Faulfiebern, Blasensteinen und andern steinichten Concretionen. Sie gründen sich theils auf die fäulnißwidrige, theils auf die auflösende Eigenschaft dieser Luftgattung. Die erste ist so groß, daß man das Fleisch und die Früchte in ihr sehr lange Zeit vor der Fäulniß bewahren kan. Sie wird an den Körper entweder äußerlich angebracht, indem man sie aus einer Blase durch die Oefnung eines trichterförmigen gläsernen Gefäßes ausdrückt und an den leidenden Theil strömen läßt, oder sie wird innerlich als ein Klystir gegeben, wobey man keine Aufblähung fürchten darf, weil sie von den Säften des Körpers sehr leicht absorbirt wird. Bewley räth auch das mit fixer Luft imprägnirte feuerfeste Laugensalz als ein sehr brauchbares Arzneymittel an; und D. Hulme schreibt vor, eine laugenartige Mixtur und gleich darauf


mit der letztern uͤbereinzuſtimmen. Nach der erſtern waͤre die Luftſaͤure ein Beſtandtheil der reinen vom Phlogiſton ganz leeren Luft, wuͤrde durchs Brennbare daraus geſchieden, und die reine Luft, wenn ſie durch die allzu große Menge des Phlogiſtons zugleich ihr gebundenes Feuer verloͤhre, erzeugte Waſſer: nach der letztern aber waͤren Waſſer und Luftſaͤure aus einerley Beſtandtheilen, nemlich aus reiner Luft und Phlogiſton, zuſammengeſetzt, welches doch kaum anzunehmen ſeyn moͤchte.

Fontana (Journal de phyſique 1778.) ſucht alle thieriſche und vegetabiliſche Saͤuren blos von der in den Koͤrpern enthaltenen großen Menge von fixer Luft herzuleiten. Seine Verſuche zeigen wenigſtens, daß ſehr viele Subſtanzen des Thier- und Pflanzenreichs ihre Saͤure verlieren, wenn man ihnen die fixe Luft nimmt, und daß ſie bey jedem Verluſt der Saͤure fixe Luft geben. Dadurch wird es auch zweifelhaft, ob bey der Verbrennung die fixe Luft aus der Atmoſphaͤre oder aus dem brennenden Koͤrper komme.

Die Anwendungen, welche man von den neuern Entdeckungen uͤber die Luftſaͤure gemacht hat, beſtehen außer der Nachahmung der Sauerbrunnen (ſ. Geſundbrunnen, Parkeriſche Maſchine) hauptſaͤchlich in ihrem Gebrauche bey faulen Krankheiten, z. B. Scorbut, Krebsſchaͤden, Geſchwuͤren, boͤſen Haͤlſen, boͤsartigen Pocken, Faulfiebern, Blaſenſteinen und andern ſteinichten Concretionen. Sie gruͤnden ſich theils auf die faͤulnißwidrige, theils auf die aufloͤſende Eigenſchaft dieſer Luftgattung. Die erſte iſt ſo groß, daß man das Fleiſch und die Fruͤchte in ihr ſehr lange Zeit vor der Faͤulniß bewahren kan. Sie wird an den Koͤrper entweder aͤußerlich angebracht, indem man ſie aus einer Blaſe durch die Oefnung eines trichterfoͤrmigen glaͤſernen Gefaͤßes ausdruͤckt und an den leidenden Theil ſtroͤmen laͤßt, oder ſie wird innerlich als ein Klyſtir gegeben, wobey man keine Aufblaͤhung fuͤrchten darf, weil ſie von den Saͤften des Koͤrpers ſehr leicht abſorbirt wird. Bewley raͤth auch das mit fixer Luft impraͤgnirte feuerfeſte Laugenſalz als ein ſehr brauchbares Arzneymittel an; und D. Hulme ſchreibt vor, eine laugenartige Mixtur und gleich darauf

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="2">
            <p><pb facs="#f0409" xml:id="P.2.403" n="403"/><lb/>
mit der letztern u&#x0364;bereinzu&#x017F;timmen. Nach der er&#x017F;tern wa&#x0364;re die Luft&#x017F;a&#x0364;ure ein Be&#x017F;tandtheil der reinen vom Phlogi&#x017F;ton ganz leeren Luft, wu&#x0364;rde durchs Brennbare daraus ge&#x017F;chieden, und die reine Luft, wenn &#x017F;ie durch die allzu große Menge des Phlogi&#x017F;tons zugleich ihr gebundenes Feuer verlo&#x0364;hre, erzeugte Wa&#x017F;&#x017F;er: nach der letztern aber wa&#x0364;ren Wa&#x017F;&#x017F;er und Luft&#x017F;a&#x0364;ure aus einerley Be&#x017F;tandtheilen, nemlich aus reiner Luft und Phlogi&#x017F;ton, zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzt, welches doch kaum anzunehmen &#x017F;eyn mo&#x0364;chte.</p>
            <p><hi rendition="#b">Fontana</hi><hi rendition="#aq">(Journal de phy&#x017F;ique 1778.)</hi> &#x017F;ucht alle thieri&#x017F;che und vegetabili&#x017F;che Sa&#x0364;uren blos von der in den Ko&#x0364;rpern enthaltenen großen Menge von fixer Luft herzuleiten. Seine Ver&#x017F;uche zeigen wenig&#x017F;tens, daß &#x017F;ehr viele Sub&#x017F;tanzen des Thier- und Pflanzenreichs ihre Sa&#x0364;ure verlieren, wenn man ihnen die fixe Luft nimmt, und daß &#x017F;ie bey jedem Verlu&#x017F;t der Sa&#x0364;ure fixe Luft geben. Dadurch wird es auch zweifelhaft, ob bey der Verbrennung die fixe Luft aus der Atmo&#x017F;pha&#x0364;re oder aus dem brennenden Ko&#x0364;rper komme.</p>
            <p>Die Anwendungen, welche man von den neuern Entdeckungen u&#x0364;ber die Luft&#x017F;a&#x0364;ure gemacht hat, be&#x017F;tehen außer der Nachahmung der Sauerbrunnen (<hi rendition="#b">&#x017F;. Ge&#x017F;undbrunnen, Parkeri&#x017F;che Ma&#x017F;chine</hi>) haupt&#x017F;a&#x0364;chlich in ihrem Gebrauche bey faulen Krankheiten, z. B. Scorbut, Krebs&#x017F;cha&#x0364;den, Ge&#x017F;chwu&#x0364;ren, bo&#x0364;&#x017F;en Ha&#x0364;l&#x017F;en, bo&#x0364;sartigen Pocken, Faulfiebern, Bla&#x017F;en&#x017F;teinen und andern &#x017F;teinichten Concretionen. Sie gru&#x0364;nden &#x017F;ich theils auf die fa&#x0364;ulnißwidrige, theils auf die auflo&#x0364;&#x017F;ende Eigen&#x017F;chaft die&#x017F;er Luftgattung. Die er&#x017F;te i&#x017F;t &#x017F;o groß, daß man das Flei&#x017F;ch und die Fru&#x0364;chte in ihr &#x017F;ehr lange Zeit vor der Fa&#x0364;ulniß bewahren kan. Sie wird an den Ko&#x0364;rper entweder a&#x0364;ußerlich angebracht, indem man &#x017F;ie aus einer Bla&#x017F;e durch die Oefnung eines trichterfo&#x0364;rmigen gla&#x0364;&#x017F;ernen Gefa&#x0364;ßes ausdru&#x0364;ckt und an den leidenden Theil &#x017F;tro&#x0364;men la&#x0364;ßt, oder &#x017F;ie wird innerlich als ein Kly&#x017F;tir gegeben, wobey man keine Aufbla&#x0364;hung fu&#x0364;rchten darf, weil &#x017F;ie von den Sa&#x0364;ften des Ko&#x0364;rpers &#x017F;ehr leicht ab&#x017F;orbirt wird. <hi rendition="#b">Bewley</hi> ra&#x0364;th auch das mit fixer Luft impra&#x0364;gnirte feuerfe&#x017F;te Laugen&#x017F;alz als ein &#x017F;ehr brauchbares Arzneymittel an; und D. <hi rendition="#b">Hulme</hi> &#x017F;chreibt vor, eine laugenartige Mixtur und gleich darauf<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[403/0409] mit der letztern uͤbereinzuſtimmen. Nach der erſtern waͤre die Luftſaͤure ein Beſtandtheil der reinen vom Phlogiſton ganz leeren Luft, wuͤrde durchs Brennbare daraus geſchieden, und die reine Luft, wenn ſie durch die allzu große Menge des Phlogiſtons zugleich ihr gebundenes Feuer verloͤhre, erzeugte Waſſer: nach der letztern aber waͤren Waſſer und Luftſaͤure aus einerley Beſtandtheilen, nemlich aus reiner Luft und Phlogiſton, zuſammengeſetzt, welches doch kaum anzunehmen ſeyn moͤchte. Fontana (Journal de phyſique 1778.) ſucht alle thieriſche und vegetabiliſche Saͤuren blos von der in den Koͤrpern enthaltenen großen Menge von fixer Luft herzuleiten. Seine Verſuche zeigen wenigſtens, daß ſehr viele Subſtanzen des Thier- und Pflanzenreichs ihre Saͤure verlieren, wenn man ihnen die fixe Luft nimmt, und daß ſie bey jedem Verluſt der Saͤure fixe Luft geben. Dadurch wird es auch zweifelhaft, ob bey der Verbrennung die fixe Luft aus der Atmoſphaͤre oder aus dem brennenden Koͤrper komme. Die Anwendungen, welche man von den neuern Entdeckungen uͤber die Luftſaͤure gemacht hat, beſtehen außer der Nachahmung der Sauerbrunnen (ſ. Geſundbrunnen, Parkeriſche Maſchine) hauptſaͤchlich in ihrem Gebrauche bey faulen Krankheiten, z. B. Scorbut, Krebsſchaͤden, Geſchwuͤren, boͤſen Haͤlſen, boͤsartigen Pocken, Faulfiebern, Blaſenſteinen und andern ſteinichten Concretionen. Sie gruͤnden ſich theils auf die faͤulnißwidrige, theils auf die aufloͤſende Eigenſchaft dieſer Luftgattung. Die erſte iſt ſo groß, daß man das Fleiſch und die Fruͤchte in ihr ſehr lange Zeit vor der Faͤulniß bewahren kan. Sie wird an den Koͤrper entweder aͤußerlich angebracht, indem man ſie aus einer Blaſe durch die Oefnung eines trichterfoͤrmigen glaͤſernen Gefaͤßes ausdruͤckt und an den leidenden Theil ſtroͤmen laͤßt, oder ſie wird innerlich als ein Klyſtir gegeben, wobey man keine Aufblaͤhung fuͤrchten darf, weil ſie von den Saͤften des Koͤrpers ſehr leicht abſorbirt wird. Bewley raͤth auch das mit fixer Luft impraͤgnirte feuerfeſte Laugenſalz als ein ſehr brauchbares Arzneymittel an; und D. Hulme ſchreibt vor, eine laugenartige Mixtur und gleich darauf

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/409
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/409>, abgerufen am 22.11.2024.