Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.
3) Die Höhe des Steigens kömmt zwar gar nicht auf die Länge des Röhrchens an; aber wenn das Wasser die obere Oefnung erreicht hat, so kan es nicht herausgehoben werden, weil keine Glaswände mehr da sind, die es anziehen. 4) Nicht alle flüßige Materien werden vom Glase gleich stark angezogen, und es kömmt dabey gar nicht auf ihre specifische Schwere an. Auch zieht ein Glas stärker an, als das andere. 5) Des Quecksilbers Theile hängen unter einander stärker zusammen, als sie vom Glase angezogen werden. Indem man also ein Haarröhrchen in Quecksilber taucht, wird der kleine Theil, der von unten in die Röhre eindringen sollte, von der übrigen Masse des Quecksilbers stärker zurückgehalten, als ihn das Glas zieht. Ueber ihm ist kein Quecksilber, das diese Kraft aufheben könnte; sie überwindet also sowohl den Druck, der aus den hydrostatischen Gesetzen folgt, als auch das Anziehen des Glases, und das Quecksilber bleibt so lange stehen, bis endlich der hydrostatische Druck das Uebergewicht bekömmt, und es hineintreibet. Dies geschieht desto später, je enger die Röhre ist, je genauer also das Quecksilber von der Berührung mit dem übrigen abgeschnitten wird. Man hat hiebey gar nicht nöthig, zu einer zurückstoßenden Kraft seine Zuflucht zu nehmen. Nach de la Lande (Diss. sur la cause de l'elevation des liqueurs dans les tubes capillaires, a Paris, 1770.) soll Franz Aggiunti, Leibarzt des Großherzogs von Toscana, einer von den Stiftern der Akademie del Cimento, der im Jahre 1635 gestorben ist, die Phänomene der Haarröhren zuerst bemerkt haben. Der Iesuit Honora-
3) Die Hoͤhe des Steigens koͤmmt zwar gar nicht auf die Laͤnge des Roͤhrchens an; aber wenn das Waſſer die obere Oefnung erreicht hat, ſo kan es nicht herausgehoben werden, weil keine Glaswaͤnde mehr da ſind, die es anziehen. 4) Nicht alle fluͤßige Materien werden vom Glaſe gleich ſtark angezogen, und es koͤmmt dabey gar nicht auf ihre ſpecifiſche Schwere an. Auch zieht ein Glas ſtaͤrker an, als das andere. 5) Des Queckſilbers Theile haͤngen unter einander ſtaͤrker zuſammen, als ſie vom Glaſe angezogen werden. Indem man alſo ein Haarroͤhrchen in Queckſilber taucht, wird der kleine Theil, der von unten in die Roͤhre eindringen ſollte, von der uͤbrigen Maſſe des Queckſilbers ſtaͤrker zuruͤckgehalten, als ihn das Glas zieht. Ueber ihm iſt kein Queckſilber, das dieſe Kraft aufheben koͤnnte; ſie uͤberwindet alſo ſowohl den Druck, der aus den hydroſtatiſchen Geſetzen folgt, als auch das Anziehen des Glaſes, und das Queckſilber bleibt ſo lange ſtehen, bis endlich der hydroſtatiſche Druck das Uebergewicht bekoͤmmt, und es hineintreibet. Dies geſchieht deſto ſpaͤter, je enger die Roͤhre iſt, je genauer alſo das Queckſilber von der Beruͤhrung mit dem uͤbrigen abgeſchnitten wird. Man hat hiebey gar nicht noͤthig, zu einer zuruͤckſtoßenden Kraft ſeine Zuflucht zu nehmen. Nach de la Lande (Diſſ. ſur la cauſe de l'élevation des liqueurs dans les tubes capillaires, à Paris, 1770.) ſoll Franz Aggiunti, Leibarzt des Großherzogs von Toſcana, einer von den Stiftern der Akademie del Cimento, der im Jahre 1635 geſtorben iſt, die Phaͤnomene der Haarroͤhren zuerſt bemerkt haben. Der Ieſuit Honora- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0553" xml:id="P.2.547" n="547"/><lb/> zum vierten Theile der Hoͤhe im andern ſteigen: aber es beruͤhrt auch den Rand des Glaſes in doppelt ſo viel Punkten, und wird alſo doppelt ſo ſtark angezogen, daher es in allem halb ſo hoch ſteigt, als im andern Haarroͤhrchen. Dieſer Erklaͤrung nach muͤſſen ſich die Hoͤhen des Steigens ohngeſaͤhr umgekehrt, wie die Durchmeſſer der Roͤhren verhalten, womit auch die Verſuche uͤbereinſtimmen.</p> <p>3) Die Hoͤhe des Steigens koͤmmt zwar gar nicht auf die Laͤnge des Roͤhrchens an; aber wenn das Waſſer die obere Oefnung erreicht hat, ſo kan es nicht herausgehoben werden, weil keine Glaswaͤnde mehr da ſind, die es anziehen.</p> <p>4) Nicht alle fluͤßige Materien werden vom Glaſe gleich ſtark angezogen, und es koͤmmt dabey gar nicht auf ihre ſpecifiſche Schwere an. Auch zieht ein Glas ſtaͤrker an, als das andere.</p> <p>5) Des Queckſilbers Theile haͤngen unter einander ſtaͤrker zuſammen, als ſie vom Glaſe angezogen werden. Indem man alſo ein Haarroͤhrchen in Queckſilber taucht, wird der kleine Theil, der von unten in die Roͤhre eindringen ſollte, von der uͤbrigen Maſſe des Queckſilbers ſtaͤrker zuruͤckgehalten, als ihn das Glas zieht. Ueber ihm iſt kein Queckſilber, das dieſe Kraft aufheben koͤnnte; ſie uͤberwindet alſo ſowohl den Druck, der aus den hydroſtatiſchen Geſetzen folgt, als auch das Anziehen des Glaſes, und das Queckſilber bleibt ſo lange ſtehen, bis endlich der hydroſtatiſche Druck das Uebergewicht bekoͤmmt, und es hineintreibet. Dies geſchieht deſto ſpaͤter, je enger die Roͤhre iſt, je genauer alſo das Queckſilber von der Beruͤhrung mit dem uͤbrigen abgeſchnitten wird. Man hat hiebey gar nicht noͤthig, zu einer <hi rendition="#b">zuruͤckſtoßenden Kraft</hi> ſeine Zuflucht zu nehmen.</p> <p>Nach <hi rendition="#b">de la Lande</hi> <hi rendition="#aq">(Diſſ. ſur la cauſe de l'élevation des liqueurs dans les tubes capillaires, à Paris, 1770.)</hi> ſoll <hi rendition="#b">Franz Aggiunti,</hi> Leibarzt des Großherzogs von Toſcana, einer von den Stiftern der Akademie del Cimento, der im Jahre 1635 geſtorben iſt, die Phaͤnomene der Haarroͤhren zuerſt bemerkt haben. Der Ieſuit <hi rendition="#b">Honora-<lb/></hi></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [547/0553]
zum vierten Theile der Hoͤhe im andern ſteigen: aber es beruͤhrt auch den Rand des Glaſes in doppelt ſo viel Punkten, und wird alſo doppelt ſo ſtark angezogen, daher es in allem halb ſo hoch ſteigt, als im andern Haarroͤhrchen. Dieſer Erklaͤrung nach muͤſſen ſich die Hoͤhen des Steigens ohngeſaͤhr umgekehrt, wie die Durchmeſſer der Roͤhren verhalten, womit auch die Verſuche uͤbereinſtimmen.
3) Die Hoͤhe des Steigens koͤmmt zwar gar nicht auf die Laͤnge des Roͤhrchens an; aber wenn das Waſſer die obere Oefnung erreicht hat, ſo kan es nicht herausgehoben werden, weil keine Glaswaͤnde mehr da ſind, die es anziehen.
4) Nicht alle fluͤßige Materien werden vom Glaſe gleich ſtark angezogen, und es koͤmmt dabey gar nicht auf ihre ſpecifiſche Schwere an. Auch zieht ein Glas ſtaͤrker an, als das andere.
5) Des Queckſilbers Theile haͤngen unter einander ſtaͤrker zuſammen, als ſie vom Glaſe angezogen werden. Indem man alſo ein Haarroͤhrchen in Queckſilber taucht, wird der kleine Theil, der von unten in die Roͤhre eindringen ſollte, von der uͤbrigen Maſſe des Queckſilbers ſtaͤrker zuruͤckgehalten, als ihn das Glas zieht. Ueber ihm iſt kein Queckſilber, das dieſe Kraft aufheben koͤnnte; ſie uͤberwindet alſo ſowohl den Druck, der aus den hydroſtatiſchen Geſetzen folgt, als auch das Anziehen des Glaſes, und das Queckſilber bleibt ſo lange ſtehen, bis endlich der hydroſtatiſche Druck das Uebergewicht bekoͤmmt, und es hineintreibet. Dies geſchieht deſto ſpaͤter, je enger die Roͤhre iſt, je genauer alſo das Queckſilber von der Beruͤhrung mit dem uͤbrigen abgeſchnitten wird. Man hat hiebey gar nicht noͤthig, zu einer zuruͤckſtoßenden Kraft ſeine Zuflucht zu nehmen.
Nach de la Lande (Diſſ. ſur la cauſe de l'élevation des liqueurs dans les tubes capillaires, à Paris, 1770.) ſoll Franz Aggiunti, Leibarzt des Großherzogs von Toſcana, einer von den Stiftern der Akademie del Cimento, der im Jahre 1635 geſtorben iſt, die Phaͤnomene der Haarroͤhren zuerſt bemerkt haben. Der Ieſuit Honora-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |