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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

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"Um der geringen Entfernung willen (welche Nichts ist, "wenn man kein Zwischenmittel annimmt) soll die Be"strebung genau nach einem gewissen Verhältnisse zuneh"men? Dies ist mehr als unverständlich. -- Theile des "Monds und der Erde sollen ohne Mittel blos durch den "Zauber des Worts: Schwere, wesentliche Eigen"schaft aller Materie, in einander wirken. Selbst, "wenn die Materie Verstand hätte und durch Bewegungs"gründe bestimmt würde, müßte man doch noch Boten an"nehmen, durch die sie von der Gegenwart anderer Körper, "von ihrer Masse, Lage und Entfernung benachrichtiget "würde, ehe sie sich nach ihnen hin bewegen könnte."

Endlich macht man, wenn man den einzigen Grund in dem Willen des Schöpfers sucht, die ganze Schöpfung zu einer beständigen Reihe von Wunderwerken. Es ist zwar gefährlich, über das zu streiten, was Gott thun kan, und wirklich thut; allein die Anziehung für eine unmittelbare Folge des göttlichen Willens halten und keinen weitern Grund derselben in der Natur der Körper suchen, das ist doch eben so viel, als sagen, daß Gott selbst den Stein führe, der auf die Erde fällt.

Herr von Maupertuis (Sur les differentes figures des astres, in dessen Oeuvres, a Lyon, 1768. gr. 8. To. I. p. 96. sq.) sucht zwar die Möglichkeit des Satzes, daß die Gravitation eine wesentliche Eigenschaft der Körper sey, zu vertheidigen. Diejenigen, sagt er, welche die Attraction für ein metaphysisches Ungeheuer ansehen, gleichen dem Pöbel, der alles für unmöglich hält, wovon er noch keinen Begriff gehabt hat, und dabey Dinge übersieht, die ihm eben so unbegreiflich scheinen würden, wenn er sie nicht täglich vor Augen hätte. -- Kennen wir denn etwa die Natur des Stoßes, und der Mittheilung der Bewegungen besser? Müssen wir nicht dabey eben sowohl gestehen, daß es Gott ist, der nach den zur Erhaltung der Welt geordneten Gesetzen, den gestoßnen Körper in Bewegung kommen und den stoßenden seine Bewegung ändern läßt? Warum sollen wir denn nicht auch sagen, es sey Gott, der nach den geordneten Gesetzen dieses Bestreben nach Annäherung statt


”Um der geringen Entfernung willen (welche Nichts iſt, ”wenn man kein Zwiſchenmittel annimmt) ſoll die Be”ſtrebung genau nach einem gewiſſen Verhaͤltniſſe zuneh”men? Dies iſt mehr als unverſtaͤndlich. — Theile des ”Monds und der Erde ſollen ohne Mittel blos durch den ”Zauber des Worts: Schwere, weſentliche Eigen”ſchaft aller Materie, in einander wirken. Selbſt, ”wenn die Materie Verſtand haͤtte und durch Bewegungs”gruͤnde beſtimmt wuͤrde, muͤßte man doch noch Boten an”nehmen, durch die ſie von der Gegenwart anderer Koͤrper, ”von ihrer Maſſe, Lage und Entfernung benachrichtiget ”wuͤrde, ehe ſie ſich nach ihnen hin bewegen koͤnnte.“

Endlich macht man, wenn man den einzigen Grund in dem Willen des Schoͤpfers ſucht, die ganze Schoͤpfung zu einer beſtaͤndigen Reihe von Wunderwerken. Es iſt zwar gefaͤhrlich, uͤber das zu ſtreiten, was Gott thun kan, und wirklich thut; allein die Anziehung fuͤr eine unmittelbare Folge des goͤttlichen Willens halten und keinen weitern Grund derſelben in der Natur der Koͤrper ſuchen, das iſt doch eben ſo viel, als ſagen, daß Gott ſelbſt den Stein fuͤhre, der auf die Erde faͤllt.

Herr von Maupertuis (Sur les differentes figures des aſtres, in deſſen Oeuvres, a Lyon, 1768. gr. 8. To. I. p. 96. ſq.) ſucht zwar die Moͤglichkeit des Satzes, daß die Gravitation eine weſentliche Eigenſchaft der Koͤrper ſey, zu vertheidigen. Diejenigen, ſagt er, welche die Attraction fuͤr ein metaphyſiſches Ungeheuer anſehen, gleichen dem Poͤbel, der alles fuͤr unmoͤglich haͤlt, wovon er noch keinen Begriff gehabt hat, und dabey Dinge uͤberſieht, die ihm eben ſo unbegreiflich ſcheinen wuͤrden, wenn er ſie nicht taͤglich vor Augen haͤtte. — Kennen wir denn etwa die Natur des Stoßes, und der Mittheilung der Bewegungen beſſer? Muͤſſen wir nicht dabey eben ſowohl geſtehen, daß es Gott iſt, der nach den zur Erhaltung der Welt geordneten Geſetzen, den geſtoßnen Koͤrper in Bewegung kommen und den ſtoßenden ſeine Bewegung aͤndern laͤßt? Warum ſollen wir denn nicht auch ſagen, es ſey Gott, der nach den geordneten Geſetzen dieſes Beſtreben nach Annaͤherung ſtatt

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[528/0534] ”Um der geringen Entfernung willen (welche Nichts iſt, ”wenn man kein Zwiſchenmittel annimmt) ſoll die Be”ſtrebung genau nach einem gewiſſen Verhaͤltniſſe zuneh”men? Dies iſt mehr als unverſtaͤndlich. — Theile des ”Monds und der Erde ſollen ohne Mittel blos durch den ”Zauber des Worts: Schwere, weſentliche Eigen”ſchaft aller Materie, in einander wirken. Selbſt, ”wenn die Materie Verſtand haͤtte und durch Bewegungs”gruͤnde beſtimmt wuͤrde, muͤßte man doch noch Boten an”nehmen, durch die ſie von der Gegenwart anderer Koͤrper, ”von ihrer Maſſe, Lage und Entfernung benachrichtiget ”wuͤrde, ehe ſie ſich nach ihnen hin bewegen koͤnnte.“ Endlich macht man, wenn man den einzigen Grund in dem Willen des Schoͤpfers ſucht, die ganze Schoͤpfung zu einer beſtaͤndigen Reihe von Wunderwerken. Es iſt zwar gefaͤhrlich, uͤber das zu ſtreiten, was Gott thun kan, und wirklich thut; allein die Anziehung fuͤr eine unmittelbare Folge des goͤttlichen Willens halten und keinen weitern Grund derſelben in der Natur der Koͤrper ſuchen, das iſt doch eben ſo viel, als ſagen, daß Gott ſelbſt den Stein fuͤhre, der auf die Erde faͤllt. Herr von Maupertuis (Sur les differentes figures des aſtres, in deſſen Oeuvres, a Lyon, 1768. gr. 8. To. I. p. 96. ſq.) ſucht zwar die Moͤglichkeit des Satzes, daß die Gravitation eine weſentliche Eigenſchaft der Koͤrper ſey, zu vertheidigen. Diejenigen, ſagt er, welche die Attraction fuͤr ein metaphyſiſches Ungeheuer anſehen, gleichen dem Poͤbel, der alles fuͤr unmoͤglich haͤlt, wovon er noch keinen Begriff gehabt hat, und dabey Dinge uͤberſieht, die ihm eben ſo unbegreiflich ſcheinen wuͤrden, wenn er ſie nicht taͤglich vor Augen haͤtte. — Kennen wir denn etwa die Natur des Stoßes, und der Mittheilung der Bewegungen beſſer? Muͤſſen wir nicht dabey eben ſowohl geſtehen, daß es Gott iſt, der nach den zur Erhaltung der Welt geordneten Geſetzen, den geſtoßnen Koͤrper in Bewegung kommen und den ſtoßenden ſeine Bewegung aͤndern laͤßt? Warum ſollen wir denn nicht auch ſagen, es ſey Gott, der nach den geordneten Geſetzen dieſes Beſtreben nach Annaͤherung ſtatt

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 528. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/534>, abgerufen am 22.11.2024.