Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


diese Empfindungen unter dem Artikel: Sehen reden. Die Lehre vom Sinne des Gesichts ist also größtentheils unter diese beyden Abschnitte vertheilt, und wenn man hiezu noch dasjenige nimmt, was bey den Worten: Entfernung, scheinbare; Größe, scheinbare; Bild; Gesichtsbetrüge; Gesichtsfehler beygebracht ist, so wird man von den wichtigsten und nöthigsten Theilen dieser sehr weitläuftigen Lehre soviel antreffen, als hier mitzutheilen möglich war.

Gesichtsaxe, s. Axe.

Gesichtsbetrüge, optische Täuschungen, Fallaciae opticae, Fallaciae visus, Illusions optiques.

Die falschen Urtheile, welche wir über die Beschaffenheit und den Zustand der gesehenen Gegenstände fällen, heißen Gesichtsbetrüge, wenn wir aus denen im Auge erregten Empfindungen, in ungewöhnlichen Fällen, dennoch nach den gewohnten Regeln schließen. Wir vergleichen von Jugend auf das Gesicht mit dem Gefühl, und erlangen dadurch eine Fertigkeit, den Ort, die Größe, Entfernung rc. der gesehenen Gegenstände zu beurtheilen. Die Anwendung dieser Fertigkeit trügt in den gewöhnlichen Fällen fast niemals; wir wenden sie aber mit einer ungemeinen Schnelligkeit auf alle Fälle, also oft auch auf solche an, bey welchen große Ausnahmen von den gewöhnlichen Regeln vorkommen. Hier urtheilen wir nothwendig falsch<*> weil wir uns aber dieses Urtheilens nicht deutlich bewußt sind, und es mit dem Sehen selbst verwechseln, so glauben wir bey Entdeckung des Irrthums, falsch gesehen zu haben, und von unserm Auge getäuscht zu seyn. Daher hat man diesen Irrungen den Namen der Gesichtsbetrüge beygelegt, und über die Betrüglichkeit der Sinne gestritten, obgleich die Darstellung allezeit richtig, d. h. den Gesetzen des Lichts und der Einrichtung des Auges angemessen, ist, so daß der Fehler blos in dem Urtheile liegt, das wir über die Darstellung fällen.

Die meisten Gesichtsbetrüge fallen bey der Betrachtung des Himmels und der Gestirne vor. Hierbey haben


dieſe Empfindungen unter dem Artikel: Sehen reden. Die Lehre vom Sinne des Geſichts iſt alſo groͤßtentheils unter dieſe beyden Abſchnitte vertheilt, und wenn man hiezu noch dasjenige nimmt, was bey den Worten: Entfernung, ſcheinbare; Groͤße, ſcheinbare; Bild; Geſichtsbetruͤge; Geſichtsfehler beygebracht iſt, ſo wird man von den wichtigſten und noͤthigſten Theilen dieſer ſehr weitlaͤuftigen Lehre ſoviel antreffen, als hier mitzutheilen moͤglich war.

Geſichtsaxe, ſ. Axe.

Geſichtsbetruͤge, optiſche Taͤuſchungen, Fallaciae opticae, Fallaciae viſus, Illuſions optiques.

Die falſchen Urtheile, welche wir uͤber die Beſchaffenheit und den Zuſtand der geſehenen Gegenſtaͤnde faͤllen, heißen Geſichtsbetruͤge, wenn wir aus denen im Auge erregten Empfindungen, in ungewoͤhnlichen Faͤllen, dennoch nach den gewohnten Regeln ſchließen. Wir vergleichen von Jugend auf das Geſicht mit dem Gefuͤhl, und erlangen dadurch eine Fertigkeit, den Ort, die Groͤße, Entfernung rc. der geſehenen Gegenſtaͤnde zu beurtheilen. Die Anwendung dieſer Fertigkeit truͤgt in den gewoͤhnlichen Faͤllen faſt niemals; wir wenden ſie aber mit einer ungemeinen Schnelligkeit auf alle Faͤlle, alſo oft auch auf ſolche an, bey welchen große Ausnahmen von den gewoͤhnlichen Regeln vorkommen. Hier urtheilen wir nothwendig falſch<*> weil wir uns aber dieſes Urtheilens nicht deutlich bewußt ſind, und es mit dem Sehen ſelbſt verwechſeln, ſo glauben wir bey Entdeckung des Irrthums, falſch geſehen zu haben, und von unſerm Auge getaͤuſcht zu ſeyn. Daher hat man dieſen Irrungen den Namen der Geſichtsbetruͤge beygelegt, und uͤber die Betruͤglichkeit der Sinne geſtritten, obgleich die Darſtellung allezeit richtig, d. h. den Geſetzen des Lichts und der Einrichtung des Auges angemeſſen, iſt, ſo daß der Fehler blos in dem Urtheile liegt, das wir uͤber die Darſtellung faͤllen.

Die meiſten Geſichtsbetruͤge fallen bey der Betrachtung des Himmels und der Geſtirne vor. Hierbey haben

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="2">
            <p><pb facs="#f0473" xml:id="P.2.467" n="467"/><lb/>
die&#x017F;e Empfindungen unter dem Artikel: <hi rendition="#b">Sehen reden.</hi> Die Lehre vom Sinne des Ge&#x017F;ichts i&#x017F;t al&#x017F;o gro&#x0364;ßtentheils unter die&#x017F;e beyden Ab&#x017F;chnitte vertheilt, und wenn man hiezu noch dasjenige nimmt, was bey den Worten: <hi rendition="#b">Entfernung, &#x017F;cheinbare; Gro&#x0364;ße, &#x017F;cheinbare; Bild; Ge&#x017F;ichtsbetru&#x0364;ge; Ge&#x017F;ichtsfehler</hi> beygebracht i&#x017F;t, &#x017F;o wird man von den wichtig&#x017F;ten und no&#x0364;thig&#x017F;ten Theilen die&#x017F;er &#x017F;ehr weitla&#x0364;uftigen Lehre &#x017F;oviel antreffen, als hier mitzutheilen mo&#x0364;glich war.</p>
            <p> <hi rendition="#b">Ge&#x017F;ichtsaxe, &#x017F;. Axe.</hi> </p>
          </div>
          <div n="2">
            <head>Ge&#x017F;ichtsbetru&#x0364;ge, opti&#x017F;che Ta&#x0364;u&#x017F;chungen, <name type="subjectIndexTerm"><foreign xml:lang="lat"><hi rendition="#aq">Fallaciae opticae, Fallaciae vi&#x017F;us</hi></foreign></name>, <name type="subjectIndexTerm"><foreign xml:lang="fra"><hi rendition="#aq #i">Illu&#x017F;ions optiques</hi></foreign></name>.</head><lb/>
            <p>Die fal&#x017F;chen Urtheile, welche wir u&#x0364;ber die Be&#x017F;chaffenheit und den Zu&#x017F;tand der ge&#x017F;ehenen Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde fa&#x0364;llen, heißen <hi rendition="#b">Ge&#x017F;ichtsbetru&#x0364;ge,</hi> wenn wir aus denen im Auge erregten Empfindungen, in ungewo&#x0364;hnlichen Fa&#x0364;llen, dennoch nach den gewohnten Regeln &#x017F;chließen. Wir vergleichen von Jugend auf das Ge&#x017F;icht mit dem Gefu&#x0364;hl, und erlangen dadurch eine Fertigkeit, den Ort, die Gro&#x0364;ße, Entfernung rc. der ge&#x017F;ehenen Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde zu beurtheilen. Die Anwendung die&#x017F;er Fertigkeit tru&#x0364;gt in den gewo&#x0364;hnlichen Fa&#x0364;llen fa&#x017F;t niemals; wir wenden &#x017F;ie aber mit einer ungemeinen Schnelligkeit auf alle Fa&#x0364;lle, al&#x017F;o oft auch auf &#x017F;olche an, bey welchen große Ausnahmen von den gewo&#x0364;hnlichen Regeln vorkommen. Hier urtheilen wir nothwendig fal&#x017F;ch&lt;*&gt; weil wir uns aber die&#x017F;es Urtheilens nicht deutlich bewußt &#x017F;ind, und es mit dem <hi rendition="#b">Sehen</hi> &#x017F;elb&#x017F;t verwech&#x017F;eln, &#x017F;o glauben wir bey Entdeckung des Irrthums, fal&#x017F;ch <hi rendition="#b">ge&#x017F;ehen</hi> zu haben, und von un&#x017F;erm Auge geta&#x0364;u&#x017F;cht zu &#x017F;eyn. Daher hat man die&#x017F;en Irrungen den Namen der Ge&#x017F;ichtsbetru&#x0364;ge beygelegt, und u&#x0364;ber die Betru&#x0364;glichkeit der Sinne ge&#x017F;tritten, obgleich die Dar&#x017F;tellung allezeit richtig, d. h. den Ge&#x017F;etzen des Lichts und der Einrichtung des Auges angeme&#x017F;&#x017F;en, i&#x017F;t, &#x017F;o daß der Fehler blos in dem Urtheile liegt, das wir u&#x0364;ber die Dar&#x017F;tellung fa&#x0364;llen.</p>
            <p>Die mei&#x017F;ten Ge&#x017F;ichtsbetru&#x0364;ge fallen bey der Betrachtung des Himmels und der Ge&#x017F;tirne vor. Hierbey haben<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[467/0473] dieſe Empfindungen unter dem Artikel: Sehen reden. Die Lehre vom Sinne des Geſichts iſt alſo groͤßtentheils unter dieſe beyden Abſchnitte vertheilt, und wenn man hiezu noch dasjenige nimmt, was bey den Worten: Entfernung, ſcheinbare; Groͤße, ſcheinbare; Bild; Geſichtsbetruͤge; Geſichtsfehler beygebracht iſt, ſo wird man von den wichtigſten und noͤthigſten Theilen dieſer ſehr weitlaͤuftigen Lehre ſoviel antreffen, als hier mitzutheilen moͤglich war. Geſichtsaxe, ſ. Axe. Geſichtsbetruͤge, optiſche Taͤuſchungen, Fallaciae opticae, Fallaciae viſus, Illuſions optiques. Die falſchen Urtheile, welche wir uͤber die Beſchaffenheit und den Zuſtand der geſehenen Gegenſtaͤnde faͤllen, heißen Geſichtsbetruͤge, wenn wir aus denen im Auge erregten Empfindungen, in ungewoͤhnlichen Faͤllen, dennoch nach den gewohnten Regeln ſchließen. Wir vergleichen von Jugend auf das Geſicht mit dem Gefuͤhl, und erlangen dadurch eine Fertigkeit, den Ort, die Groͤße, Entfernung rc. der geſehenen Gegenſtaͤnde zu beurtheilen. Die Anwendung dieſer Fertigkeit truͤgt in den gewoͤhnlichen Faͤllen faſt niemals; wir wenden ſie aber mit einer ungemeinen Schnelligkeit auf alle Faͤlle, alſo oft auch auf ſolche an, bey welchen große Ausnahmen von den gewoͤhnlichen Regeln vorkommen. Hier urtheilen wir nothwendig falſch<*> weil wir uns aber dieſes Urtheilens nicht deutlich bewußt ſind, und es mit dem Sehen ſelbſt verwechſeln, ſo glauben wir bey Entdeckung des Irrthums, falſch geſehen zu haben, und von unſerm Auge getaͤuſcht zu ſeyn. Daher hat man dieſen Irrungen den Namen der Geſichtsbetruͤge beygelegt, und uͤber die Betruͤglichkeit der Sinne geſtritten, obgleich die Darſtellung allezeit richtig, d. h. den Geſetzen des Lichts und der Einrichtung des Auges angemeſſen, iſt, ſo daß der Fehler blos in dem Urtheile liegt, das wir uͤber die Darſtellung faͤllen. Die meiſten Geſichtsbetruͤge fallen bey der Betrachtung des Himmels und der Geſtirne vor. Hierbey haben

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/473
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 467. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/473>, abgerufen am 22.11.2024.